Schweitenkirchen
"Wir spüren den Druck"

Schweitenkirchen setzt auf moderates Wachstum hält Wohnblöcke aber trotzdem für verträglich

17.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr

In zwei großen Blöcken am Rande des Baugebiets Westleiten entstehen 17 Wohnungen. Derzeit wird auf dem Gelände gespundet.

Schweitenkirchen (PK) Direkt an der Autobahn gelegen, könnte Schweitenkirchen weitaus stärker wachsen als es tut. Gebremst wird ganz bewusst. Und das, obwohl erste Wohnblöcke entstehen - im Baugebiet "Westleiten" und bald auch direkt im Ortskern.

Beim Ausweisen von Bauland ist Schweitenkirchen eine oberbayerische Vorzeigegemeinde. Rund 5200 Einwohner, im Schnitt ein moderates Wachstum von einem Prozent pro Jahr seit Albert Vogler (CSU) Bürgermeister ist - und der ist das schon seit über zwei Jahrzehnten. Und die Baugebiete bestehen so gut wie ausschließlich aus Einfamilien- und Doppelhäusern. "Wie überall auf dem Land halt", fasst Vogler die Lage zusammen. "Aber das muss nicht heißen, dass es überall so bleibt."

Der Bürgermeister hat die Zeichen der Zeit erkannt. "Ich bin an den jungen Burschen nah dran", meint er. Und so hat er sie in letzter Zeit häufiger sagen hören, dass es in Schweitenkirchen keine Wohnungen gibt. Häuser können sich viele nicht mehr leisten. Oder sie wollen keins - wegen der vielen Arbeit. "Also gehen sie weg, nach Pfaffenhofen, weil es da Wohnungen gibt", sagt Vogler. Und das, obwohl viele lieber im Heimatort geblieben wären.

In seinen zwei Jahrzehnten als Gemeindeoberhaupt hat Vogler schon viele Baugebiete ausgewiesen. In Sünzhausen, Dürnzhausen, Geisenhausen, Aufham, Güntersdorf und Schweitenkirchen. Seine Vorgehensweise war dabei stets ähnlich. Die Gemeinde versucht, ein Areal möglichst komplett aufzukaufen, es dann zu erschließen und über das Einheimischenmodell komplett an die Ortsansässigen zu fairen Preisen zu verkaufen. "Meistens klappt das gut", sagt Vogler. Stolz war er auf die 34 Parzellen am Sonnenhang in Preinersdorf, wo das perfekt gelang. Derzeit ist die Gemeinde drauf und dran, weitere 13000 Quadratmeter in Preinersdorf, zwölf Parzellen am Mandelberg in Geisenhausen und 7000 Quadratmeter in Dürnzhausen auszuweisen. "Die drei Gebiete befriedigen den Bedarf in den Ortsteilen - hoffentlich zumindest", meint Vogler. Und in Schweitenkirchen selbst ist der Lückenschluss zwischen dem Hauptort und Raffenstetten mit dem drei Hektar großen Baugebiet Westleiten ebenfalls gelungen. Der große Unterschied hier zu den Ortsteil-Wohngebieten: "Wir setzen zum ersten Mal auch auf Geschosswohnungsbau. Weil wir den Druck spüren und darauf reagieren müssen."

Wer von der Autobahn her auf Schweitenkirchen zufährt, kommt kurz vor dem Ortsschild direkt an Westleiten vorbei, das etwas bergab auf der rechten Straßenseite liegt. Die üblichen Wohnhäuser werden auf ihren klein gehaltenen Grundstücken aber erst hinterhalb eines großen Gebäuderiegels entstehen, der gerade aus dem Boden gestampft wird. Zwei Sechsparteienhäuser und zwei große Blöcke mit insgesamt 17 Wohnungen entstehen dort. "Um den Straßenlärm vom Wohngebiet fernzuhalten. Und natürlich um den Wohnungsbedarf zu decken." Die Wohnungen sollen jungen Schweitenkirchenern den nötigen Platz bieten, um ohne sündteuren Hausbau mit ihrer Familie in der Heimat bleiben zu können. Der Verkauf läuft bereits. Und die ersten drei Monate haben alle Ortsansässigen die Möglichkeit, sich die Wohnungen zu sichern. "Erst dann folgt der freie Verkauf für jene Einheiten, die noch übrig bleiben." Die Einheimischen werden also vorrangig bedient. Das war Vogler und den Gemeinderäten wichtig. Angst, dass die vielen Familien auf engem Raum die Infrastruktur der Gemeinde überfordern, hat Vogler nicht. "Für den Hauptort ist das verträglich. Da haben wir genug Geschäfte, Kindergartenplätze und Angebote. In einem Ortsteil würde ich so ein Projekt nicht gutheißen."

Am moderaten Wachstum werde laut Vogler auch der eine oder andere Wohnblock nichts ändern. Und um nicht nur die jungen Bürger, sondern auch die Älteren zu bedienen, steht Schweitenkirchen in den kommenden fünf Jahren mit dem teilweisen Umbau der Ortsmitte, also des Wittmann-Areals, das nächste große Bauprojekt bevor. Auf dem 4000 Quadratmeter großen Gelände gegenüber dem Rathaus und gleich neben dem Ärzte- und Geschäftsblock soll über einer Tiefgarage nicht nur ein Dorfheim entstehen. "Wir denken da auch an seniorengerechtes Wohnen", sagt der Bürgermeister. Ein wirkliches Pflegeheim wird an dieser Stelle nicht entstehen. Es geht maximal um eine betreue Wohnanlage. Oder einfach nur um barrierefreie Wohnungen im Ortskern. Gleich nebenan können dann auch noch mehrere Blöcke mit günstigem Wohnraum für sozial Schwache entstehen. "Ich bin schon froh, dass wir jetzt auch ein Haus für Obdachlose kaufen konnten. Weil mir das auch immer wieder Kopfzerbrechen bereitet", fügt Vogler an. Mit dem Umbau im Ortskern würde sich auch hier die Lage entspannen. "Schritt um Schritt passen wir Schweitenkirchen damit den Bedürfnissen der Menschen an", sagt Vogler.

Lediglich den ganz großen Wurf, um den Verkehr als finalen Schritt auch noch zum Großteil aus der Ortsmitte herauszuhalten, sieht Vogler in absehbarer Zeit nicht. "Beruhigen können wir das Zentrum nur durch eine Umgehungsstraße", sagt er. Allerdings wissend, dass der Bedarf dafür wohl in keinem Verhältnis zu den Kosten stehen wird. "Da stehen sicher sehr viel Orte vor uns auf der Liste. Aber träumen wird man ja noch dürfen." Das haben die jungen Schweitenkirchener vor ein paar Jahren auch noch von Wohnungen. Ein Traum, der sich jetzt erfüllt. "Vielleicht sagen wir das ja irgendwann auch von einer Umgehung."