Rohrbach
Musik ist für ihn das Schönste

Kevin Gebele hat das Down-Syndrom - Der 18-Jährige liebt es zu singen und Instrumente zu spielen

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Bei den Feimbo Singers durfte Kevin Gebele singen. Dem 18-Jährigen mit Down-Syndrom hat das viel gegeben. - Foto: A. Ermert

Rohrbach (era) Chorleiterin Kristine Steinhart ist es sofort aufgefallen: "Hat dieser Kerle ein Rhythmusgefühl, das ist ja unwahrscheinlich", sagt sie. Gemeint ist Kevin Gebele, ein 18-jähriger Mann mit Down-Syndrom. Er war vergangenes Jahr mit seiner Mutter Nicole Kersten beim Rohrbacher Bürgerfest bei den Feimbo Singers, und nichts hielt ihn mehr auf seinem Platz: Kevin tanzte die ganze Zeit vor der Bühne.

Ab da hatte er nur noch einen Wunsch: "Ich will singen". Und weil es ihm wirklich ernst war, fragte seine Mama bei Steinhart nach und die war sofort einverstanden: "Freilich darf er kommen, bei uns darf jeder mitsingen.\" Kevin ging jede Woche zu den Proben: "Richtig aufgeblüht kommt er von den Proben nach Hause", erzählt seine Mama. Auch die Chorleiterin ist begeistert: "Ich hatte schon ein bisschen Bedenken, ob es mit den Männern gut geht, doch gerade bei denen ist der Kevin gut aufgehoben, sie helfen ihm, zeigen und erklären ihm alles, denn Kevin ist einfach ein Sonnenschein und bringt Schwung in die Gruppe, es passt".

Heuer hatte Kevin schon zwei große Auftritte: Zuerst in Fahlenbach beim "Bayerischen Abend" der Feimbo Singers und dann noch mal beim Alten Wirt in Rohrbach. "Alle waren da, die ganze Familie, die Oma und der Opa, einfach alle, das war schön", sagt der junge Sänger. Wie ein Profi stand Kevin an diesem Abend auf der Bühne und rockte den Saal mit "Brenna tuads guat" von Hubert von Goisern. Die Zuhörer standen alle und klatschen.

Kein Wunder, dass der Berufswunsch des 18-Jährigen "etwas mit Musik machen ist, am liebsten möchte ich Sänger werden". Seine Mutter ist da allerdings eher skeptisch. "Es wird wohl immer nur sein Hobby bleiben", sagt sie. Im Moment macht ihr Sohn in Hilpoltstein ein berufsvorbereitendes Jahr im Bereich Hauswirtschaft. Er wohnt dort in einer Gruppe mit insgesamt elf Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren. Dort ist immer jemand da, der die Jugendlichen begleitet.

Denn das Down-Sydrom ist eine Erbkrankheit, bei der die Betroffenen organische Schädigungen aufweisen und außerdem in ihren kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt sind. Trotzdem sind die Jugendlichen in der Wohngruppe selbstständig - jeder von ihnen muss kochen, putzen, Frühstück machen und einkaufen. Für Kevin gibt es allerdings einen negativen Aspekt: "Gar nicht schön ist, dass ich nicht mehr zu den Proben bei den Feimbo Singers gehen kann", sagt er.

Wie seine Zukunft aussieht, ist auch noch unklar. "Die Hauswirtschaft ist nicht seine größte Liebe", sagt seine Mutter: "Vielleicht würde eher eine Arbeit im Freien im Gartenbereich für Kevin passen, oder etwas im Verkauf oder im Altersheim". Ihr Sohn sei gerne mit Menschen zusammen, ein Praktikum im Altersheim habe ihm sehr gut gefallen. Allerdings: "Kevin baute sehr schnell enge Beziehungen zu den alten Leuten auf, die vielleicht bald sterben müssen und dieses Abschiednehmen würde ihm dann sehr schwer fallen." Trotzdem sind Mutter und Sohn zuversichtlich, dass sich nach diesem Vorbereitungsjahr in Hilpoltstein das Richtige für den 18-Jährigen finden wird.

Für die Mutter war das Leben nicht immer leicht. Seit ihr Sohn vier Jahre alt ist, kümmert sie sich alleine um ihren Sohn, der Vater komme in der Regel alle vierzehn Tage zu Besuch, so die Mutter. "Kevin kann damit gut umgehen, denn so wie es eben ist, so ist Kevin auch zufrieden".

Direkt nach der Geburt, als Nicole von dem Down-Syndrom erfuhr, "eine Laune der Natur, wie die Ärzte sagen", war sie schon schockiert, aber "als ich ihn im Arm hielt, wusste ich, dass ich ihn lieben würde". Die ersten Jahre waren schwierig, sie besuchten viele Therapien, die Frühförderung und Gymnastik, Logopädie und dann Ergotherapie: "Da braucht man viel Zeit, aber man wächst hinein und ich habe gelernt, dass ich nicht immer fördern muss. Ich machte mir einfach selbst zu viel Druck, denn ich wollte immer das Beste für Kevin machen." Sehr gut für ihn seien zwei Delfintherapien gewesen. Kevin ist heute eine richtige Wasserratte, er darf oft ins Schwimmbad gehen. Erst muss er zwei Bahnen schwimmen und dann geht's ab auf die Rutsche: "Dann ist er nicht mehr zu sehen die ganze Zeit."

Auch die richtige Schule zu finden war nicht einfach. Anfangs gab es Schwierigkeiten mit der Schule in Ingolstadt, es lief nicht gut, doch nach einem halben Jahr kam Kevin an die Regens-Wagner-Schule in Hohenwart. "Das war für mich eine ungeheure Erleichterung, denn dort konnte ich Kevin mit ruhigem Gewissen lassen."

Die Mama heiratete wieder und Kevin bekam noch ein Schwesterchen, Alina ist heute sechs Jahre alt. "Die beiden lieben sich über alles, aber nach zehn Minuten wird schon heftig gestritten und ich muss schlichten", meint die Mama und ihr Sohn sagt: "Die Alina ist eine Nervensäge und ein Steinbock und genauso stur."

Anfang Oktober feierte er seinen 18. Geburtstag: "Da haben wir es gescheit krachen lassen", berichtet Kevin. Ein Geschenk war ein Alleinunterhalter, das war das Höchste für Kevin, er sang den ganzen Abend mit dem Musikanten und Kevin war überglücklich: "Die Leute haben geklatscht, das war richtig super", freut sich Kevin.

Oft hört man aus seinem Zimmer laute Musik und dort sieht es auch aus wie in einem Musikstudio: ein Schlagzeug, ein Keybord und eine Gitarre stehen da und er übt fleißig.

Das gibt ihm viel, aber er gibt auch viel zurück: "Man bekommt von so einem Kind wie Kevin unwahrscheinlich viel Liebe zurück, er ist zufrieden und kann sich auch über Kleinigkeiten unwahrscheinlich freuen, das ist das Schönste an ihm", sagt seine Mutter.