Rohrbach
"Nour ist eine Bereicherung"

Ein Rohrbacher Unternehmen hat einen syrischen Flüchtling fest angestellt

11.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:09 Uhr

"Grafik-Design ist international": Nour Homsi mit Art-Director Walter Handschuh und Redakteurin Vanessa Schneider. - Foto: Herchenbach

Rohrbach (PK) Franz Böhm, Chef der Rohrbacher Werbeagentur Adverma, musste lange nach einem Grafik-Designer suchen. Jetzt er Nour Homsi, 31, einen Arbeitsplatz angeboten. Und nur positive Erfahrungen gemacht.

Nour strahlt: "Es gibt keine Probleme, es gibt nur Herausforderungen." Er sitzt im Büro der Rohrbacher Werbeagentur vor seinem PC und entwickelt ein Logo, ein Signet für einen Hotelbetrieb. "Deutschland ist ein Land für Arbeit. Ich will arbeiten!" Und lacht. Wo Nour ist, geht die Sonne auf. Seinem Vornamen macht er alle Ehre. Nour bedeutet: Licht.

Nour Homsi, 31, kam als syrischer Flüchtling vor eineinhalb Jahren nach Deutschland. Er suchte einen Platz, wo er leben und arbeiten kann und eine Zukunft hat. Und dann kreuzte sich sein Weg mit dem von Agentur-Chef Franz Böhm. Auch der suchte. Nämlich einen Grafik-Designer. Nicht so einfach im Landkreis, "anders als in Hamburg, Frankfurt oder München", sagt Böhm. In ganz Bayern habe er gesucht. Bei der Arbeitsagentur in Abensberg schließlich machte man ihn auf Nour aufmerksam. Der hatte dieses Fach studiert, in Damaskus und Abu Dhabi, und auch schon für Zeitschriften gearbeitet. "Grafik-Design ist eine universelle Sprache", so Böhm. Auch die Computer-Programme, Photoshop, Word oder Indesign, sind rund um den Globus identisch. Das war nicht das Problem. Aber passt ein Mitarbeiter aus einem so ganz anderen Kulturkreis in eine 20-köpfige Belegschaft, die von kreativen Ideen, Diskussionen und dem Austausch untereinander lebt?

Im Januar bot Böhm Nour eine vierwöchige Probezeit an. Dann stand für ihn fest: Nour passt. Er sei kreativ, fleißig, kann gestalten, "das macht er sehr gut". Aber eine Festanstellung? "Es gab keine Erfahrungswerte." Das größte Problem: Wie lange darf Nour bleiben, wird er bald wieder abgeschoben? Auch kein Hindernis. Er hat für drei Jahre ein Bleiberecht. Dennoch: "Die Entscheidung, ihn fest einzustellen, habe ich dem Team überlassen. Das muss schließlich mit ihm zusammenarbeiten."

Für das Team ist Nour absolut willkommen. Walter Handschuh, Art-Director und Grafik-Chef: "Nour ist eine Bereicherung, so wie jeder Mensch eine Bereicherung ist. Er hat oft einen anderen Blickwinkel." Ob die künstlerisch-grafischen Vorstellungen im arabischen Raum nicht andere seien als hier? "Nein, Kunst hat keine Sprache, die Kreativität ist die Grundvoraussetzung für diesen Beruf." Handschuh war "überrascht, wie gut Nour deutsch spricht". Aber der hat sich auch richtig reingehängt und alle Integrations-Kurse und Seminare, die ihm angeboten wurden (siehe Kasten), mit viel Lust und Fleiß absolviert. "Klar", sagt Franz Böhm, "der Aufwand ist höher, es gibt sprachliche Verständigungsschwierigkeiten, aber wir haben ja auch unsere Dialekte."

Nour geht mit wachen, offenen Augen durch die Welt. "Ich will mich integrieren." Wenn er etwas nicht versteht, fragt er nach. So vieles ist anders. Die Schrift zum Beispiel. "Wir schreiben von rechts nach links, bei euch ist es umgekehrt." Das will er lernen. Deshalb hat er auch die Tastatur seines PCs nicht auf Englisch oder Arabisch umgelegt. Und dann gibt es noch die vielen Kleinigkeiten, die ihm ungewohnt waren. "Ich wusste nicht", lacht er, "dass man am ersten Arbeitstag einen Kuchen mitbringt." Zum Beispiel. Aber er hat's wettgemacht. "In der Mittagspause bereitet er für uns Falafel und Humus zu", schwärmt Online-Redakteurin Vanessa Schneider. Die Adverma-Kollegen haben sich mit einem Weißwurst-Frühstück revanchiert. "Sehr gut", sagt Nour. "Man muss sie vor 12 Uhr essen." Was ihm vor allem gefällt: "Ich werde hier nicht als Flüchtling angesehen, sondern als Kollege." Und: "In Syrien wirst du gefragt: Welche Religion hast du? In Deutschland fragen sie dich: Was für eine Arbeit hast du"

Ehrenamtlich engagiert er sich als Dolmetscher in der Flüchtlingshilfe, begleitet seine Landsleute zu Behörden, zum Arzt ("Frauen aus arabischen Ländern sind es nicht gewohnt, sich von einem Mann untersuchen zu lassen") oder erklärt den Unterschied zwischen der braunen und grünen Abfalltonne.

Heimweh? Nour: "Was bedeutet das Wort" Walter Handschuh: "Das gibt's im Arabischen nicht." Ok. Vermisst er seine Familie? Er kann sie besuchen. Theoretisch. In Berlin. Oder in der Türkei, was schwieriger ist. Aber Sehnsucht nach Syrien? "Nein! Assad ist ein Monster. Der Krieg wird noch lange dauern. Und dann wird das Land geteilt werden."

Er hat jetzt den Führerschein gemacht. Um 30 Fragen auf dem Fragebogen zu beantworten, hat er 1300 gebüffelt. Die waren arabisch. Aber der Fragebogen deutsch. Vor Kurzem ist er nach Venedig gefahren. "Suuuper!" Acht Stunden hat er gebraucht. Nicht, weil so viel Verkehr war, sondern weil er immer wieder angehalten ist, um zu schauen und zu staunen. "Ich hab' jetzt alles", freut sich Nour und lacht wieder. "Arbeit, eine Wohnung, ein Auto. Jetzt fehlt mir nur noch eine Frau."