Pfaffenhofen
Wachstum allein wird nicht die Lösung sein

18.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Schaffe, schaffe, Häusle baue: "Baubürgermeister" Thomas Herker schwingt schon mal den Spaten - schließlich will die Stadt in den nächsten Jahren Millionen in den angespannten Wohnungsmarkt investieren. ‹ŒArch - foto: Steinbüchler

... sagt Thomas Herker. Er setzt auf das Einheimischenmodell und will den Bau von Sozialwohnungen konsequent vorantreiben. Und dennoch: Selbst 5000 Mietwohnungen mehr würden den Markt nur kurzfristig entspannen, so der Bürgermeister im zweiten Teil der Serie "Wird Wohnen unbezahlbar"

"Das einzige Mittel gegen steigende Immobilienpreise ist eine Vergrößerung des Wohnungsangebots", sagt Roman Dienersberger von der Regierung von Oberbayern. Herr Herker, hat der Leitende Baudirektor recht? Muss die Stadt mehr Wohnraum ausweisen?

 

Thomas Herker: In einer Marktwirtschaft ist die Antwort von Herrn Dienersberger grundsätzlich richtig. Angebot und Nachfrage bestimmen letztendlich den Preis. Auch bei uns ist die Nachfrage nach Wohnraum größer als das Angebot. 60, 70 oder noch mehr Bewerber auf eine Wohnung sind in der Stadt keine Seltenheit, der absolut dominierende Teil der Anfragen kommt allerdings von außerhalb. Von daher darf man Pfaffenhofen nicht als abgegrenzten Markt begreifen, sondern muss die Stadt als Teil des Großraums München, der bis nach Ingolstadt und darüber hinaus geht, sehen. Selbst wenn wir morgen 3000 Bauparzellen auf den Markt werfen würden, oder 5000 Mietwohnungen zur Verfügung stünden, wäre das allenfalls eine kurzfristige Entspannung des Marktgeschehens. Die Nachfrage rein aus Pfaffenhofen heraus könnten wir ohne Probleme bedienen, es geht darum, was von außen reindrückt. Von daher wird allein Wachstum nicht die Lösung sein können.

 

Was passiert nun in den nächsten Jahren in Sachen Baulandausweisung?

Herker: Das Wohngebiet Weingartenfeld bei Heißmanning ist baurechtlich soweit aufs Gleis gesetzt, dort kann im nächsten Jahr gebaut werden. Als Nächstes kommt das deutlich größere Pfaffelleiten-Areal, dort werden wir den Bebauungsplan nach der Sommerpause in Angriff nehmen, den wir bis Mitte 2018 abschließen wollen. Dann kann es auch dort losgehen.

 

Um welche Größenordnungen geht es dort?

Herker: Weingartenfeld umfasst rund 120 Bauparzellen im Geschosswohnungsbau, Pfaffelleiten wird etwa dreimal so groß werden. Letzteres wollen wir in drei Abschnitten entwickeln. Zuerst werden die Grundstücke aus dem Einheimischenmodell verwertet, anschließend können weitere Bereiche auf dem Markt platziert werden. Wir gehen davon aus, dass die frei verfügbaren Flächen sehr schnell weg sind. In Pfaffelleiten werden wir übrigens nicht nur klassische Einheimischenmodell-Grundstücke anbieten, sondern auch über unsere Wohnungsbaugesellschaft sozialen Wohnungsbau umsetzen.

 

Apropos Einheimischenmodell: Hier sieht sich die Stadt ja immer noch in der Vorreiterrolle.

Herker: Wir haben in den letzten Jahren laufend neue klassische Wohnbaugrundstücke auf Basis des Einheimischenmodells vergeben beziehungsweise ausgeschrieben - überwiegend im Ecoquartier. Das Einheimischenmodell versorgt die schwächere Hälfte der Stadtgesellschaft mit erschwinglichem Bauland - und diesen Weg werden wir fortführen. Bei Bestandsflächen - darunter fallen auch noch Heißmanning und Pfaffelleiten - gilt ja noch die Ein-Drittel-Regelung. Bei neuen Baugebieten laufen künftig sogar 50 Prozent des Areals über das Einheimischenmodell und damit werden noch einmal deutlich mehr vergünstigte Grundstücke zur Verfügung stehen.

 

Ist das Einheimischenmodell auch im Geschosswohnungsbau eine Option?

Herker: Vor Kurzem haben wir erstmals sieben Wohnungen im Geschosswohnungsbau angeboten. Auf dem freien Markt läge der Quadratmeterpreis bei 5000 Euro, für Einheimische schlagen hier 2990 Euro zu Buche. Wir hatten auf die sieben Wohnungen ganze fünf Bewerber, obwohl wir alle Interessenten auf der Warteliste angeschrieben und mit Immobilienanzeigen gearbeitet hatten. Eine echte Erklärung dafür habe ich nicht, vielleicht träumt der durchschnittliche Einheimischenmodellberechtigte doch eher vom Einfamilienhaus oder der Doppelhaushälfte. Hier müssen wir uns überlegen, wie wir diesen Weg weitergehen.

 

Roman Dienersberger sieht den Mietspiegel, der seit einem Jahr auch in Pfaffenhofen gilt, nur als Notlösung...

Herker: Der Mietspiegel ist allenfalls ein kleines Mosaiksteinchen im Gesamtinstrumentarium, das man zur Verfügung hat. Bei Bestandswohnungen mag er die Mietpreisentwicklung ein Stück weit dämpfen, ist aber in weiten Teilen oft ein zahnloser Tiger. Denn wenn man nicht weiß, was der Vormieter gezahlt hat und man kein Auskunftsrecht hat, kann man sich auch nicht darauf berufen, dass die geforderte Steigerung über die zulässige Höhe hinausgeht.

 

Laut einer Statistik des Landratsamts gab es Ende 2016 im Stadtgebiet 266 Sozialwohnungen. An der Kellerstraße wird bereits gebaut, die Oberbayerische Heimstätte plant 110 Wohnungen im Beamtenviertel. Wie geht mit dem öffentlich geförderten Wohnraum in Pfaffenhofen weiter?

Herker: Gerade sind die ersten Mieter in das neue Haus an der Ziegelstraße eingezogen. Dann planen wir in Heißmanning und in Pfaffelleiten mehrere Objekte und es gibt auch Überlegungen, auf Bestandsflächen Neubauten zu errichten. Insgesamt wollen wir in den nächsten fünf bis sechs Jahren zusammen mit der Oberbayerischen Heimstätte deutlich über 200 öffentlich steuerbare Wohnungen neu schaffen.

 

Nach Auffassung von Fachleuten sollte bei der Ausweisung von Neubaugebieten oder sonstigen größeren Wohnbauprojekten ein verpflichtender Mindestanteil von öffentlich geförderten Wohnungen vorgeschrieben werden. Ein sinnvoller Vorschlag?

Herker: Ich sehe heute noch nicht die Notwendigkeit, eine solche Quote zwangsweise einzuführen und es ist auch zweifelhaft, ob es dafür überhaupt eine Mehrheit im Stadtrat gibt. Hier ist unsere Regelung mit 50 Prozent der Flächen für Einheimische, die ja wiederum auch für den sozialen Wohnungsbau verwendet werden können, nicht der verkehrteste Weg.

 

In der Diskussion um günstigen Wohnraum war zuletzt immer wieder von Wohnungsbaugenossenschaften die Rede.

Herker: In der Neufassung des Einheimischenmodells haben wir ja bereits berücksichtigt, dass auch Genossenschaften in den Genuss von verbilligten Grundstücken kommen können - sofern die darin vertretenen Genossen auch den Grundvoraussetzungen des Modells entsprechen. Wir sind gerade dabei, entsprechende Möglichkeiten zu sondieren. Von unserer Seite ist die Bereitschaft da, Grundstücke günstig abzugeben, jetzt braucht es Köpfe, die gemeinsam Wohnbau betreiben und eine Genossenschaft verantwortlich führen wollen.

 

Der Anteil der Sozialwohnungen am gesamten Wohnungsmarkt lag in Pfaffenhofen Ende 2016 bei etwa 2,2 Prozent. Mittelfristig soll eine Quote von 4,5 Prozent erreicht werden.

Herker: Es gab einmal die Lehrmeinung, dass eine Kommune sechs Prozent ansteuern sollte. In unserer Marktsituation, mit dem extremen Druck von außen und der Verdrängungssituation, die wir hier erleben, wären 10 Prozent das Wünschenswerte. Die Stadt hat sich vorgenommen, in den nächsten Jahren 30 Millionen Euro in den Sozialwohnungsbau zu investieren - aber das wird nur der halbe Weg dahin sein. Wir reden hier von dreistelligen Millionenbeträgen, die man investieren müsste, um auf einen solchen Wert zu kommen. Wir wollen konsequent weiter in diese Richtung gehen, noch mehr an Geschwindigkeit zulegen und noch wirtschaftlicher bauen. Ich glaube aber nicht, dass wir die Situation in Pfaffenhofen in den nächsten fünf bis zehn Jahren grundlegend entspannen können - trotz aller Kraftanstrengungen.

Das Interview führte Rudi Gegger.