Schrobenhausen
Alle zusammen statt einer allein

21.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:31 Uhr

Peter Grein, Chefarzt der neuen Abteilung für Akutgeriatrie, misst den Hirnstrom einer Patientin in der Neurologie der Ilmtalklinik in Pfaffenhofen. Die Abteilungen arbeiten eng zusammen. - Foto: Ilmtalklinik

Schrobenhausen (SZ) In der neuen Akutgeriatrie an der Ilmtalklinik in Pfaffenhofen sollen Krankheiten interdisziplinär behandelt werden. So reagiert das Haus auf den demografischen Wandel.

Peter Grein hat eine Vision. Der Chefarzt der Neurologie und Schlaganfallmedizin, der zudem die im Frühjahr eröffnete Akutgeriatrie an der Ilmtalklinik leitet, will, dass die alten Menschen mit all ihren Erkrankungen im Landkreis allumfassend versorgt werden, und zwar vor Ort. Er sieht sich als Netzwerker zwischen den medizinischen Disziplinen. "Ich will weg von der Vorstellung, dass ein Arzt alles kann", sagt der Arzt, der seit Mitte 2015 an der Klinik arbeitet. "Stattdessen sollen alle Ärzte, deren Fachbereich die Erkrankung betrifft, in die medizinische Arbeit eingebunden werden."

Seine Vorstellung klingt ein wenig nach der beliebten US-Serie "Dr. House", bei der Ärzte wie Detektive komplizierte medizinische Fälle lösen. So ähnlich soll die Arbeit in der Geriatrie tatsächlich aussehen. Denn viele alte Menschen haben oft mehrfache Erkrankungen, was Diagnose und Behandlung erschweren. "Jeder Patient ist einzigartig mit seinen individuellen medizinischen, aber auch sozialen und seelischen Bedürfnissen", so Grein. Alterskrankheiten wie zum Beispiel Demenz, Parkinson, chronischer Schwindel, Epilepsien oder Schlaganfälle - die dritthäufigste Todesursache in Deutschland - haben neurologische Ursachen und Folgen. So sind viele Geriater auch Neurologen - wie Grein. Auch alterstypische Erkrankungen wie Lungenentzündungen, Herzschwäche oder Knochenbrüche werden von anderen Fachärzten innerhalb des interdisziplinären Teams der Akutgeriatrie behandelt. In der Akutgeriatrie selbst geht es vor allem darum, die Patienten möglichst selbstständig zu halten. Dafür gibt es unter anderem Krankengymnastik, Ergotherapie sowie die Logopädie. Aufenthalts- und Therapieraum sind im Unterschied zur üblichen Einrichtung direkt vor Ort, um den hochbetagten Menschen weite Wege zu ersparen. Hier werden Alltagssituationen gelebt und geübt. Für die Abteilung mit 20 Betten, in deren neue Räume die Mitarbeiter vor Kurzem umzogen sind, schaffte die Klinik eine Basisausstattung Ergotherapie sowie verschiedene Hilfsmittel an, zudem wurden ein Physiotherapeut eingestellt. "Die meisten Mitarbeiter der Akutgeriatrie arbeiten parallel auch noch in anderen Abteilungen", sagt Pressesprecherin Bianca Frömer. "Durch diese Synergien entstehen weniger Kosten."

Dass die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern und das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit die Akutgeriatrie überhaupt gebilligt haben, ist nicht selbstverständlich. Denn eigentlich soll die Ilmtalklinik in den kommenden Jahren kräftig sparen und ihr jährliches Defizit um 4,1 Millionen Euro bis 2019 auf unter eine Millionen Euro zu senken - das gab der Aufsichtsrat in einer Sondersitzung Anfang Juli vor. Es ist aber kein Zufall, dass gerade hier investiert wird. "Geriatrie, Schlaganfallunit und Neurologie werden aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft noch viel wichtiger werden", sagt Grein. Das liegt unter anderem daran, dass die Bevölkerung auch im Landkreis Pfaffenhofen immer älter wird. So nimmt der Anteil der über 65-Jährigen voraussichtlich bis zum Jahr 2032 um rund 60 Prozent zu. Gerade diese Patienten, sagt Grein, wollen keine langen Reisen für eine gute Behandlung auf sich nehmen. Geriatrische Patienten werden in das nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert - wenn dort keine spezialisierte geriatrische Abteilung vorhanden ist, bestehe eine hohe Gefahr, dass sich der Krankheitsverlauf erheblich verzögert oder verkompliziert, so Grein. Zudem eröffne die Zusammenarbeit auch Synergieeffekte.

Das bedeutet nicht nur, dass die Ärzte auf anderen Abteilungen arbeiten, wenn auf einer Station gerade wenig los ist. Auch für die Patienten gibt es Vorteile: Sie werden auf der Neurologie, der Schlaganfalleinheit und der Geriatrie vom selben Behandlerteam betreut. Bei der Behandlung setzt der Chefarzt aber nicht nur in der Geriatrie auf Teamwork. Werde ein neuer Patient etwa mit einem Schlaganfall bei starker Blutarmut eingeliefert, wird er parallel vom Neurologen und dem Gastroenterologen behandelt. Doch nicht nur in akuten Fällen wie diesem sollen die Abteilungen zusammenarbeiten. Grein will, dass alle Ärzte, in deren Fachbereich eine Erkrankung des Patienten liegt, gemeinsam das Für und Wider ihres Vorgehens erörtern und sich auch später immer wieder absprechen. Da diskutieren dann zum Beispiel Kardiologe, der Geriater und Chirurg, wenn bei einem alten Menschen mit Herzproblemen eine Operation ansteht. "Meine Idealvorstellung ist es, dass alle Oberärzte der Abteilungen unter spezialisierten altersmedizinischen Gesichtspunkten interdisziplinär zusammenarbeiten."