Scheyern
Auf Zachäus’ Spuren

Klosterbasilika feiert 800-Jähriges – und die Mönche präsentieren kleine Schätze

08.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:42 Uhr

Foto: Patrick Ermert

Scheyern (PK) Heute vor 800 Jahren ist die Scheyerer Klosterkirche geweiht worden. Die Benediktinermönche feiern diesen besonderen Tag nicht nur um 18 Uhr mit einem festlichen Gottesdienst, sondern auch mit einer Ausstellung, die sich sehen lassen kann.

Abt Markus Eller hat für den Aufstieg extra sein schweres Gewand gegen einen leichten Pulli eingetauscht. Stufe um Stufe geht es nach oben, die Fahne unter den Arm geklemmt. Oben angekommen schiebt er den aufgerollten Stoff durch das Fenster – und hisst die Flagge. Weißes Kreuz auf rotem Grund, so weht der Zachäus, wie die Fahne im Volksmund genannt wird, im Wind. Als sichtbares Zeichen der Kirchweih. Wie diese Fahne mit ihrer Farbgebung entstanden ist, kann nicht einmal der Abt genau erklären. „Da muss ich passen“, gesteht er. „Das ist halt ein Volksbrauch zu Kirchweih, vergleichbar mit den Nudeln und den Gänsen. Da weiß auch keiner, wo das genau herkommt.“

Der Name Zachäus spielt auf das Kirchweihevangelium an. Der bekannte Ausspruch „Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden“ stammt daraus. Für den biblischen Zöllner wird die Begegnung mit Christus zur Sternstunde seines Lebens. Indem er herabsteigt und Jesus bei sich aufnimmt, verändert sich sein Leben: Er erfährt Heil. Die Gläubigen haben sich die Farbe der Fahne mit einem so wohl eher nicht real geschehenen Nebenaspekt der Geschichte erklärt. „Die rote Hose des Zachäus ist beim Herabsteigen aufgerissen – und durchgeblitzt ist seine weiße Unterhose“, erzählt sie Abt Markus und lacht. Weshalb er die rot-weiße Fahne schon heute – und nicht erst wie allgemein üblich am Kirchweihsonntag, 18. Oktober – gehisst hat, kann der Abt zudem sehr wohl erklären. „Bei den meisten Kirchen ist der genaue Tag der Konsekration nicht bekannt. Für die Klosterkirche ist er sogar urkundlich verbürgt.“

Am 9. Oktober 1215 wurde sie unter dem damaligen Abt Konrad geweiht. Heute jährt sich dieser Jubeltag zum 800. Mal. Als romanische Kirche mit einer flachen Holzdecke und wehrhaftem Charakter wurde sie errichtet, nachdem das Kloster im 12. Jahrhundert durch zwei große Brände weitgehend zerstört wurde. Konrads Vorgänger Abt Baldemar, der auch die berühmte, aus Jerusalem stammende Kreuzreliquie im Kloster in Empfang nehmen konnte, hatte den Bau veranlasst. In den folgenden acht Jahrhunderten änderte sich ihr Erscheinungsbild immer wieder grundlegend. Im 15. Jahrhundert wurde der Turm erhöht und die jetzige Königskapelle errichtet, ein Jahrhundert später die Kapitelkirche und der Kreuzgang vollendet. Mehrmals wurde die Kirche verlängert, ehe sie um 1770 komplett umgestaltet wurde, weil Abt Joachim dem Spätrokoko stark zugetan war.

„Wenn Steine erzählen könnten“, sagt Abt Markus und schlendert durch die Gänge des Klosters. Für ihn sind es vor allem die persönlichen Geschichten, die der Kirche ihren Charme geben. „Die weiteren Umbauten waren vor allem Modeerscheinungen“, berichtet er. Mal wurde das Gotteshaus re-romanisiert, dann wieder re-barockisiert. Letztlich herausgekommen ist in seinen Augen „eine Kirche, in der man daheim sein kann“. Sie sei weder kalt, noch abweisend, noch überfrachtet, sondern lade zum Verweilen ein. Sein Lieblingsort? „Der ändert sich ständig, je nach Stimmung und Laune“, sagt der Abt. In der Kreuzkapelle. Bei den Opferlichtern. Am Chorgestühl. Und natürlich vorne am Altar. „Es ist natürlich auch wunderschön, hier Gottesdienste zu feiern.“

Eine besonders festliche Messe erwartet die Gläubigen heute um 18 Uhr. Die neue Kirchenmusikerin Barbara Schmelz tritt erstmals vor großem Publikum in Erscheinung, wenn der Chor eine Messe von Valentin Rathgeber singt. Bis zur allgemeinen Kirchweih am 18. Oktober ist jeweils am Samstag und am Sonntag von 14 bis 16.30 Uhr (sowie für Gruppen auch nach Absprache) eine außergewöhnliche Ausstellung in der Kapitelkirche zu sehen (zwei Euro Eintritt). Dort haben die Mönche nämlich all die kleinen Schätze und Kostbarkeiten zusammengetragen, die für die klösterlichen Liturgien unverzichtbar sind: Kelche, Gewänder, Messgeschirr. Aber auch die große, zehn Kilo schwere, aus Silber getriebene und vergoldete Kreuzmonstranz mit Perlmutbesatz von Johann Herkomer aus dem Jahr 1738. Oder als ältestes Stück das byzantinische Kreuzreliquiar, das vor 1150 gefertigt wurde und in dem die berühmten Partikel des Schyrenkreuzes aus dem Heiligen Land nach Scheyern gebracht wurden.

In einer Vitrine ist der Abtstab von Markus Eller zu sehen. Gegenüber der herrschaftliche Stab aus dem Kloster Andechs, den König Ludwig I. nach der Wiedereröffnung des Klosters Mitte des 19. Jahrhunderts als Geschenk nach Scheyern brachte. Denn zur Erinnerung: Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster im Jahr 1803 geschlossen, sein Besitz verweltlicht – und letztlich sogar die damalige Pfarrkirche dem Erdboden gleich gemacht. „Aus ihren Steinen wurde die frühere Knabenschule errichtet. Und seither teilen sich Kloster und Pfarrei eine Kirche“, erzählt Abt Markus. Eine Verbindung, die „nicht spannungsfrei“ sei, wie der Abt erklärt, aber die Nähe der Mönche zu den Scheyerern fördere. Sie habe ihm viele schöne Momente beschert, wie Taufen und Hochzeiten. Aber auch traurige Stunden, wenn er Abschied nehmen musste. Die Unterschiede zwischen den beiden Welten seien oftmals unmerklich, manchmal aber auch nicht zu übersehen. An Weihnachten zum Beispiel. Wenn die Mönche ihre Christmette erst um 24 Uhr feiern. „Das ist zwar spät. Aber Weihnachten ist nun einmal erst am 25. Dezember“, sagt er. Vielen sei das zu anstrengend. „Aber manche kommen da ganz bewusst zu uns. So wie auch zu unseren täglichen Vespern“ – die übrigens stets für alle öffentlich zugänglich sind.