Schrobenhausen
Schöne neue IT-Welt

28.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Anita Bucher kann sich noch gut daran erinnern, wie der erste PC ins Werk kam. 1987, für die Partikelanalyse, eine wichtige Station der Qualitätskontrolle bei dem ehemaligen Luitpold-Werk, heute Daiichi Sankyo. Denn: Je kleiner die Partikel eines Wirkstoffs, desto größer die Oberfläche, und desto schneller wird der Wirkstoff vom Köper aufgenommen. Bei den Blutdrucksenkern, die das Werk hauptsächlich herstellt, darf die Wirkweise nicht zu schnell und nicht zu langsam sein.

Die chemisch-technische Assistentin Bucher ist eine von 55 Mitarbeitern bei der Qualitätskontrolle, die sicherstellen, dass jede der im Jahr rund zwei Milliarden Tabletten, die in rund 50 Länder versandt werden, auf exakt die Weise wirkt, wie es auf der Packungsbeilage steht. "Sollten Ausgangsstoffe oder hergestellte Tabletten nicht den Anforderungen entsprechen, werden sie gesperrt", erklärt Bernhard Feil, der die Qualitätskontrolle leitet und wegen des Arzneimittelrechts für Fehler persönlich haftbar ist.

Doch die heutige Arbeitsweise schließt Fehler so gut wie aus. Aus jeder Charge, das sind bis zu drei Millionen Tabletten, werden Tabletten nach dem Zufallsprinzip gezogen, die dann getestet werden - Zu Grunde liegen oft Berechnungsalgorithmen von IT-Systemen, mit deren Hilfe Tests durchgeführt werden. Da wird dann auch mal der Taschenrechner gezückt, um zu belegen, dass das Ergebnis gleich ist. Erst dann beginnt die eigentliche Arbeit im Labor, bei der jeder einzelne Stoff der Medikamente untersucht wird - zum Beispiel am Hochdruckflüssigkeits-Chromotographen, an dem der Wirkstoffsgehalt überprüft wird. Dafür löst Bucher die Tablette zunächst in einem Lösungsmittel auf und setzt eine Trennsäule in das Gerät. Hierdurch wird die Flüssigkeit mit hohem Druck gepresst und das aufgezeichnete Chromatogramm - als Kurve sichtbar - ausgewertet. Je größer die Fläche unter der Kurve, desto mehr Wirkstoff. Heute wertet Bucher das Ergebnis auf einem zentralen Server aus, an dem alle Geräte angeschlossen sind. "Früher arbeiteten alle Systeme für sich alleine", sagt Feil. Die Daten mussten einzeln von den Mitarbeitern vor Ort erhoben und aufgeschrieben werden.

Chemielaborantin Renate Sondermeier kann sich noch erinnern, wie das 1987 war. Da gab es den "Klausi" - so nannten die Mitarbeiter das Analysengerät, an dem ein Integrator angeschlossen war, der den Wirkstoffgehalt sichtbar machte und berechnete. Das ging natürlich auch viel langsamer. "Früher dauerte eine Analyse rund 30 Minuten, heute schaffen wir es in drei", sagt Sondermeier.

Die übrige Zeit verbringt sie im Büro, etwa mit der Dokumentation, das macht rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit aus. "Das System zwingt uns, jeden Schritt zu dokumentieren, so dass alles überprüfbar ist", erklärt Bucher. Das liegt auch daran, dass die Anforderungen, die Bucher und ihre Kollegen erfüllen müssen, massiv gestiegen sind. Vor rund 30 Jahren, so Feil, gab es noch keine Weisung zur Validierung, das heißt zum dokumentierten Beleg, dass ein System korrekt arbeitet. "Alles wurde auf Papier aufgeschrieben und die Vorgabe war, seine Aufgabe sachgerecht zu erfüllen. Mehr nicht." Heute ist der Double-Check längst Standard, also die Regel, dass zwei Mitarbeiter denselben Vorgang überprüfen müssen. Am Ende kontrolliert zudem noch einmal der Chef, bevor er seine Unterschrift setzt.

Ohne die deutlich effektivere Technik wäre die Menge der Analysen heute gar nicht zu schaffen. "Die IT-Geräte sind mittlerweile so exakt und effektiv, wie man es sich früher nicht vorstellen konnte", sagt Feil. Zum Beispiel der Gas-Chromotograph, mit dessen Hilfe die Mitarbeiter gasförmige Stoffe wie Duftstoffe überprüfen. In der Maschine können mehrere Proben auf exakt die gleiche Weise in Serie getestet werden. Zunächst werden die gelösten Stoffe injiziert, dann erhitzt und gasförmig bestimmt. "Das schafft ein Mensch per Hand niemals so genau", sagt Sondermeier.

Dennoch ist der Anspruch an die Mitarbeiter gestiegen, sagt Feil. Sie müssen den Überblick über alle Vorgänge im Labor behalten, deren Bedienung beherrschen und genau wissen, welcher Stoff wann getestet wird. Entsprechend lang dauert heute die Einarbeitung für Labormitarbeiter: Sie beträgt - nach bereits abgeschlossener Ausbildung - drei bis sechs Monate. "Das ist hier kein reines Gläserschwenken mehr", sagt Feil. "Die Mitarbeiter müssen wirklich in die Tiefen der IT einsteigen."