Scheyern
Schönheit der Schöpfung am Wegesrand

Mit Hermann Kaplans neuem Buch können auch Laien die heimische Pflanzenwelt für sich entdecken

25.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:46 Uhr

Mit dem Nachschlagewerk von Hermann Kaplan lassen sich die rund 420 Pflanzenarten entlang des beliebten Spazierwegs bestimmen - sei's der eingriffelige Weißdorn (unten links), der derzeit am Wegesrand blüht, oder die vom Aussterben bedrohte Wassernuss (unten rechts).

Scheyern (PK) Über 400 Pflanzenarten finden sich entlang des Scheyrer Benediktuswegs - ein guter Querschnitt der Hallertauer Flora. Damit jeder diesen Artenreichtum erkennen und genießen kann, hat der Biologe Hermann Kaplan nun einen anschaulichen botanischen Wegbegleiter veröffentlicht.

Überregional bekannt ist der Benediktusweg, weil er noch zu Kardinalszeiten der Lieblingsspazierweg seines Namenspatrons Papst Benedikt XVI. bei dessen Besuchen in Scheyern gewesen sein soll. Vor allem die von der Benediktinerabtei über Jahrhunderte geprägte Kulturlandschaft macht den Rundweg rund um das Klostergut so beliebt. Auch aus botanischer Sicht ist er einzigartig - und deshalb hat Hermann Kaplan dem Benediktusweg nun ein Buch gewidmet, das mit zahlreichen Illustrationen und detaillierten Beschreibungen jeden Naturfreund ansprechen soll. Der 73-jährige Fernhager ist vor allem auch als engagierter Naturschützer und ehemaliger Chemie- und Biologielehrer am Schyren-Gymnasium (1971 bis 2010) bekannt.

"Der Benediktusweg ist ein Schatzkästchen der dörflichen Ruderalflora", sagt Kaplan. Hinter diesem Fachbegriff steckt die Natur, die sich am Rande von Dörfern und Feldern noch frei und ungestört entfalten darf. Die "Herrlichkeit der Schöpfung" sei dort quasi am Wegesrand zu finden. "Durch seine Vielfalt von Lebensraumtypen liefert der Benediktusweg eine halbwegs repräsentative Auswahl der gängigsten Pflanzenarten des Hallertauer Hügellands", erklärt der Biologe. Damit habe das Buch auch einen Nutzen über Scheyern hinaus: "Hier wächst das ganze Programm der heimischen Standardflora." Mit einer Ausnahme allerdings: Die einzigartige, vom Aussterben bedrohte Wassernuss gibt es nur im Sauweiher am Prielhof. Und auch ihr hat Kaplan ein Kapitel gewidmet.

Sechs Jahre hat er nun an dem Werk gearbeitet - und bei seinen Streifzügen immer weitere Arten entdeckt. Ein Dutzend der Pflanzen, die es hier gibt, steht sogar auf der Roten Liste. Mithilfe des Buchs sollen sie für Jedermann erlebbar werden. "Man muss aber Zeit mitbringen, wenn man die Flora am Benediktusweg genießen will", sagt Kaplan. Denn wo der Weg mit seinen sechs Kilometern für sportliche Fußgänger in knapp über einer Stunde machbar ist, bräuchte der aufmerksame Botaniker viele Tage: 420 Arten gibt es - von Blumen und Gräsern über Sträuchern bis hin zu Wasserpflanzen in den Scheyrer Weihern. Von den winzigen Wetterbleame (eigentlich "Gamander-Ehrenpreis") im Graben bis hin zur majestätischen Pappelallee, die das bekannteste Markenzeichen des Benediktuswegs ist. "Und jede dieser Pyramidenpappeln ist wiederum ein Biotop für sich", berichtet Kaplan. Ihr Totholz biete zahllosen Arten einen Lebensraum.

Damit der Laie da den Überblick behält, arbeitet der Autor mit einem besonderen Kniff: Das Buch enthält eine Karte, auf dem 59 markante Stationen entlang des Wegs eingetragen sind. Mithilfe des Registers, das alle Pflanzen an der jeweiligen Station listet, können auch Nichtbotanikern die möglichen Arten schnell auf eine Handvoll eingrenzen.

Zur Bestimmung sind insgesamt 750 Fotos im Buch abgedruckt: "Ich will die Menschen mit Detailaufnahmen zum genauen hinschauen motivieren", sagt der Naturwissenschaftler. Er empfiehlt dafür auch die richtige Ausrüstung: "Eine Zehnfach-Lupe ist hilfreich." Zum Beispiel liegt der Unterschied zwischen Stiel- und Traubeneiche im Detail - beim für Erstere namensgebenden Fruchtstiel.

Herausgeber des Buchs ist der Scheyrer Heimatkreis, der sich im Gegensatz zu anderen Heimatvereinen nicht nur auf das kulturelle und architektonische Erbe beschränken will: "Die heimatliche Landschaft zu bewahren und vor allem auch für Einheimische und Gäste erlebbar zu machen, ist einer unserer Vereinszwecke", betont der Vorsitzende Walter Häring. Er lobt vor allem die Konzeption des Buchs: "Neu ist die Idee, die Pflanzen an bestimmten Standorten zu beschreiben und darzustellen, sodass auch der Ungeübte sie zuverlässig bestimmen kann." Das sei ein einmaliger Ansatz.

Kaplan ist übrigens nicht der erste, der Scheyerns Vegetation ein Nachschlagewerk widmet. Sein Vorbild ist ein Mönch, der Ende des 19. Jahrhunderts lebte und wirkte: Pater Bonifaz Popp. Der Scheyrer Benediktiner hatte seinerzeit die heimischen Pflanzen bis hin zum letzten Moos bestimmt und in seinem Lehrbuch "Flora von Scheyern" zusammengetragen - "und zwar mit unglaublicher Akribie und Kenntnis", schwärmt Kaplan. Das Buch des Benediktiners sei auch nach über 100 Jahren noch aktuell. So habe bereits dieser im Vorwort geschrieben: "Es ist entsetzlich anzuschauen, wie ein missverstandener Cultureifer mit Barbarenwut das letzte Sträuchlein vom Rande unserer Wiesen und Abhänge zu entfernen sucht, um einer alten Kuh noch mit einer Hand voll Gras aufzuhelfen, oder für eine Mähre einen Liter Hafer mehr zu gewinnen, dafür aber manche seltene Pflanzenspezies aus dem Gebiet zu verdrängen, manchen Vögeln die letzte Zufluchtsstätte zu rauben."

Gewidmet ist das Buch übrigens, neben Popp, auch dem Namensgeber des Spazierwegs, Papst Benedikt XVI. Und der, so Kaplan, habe es bei einer Predigt vor 14 Jahren auf den Punkt gebracht: "Die Schöpfung ist uns nicht zur Ausbeutung übergeben, sondern damit wir sie in Ehrfurcht hüten und als Gottes Garten entwickeln, in dem Menschen menschlich leben können."