Rohrbach
Damit die Seele schwingt

PK TRIFFT Claus Wittmann aus Rohrbach, der vom Restaurateur auf Brassmusiker umgesattelt hat

09.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:26 Uhr

Vom Schreiner zum Musiker: Claus Wittmann aus Rohrbach hat sein Hobby zum Beruf gemacht – und geht seinen Seelenfreuden nach, wenn er in die Tuba bläst - Foto: A. Ermert

Rohrbach (PK) Vom Schreiner zum Musiker: Die Passion zum Beruf machen – diesen Wunsch haben viele. Aber den endgültigen Schritt wagen die meisten nicht. Claus-Peter Wittmann aus Rohrbach ging das Wagnis ein und sagt: „Ich habe heute das Glück, meinen Seelenfreuden nachgehen zu können.“

Den Wunsch, Musik zu studieren, hegte Wittmann schon nach seinem Abschluss an der FOS. „Aber die Eltern meinten, ich sei nur zu bequem zu arbeiten“, sagt der 49-Jährige im Rückblick. Zuerst habe er einen vernünftigen Beruf erlernen sollen. Nach seiner Schreinerlehre in Rohrbach und der Gesellenzeit machte er seinen Meister in Cham an der Holzakademie. 1989 lernte er seine Frau kennen. „Und dann haben wir zusammen Gas gegeben“, erzählt er. Die beiden fanden ihre Nische am Markt: mit der Restaurierung von Antiquitäten und deren Handel. Und er hatte Glück: Wittmann konnte das Schaffner-Anwesen in der Dorfmitte von Rohrbach erwerben.

Durch den Kauf übernahm er auch eine Verpflichtung. Er musste sich entscheiden: entweder die Firma führen oder seinem Hobby, der Musik, frönen. Die Entscheidung fiel gegen die Musik. Sein Erfolg als Restaurator und Antiquitätenhändler basierte auf viel Fleiß und Präsenz auf Messen. Seine Frau war für das Kaufmännische verantwortlich. „Der Erfolg treibt einen an. Wir hatten eine Nische gefunden, uns ging es finanziell gut.“ Als dann der Internethandel aufkam, stand Wittmann erneut am Scheideweg. „Der Handel über Ebay hat mir keinen Spaß gemacht. Wir waren gerne auf Messen, mochten den persönlichen Kontakt“, erinnert er sich.

Doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Rücklagen reichen. Von ihnen können die Wittmanns heute zehren. „Und ich habe seither das Glück, meinen Seelenfreuden nachgehen zu können.“ Zur Musik kam Wittmann im Alter von zehn Jahren. Erst spielte er in der Geisenfelder Blaskapelle, später in Rohrbach Trompete. Mittlerweile spielt Wittmann die ungleich größere Tuba – und dirigiert zwei Blasorchester. Die „Schuld“ daran trägt sein Vater. „Er fand auf einem Flohmarkt eine Tuba – und kaufte sie für den Antiquitätenhandel.“

Der Sohn verliebte sich sofort in das Instrument. Und verzog sich für Tage in den Keller. Claus Wittmann spielte und übte unermüdlich – bis die Tuba nach einer Woche in ihre Einzelteile auseinanderfiel.

Claus Wittmann meldete sich an der Musikhochschule Augsburg an und fand in Lothar Uth den passenden Lehrmeister. Zwei Jahre nahm er viel auf sich, um weiterzukommen. Auch sein persönliches Schlüsselerlebnis fiel in diese Zeit: „Ich hörte meine erste Brassband bei der Europameisterschaft in der Münchner Philharmonie. Da wurde der Wunsch in mir geboren, in einer solchen Band zu spielen.“

Mit seinen Freunden Franz Matysiak, Roland Schmid und Robert Sibich gründete er einen Brassband-Verein, baute ihn auf und machte daraus, was er heute ist: die 3BA-Concert-Band. Mittlerweile ist sie fünffacher Deutscher Meister. „Wir haben uns hochgearbeitet. Jetzt sind wir die erste deutsche Band in der Champions League des Brass.“

Vor zehn Jahren war das noch undenkbar. Damals gab es in Deutschland ganze zehn Bands. Heute sind es 60. Triebfeder des Erfolgs war die Bayerische Brass Band Akademie, ein Förderverein, über den Wittmann und seine Mitstreiter diverse Seminare und Workshops anboten. „Innerhalb von zehn Jahren ist eine Landschaft mit großem Unterbau entstanden, der die Szene vorantreibt.“ Anfang Mai spielt die Brassband nun in Freiburg bei der Europameisterschaft. Die 3BA-Concert-Band darf sich dort mit den Spitzengruppen aus England und Skandinavien messen, die über eine 150-jährige Brass-Tradition verfügen.

Vor vier Jahren wurde Claus Wittmann in St. Wolfgang das Angebot unterbreitet, die musikalische Leitung der Blaskapelle zu übernehmen. „Ich konnte mich ausprobieren und habe eine neue Jugendausbildung gestartet, die mir viel Freude bereitet.“ Nach dem Tod von Thomas Gschrey vor zwei Jahren wurde Wittmann auch in Rohrbach gebeten, die Leitung der Blaskapelle zu übernehmen. Zur Überbrückung einer schweren Zeit. Er ist dabei geblieben. Und hat auch hier die Nachwuchsarbeit angekurbelt. „Wir haben jetzt 25 Kinder in der Ausbildung. Sie sind die Hoffnungsträger unserer Kapelle.“ Die beste Eigenschaft eines Musikers sei nicht das Talent, sondern der Fleiß. Schnuppern, Gehversuche, den Willen stärken. „Damit die Seele schwingt.“ Das will er den Kindern vermitteln. Und der Schlüssel zum Ziel sei alleine der feste Wille.

Die Arbeit mit den Kindern bereitet ihm Freude. „Kinder müssen einfach nachahmen. Nicht alles müssen sie verstehen. Es ist ein anderes Lernen. Und das macht wahnsinnigen Spaß.“

Der Unterricht wird übrigens als Wahlfach an der Rohrbacher Grundschule angeboten. Er ist nicht teuer, aber auch nicht gratis. Weil er sonst nicht geschätzt werde, fügt er an. Für Wittmann ist es wichtig, dass der Unterricht ein Teil der Schule wird. Am Freitag, 15. Mai, will er am Tag der offenen Tür erneut dafür werben. Und auch beim Blaskapellenkonzert am Samstag, 18. April, in der Turmberghalle wirken die Kinder der Nachwuchs-Bläserklasse mit.

Der 49-Jährige hat sein früheres Hobby mittlerweile zum Beruf gemacht. Seine Schreinerei gibt es nicht mehr. Die Räume hat der Rohrbacher mittlerweile in ein Musikstudio verwandelt. Eine Rückkehr ist für ihn undenkbar. Auf die Frage, ob ihm sein früheres Handwerk nicht doch ein wenig abgeht, sagt er ganz klar: „Nein, ich stehe nur noch ganz selten in meinem Hobbyraum.“