Geisenfeldwinden
290 Jahre voller Magie

Vom gerupften Huhn zur Naturschönheit: Windener Linde ist Schirmherrin zahlreicher Feste

28.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr
Die stattliche Linde in Geisenfeldwinden gilt als einer der schönsten Bäume im gesamten Landkreis Pfaffenhofen. −Foto: Zurek

Geisenfeldwinden (GZ) Einer der schönsten Bäume im Landkreis ist die Linde neben der St.-Vitus-Kirche in Geisenfeldwinden. Geschätzt 290 Jahre hat sie unter der Rinde – ihrer Schönheit ist das hohe Alter aber nicht abträglich. Was ein Wunder ist, gab es doch Zeiten, in denen sie einem gerupften Huhn glich.

Aber der Reihe – oder um in der Fachsprache der Baumkundler zu bleiben – den Jahresringen nach: Es war im Jahr 1939, als am 19. September im Amtsblatt des Landkreises Pfaffenhofen zu lesen war, dass die Windener Linde zum Naturdenkmal erhoben worden sei. Der Baum befand sich laut Akte im Besitz der Filialkirchenstiftung Geisenfeldwinden. Gemeinsam mit der 1410 als Chorturmanlage erbauten Kirche St. Vitus und Andreas, die übrigens einige einzigartige und damit sehenswerte Kleinodien sakraler Kunst beherbergt, ist sie zum weithin sichtbaren Wahrzeichen des Geisenfelder Ortsteils geworden.

Wie auf einer Infotafel nachzulesen ist, gilt die Linde traditionell als „Freund des Menschen“ und als „Glücksbringer“. Ein Aberglaube – wie das Schicksal von Theodor Sperl beweist, der 1946 ausgerechnet beim Sammeln von Lindenblüten aus dem Geäst des Baumes stürzte und sich dabei tödlich verletzte. Eine Gedenktafel erinnert neben dem Eingang der Kirche an den tragischen Unfall des damals 14-Jährigen.

Zwei Mal im Jahr wird die Linde untersucht, um ihren Zustand zu dokumentieren. Für das Jahr 2005 bescheinigte ihr Baumpfleger Alan Whittaker: „Im gesamten Landkreis ist kein anderer Baumriese in so einem guten Zustand“. Im wahrsten Sinne des Wortes „kerngesund“ sei sie.

So manchem Wind trotzte ihre Krone, die sich in 25 bis 30 Metern Höhe über dem sieben Meter Umfang messenden Stamm erhebt. Doch die Orkanböen, die am 21. Juli 2007 gegen 9 Uhr abends durch den Landkreis tobten, waren selbst für sie zu viel. Der mittlere Kronenbereich der Linde wurde komplett umgeknickt. Um eine weitere Gefährdung der Nachbaranwesen zu verhindern und den an sich vitalen Baum zu retten, kam schweres Gerät zum Einsatz. Ein Hubsteiger mit einem bis zu 45 Meter Höhe ausfahrbaren Arm bugsierte die Baumpfleger in schwindelnde Höhen. Das Ergebnis aus Sicht der Umstehenden: das besagte „gerupfte Huhn“. So mancher fürchtete, um die Schönheit der alten Dame sei es nun endgültig geschehen. Das hat sich, wie ihr Anblick beweist, nicht bewahrheitet. Robust, wie die Linde immer schon war, hat sie sich über die Jahre hinweg prächtig erholt.

Nach dem Sturm stellte sich die Frage, was man mit dem Bruchholz anfangen solle. Miek Michielsen vom Kunstkreis Spektrum, Hannes Hetzená ?ecker von der Stadtverwaltung und Kirchenpfleger Ludwig Rößler waren sich schnell einig in ihrem Fazit: zum Verheizen zu schade. So entstand die Idee, ein Bildhauer-Symposium auszurichten. Die teilnehmenden Künstler durften sich „ihr“ Holzstück im Bauhof aussuchen und konnten es dann an einem Wochenende im August auf dem Stadtplatz vor aller Augen zu neuem Leben erwecken. Zu Nathalie Ponsot, Peter Trapp, Werner Richter, Harry Hübner, Uli Becker und Wolfgang Gertis gesellte sich nicht nur Baumpfleger Alan Whittaker, der sich als Schnitzer ausprobieren wollte. Auch ein zufällig vorbeireisender Wanderbursche machte mit. Er schnitzte damals einen Bierstiefel, den er seiner Herbergsfamilie zum Dank überließ.

In Geisenfeldwinden pflegt man übrigens noch heute die althergebrachte Tradition der „Dorflinde“ als Zentrum der Kommunikation – sie dient quasi als „Schirmherrin“ der vielen Feste, die im direkt benachbarten Stadel stattfinden.

BAUMSERIE

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