Stadtpfarrer unter schlimmem Verdacht

26.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr
Die Prozession zu Fronleichnam in Pfaffenhofen wurde abgesagt. Der Fronleichnamsaltar am Marienbrunnen wurde nicht geschmückt. −Foto: Matthias Keiler

Pfaffenhofen (PK) Finsterer Fronleichnamstag für die katholische Stadtpfarrei Pfaffenhofen: Stadtpfarrer Peter W. ist vom Augsburger Bischof Konrad Zdarsa von seinem Amt entbunden worden. Hintergrund dieser Entscheidung: Gegen den Geistlichen wurde bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Und dabei soll es laut dem Augsburger Generalvikar Harald Heinrich um den Verdacht auf sexuellen Missbrauch von Kindern gehen.

Mit dieser Nachricht schockierte der Generalvikar beim Fronleichnamsgottesdienst die zahlreichen Kirchenbesucher. Die traditionelle Fronleichnamsprozession sagte der Domkapitular im Anschluss ab, denn: „Es ist nicht angebracht, so zu tun, als ob nichts gewesen wäre“.

Pfarrer W. selbst war am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Peter Grießer, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, bestätigte auf Anfrage nur, dass die Kripo Ingolstadt im Auftrag der Staatsanwaltschaft gegen einen katholischen Geistlichen ermittelt. Namen wollte Grießer aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht nennen. Es stehe der Verdacht auf eine Sexualstraftat im Raum, sagte er. Die Ermittlungen stünden aber erst am Anfang. Zunächst müssten Zeugen gehört werden, um bewerten zu können, ob, welche und gegebenenfalls wie viele Delikte vorliegen. Dabei müsse auch geklärt werden, ob es um Straftaten gegen Minderjährige gehe, so Grießer.

Generalvikar Harald Heinrich zeigte sich selbst „erschüttert“ von der Nachricht, die er den Pfaffenhofenern am Fronleichnamsfest überbringen musste. Er betonte aber, dass es dem Bistum sehr wichtig sei, hier offen zu kommunizieren und zu informieren – und das tat er zum Auftakt des Gottesdienstes auch: Bischof Zdarsa habe Peter W. mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Pfarrer von Pfaffenhofen entpflichtet und dem Geistlichen bis auf weiteres untersagt, seinen priesterlichen Dienst auszuüben, so der Generalvikar.

Das sei erfolgt, weil die Staatsanwaltschaft Ingolstadt gegen W. ein Ermittlungsverfahren wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet habe. Damit reagierte die Justizbehörde auf ein anonymes Schreiben, das Mitte März beim Bischöflichen Ordinariat einging und in dem laut Harald Heinrich ein solcher Übergriff des Stadtpfarrers geschildert wurde. Er habe die Beauftragte der Diözese für die Prüfung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt an Minderjährigen über dieses Schreiben informiert, sagte der Generalvikar. Denn gemäß den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger sei auch solchen Hinweisen nachzugehen – wenn sie denn Anhaltspunkte für Ermittlungen beinhalten. „Wir haben das anonyme Schreiben sehr ernst genommen und Pfarrer W. damit konfrontiert“, so Heinrich.

Anfang April sei die Staatsanwaltschaft Ingolstadt eingeschaltet worden, um die gegen den Stadtpfarrer erhobenen Vorwürfe klären zu lassen. Dies entspricht laut dem Generalvikar dem in der Diözese üblichen Vorgehen mit solchen Dingen.

Als am Dienstag bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, habe der Bischof den Pfarrer bis zur Klärung der Vorwürfe von seinem Amt entbunden. Der Generalvikar betonte ausdrücklich, dass auch für Pfarrer W. die Unschuldsvermutung gelte. Die Deutsche Bischofskonferenz habe aber in solchen Fällen aus gutem Grund eine „deutliche Vorgehensweise“ festgelegt: „Denn wir sind grundsätzlich der Überzeugung, dass während eines solchen Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft ein Priester nicht weiterhin sein Amt ausüben kann, als ob nichts geschehen sei.“

Mit der sofortigen Freistellung des Pfarrers werde aber nicht bereits dessen Schuld festgestellt, sagte der Generalvikar: „Dies ist nicht unsere Aufgabe, sondern die der Staatsanwaltschaft, die auf jede nur mögliche Weise durch das Bistum unterstützt wird.“ Generalvikar Heinrich erinnerte in seiner Ansprache in der Stadtpfarrkirche daran, dass die Diözese in den vergangenen Jahren alle erdenklichen Schritte unternommen habe, um Fälle körperlicher Gewalt und sexuellen Missbrauchs zu verhindern. Umso gravierender und erschütternder seien die jetzt bekannt gewordenen Vorwürfe.

Erschüttert, schockiert, ratlos und kopfschüttelnd verließen am Ende des Gottesdienstes zahlreiche Gläubige die Stadtpfarrkirche. Auf dem Hauptplatz, auch vor dem verwaisten Fronleichnamsaltar am Marienbrunnen, gab es nur ein Gesprächsthema: „Hat der Pfarrer wirklich sowas gemacht?“

Der jetzt suspendierte 49-jährige Peter W. hatte die Pfarrei Pfaffenhofen erst im Februar vergangenen Jahres übernommen. Von Anfang an gab es immer wieder Diskussionen um seinen Führungsstil, seinen Umgang mit Ehrenamtlichen, Mitarbeitern, Ministranten oder Mitgliedern der Kirchenverwaltung und des Pfarrgemeinderates. So richtig heimisch wurde W. in Pfaffenhofen nie. Dementsprechend bat er im März den Bischof um „Resignation“, Ende August hätte er die Pfarrei verlassen sollen.

W.s Nachfolger ist der Augsburger Geistliche Albert Miorin, der allerdings erst im November seinen Dienst antreten soll. Bis dahin wird Dekan Adolf Rossipal die Pfarrgemeinde leiten, ab Juli soll er aber laut Generalvikar Harald Heinrich Verstärkung durch einen weiteren Priester bekommen.