Reichertshofen
"Fluch und Segen der guten Lage"

In Reichertshofen haben sich die Grundstückspreise in wenigen Jahren verdoppelt Dennoch große Nachfrage nach Bauplätzen

07.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:59 Uhr

Blick auf das aktuelle Baugebiet am Schafberg: Reichertshofen wächst vor allem in Richtung Süden. Die Nachfrage nach Baugrund ist anhaltend groß. - Foto: Schalles

Reichertshofen (DK) Wo Privatanbieter 500 oder mehr Euro für den Quadratmeter Baugrund verlangen (und auch bekommen), können Bauen und Wohnen zum teuren Vergnügen werden. Preiswerte Grundstücke sind Mangelware, auch in Reichertshofen. Die Gemeinde besitzt zudem zu wenige eigene.

"Innerhalb kürzester Zeit hat die Gemeinde bei der letzten Ausschreibung zwölf Bauplätze verkauft", weiß Bürgermeister Michael Franken (JWU). "Danach haben wir uns im Gemeinderat zusammengesetzt und geschaut, wo es denn noch Flächen gibt, die man bebauen kann." Weitere Bauflächen - vor allem für Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser - sollen ausgewiesen werden. In bestehenden Wohngebieten "punktuell auch für Häuser mit bis zu sechs Wohneinheiten". Dank der Vereinfachung der Neuausweisung von Bau-gebieten bieten sich Chan-cen, neue Flächen zu definieren. Franken: "Bis zu 10 000 Quadratmeter sind vereinfacht einzubeziehen." So können der Hauptort und die Ortsteile abgerundet werden. Die Gemeinde will auf jeden Fall dem Nachfragedruck nach Wohnraum gerecht werden. Franken erzählt, dass vor Kurzem für einen von der Gemeinde ausgeschriebenen Bauplatz 19 Gebote eingegangen seien.

Der Quadratmeterpreis liegt laut Franken in bevorzugter Wohnlage momentan bei über 500 Euro. "Darüber sind wir nicht glücklich", sagt der Rathauschef. "Die Preise haben sich innerhalb weniger Jahre verdoppelt." Ein Grund für diese Entwicklung: die Infrastruktur. Zweites Plus: Wie schaut es mit der Familien-, Einzelhandels- oder Ärzteinfrastruktur aus? "Die passt", weiß Franken. "Und wenn man sich die Preise im Ingolstädter Süden anschaut, der gerade mal fünf Minuten entfernt ist, dann weiß man, warum die Preise auch in Reichertshofen angezogen haben." Franken sagt: "Man muss bedenken, was in Zuchering aufgerufen wird, und die Infrastruktur vergleichen, die bei uns mindestens gleich gut ist." Franken nennt es "Fluch und Segen der guten Lage".

Der Bürgermeister sieht das hohe Preisniveau, glaubt aber nicht, dass er weiter so steigt wie in den vergangenen Jahren. "Wir haben Anfang der 90er-Jahre einen Immobilienboom erlebt, als der Münchner Flughafen entstand. Fast 20 Jahre haben sich die Grundstückspreise nicht nennenswert verändert." Erst in den vergangenen drei, vier Jahren haben sie sich nahezu verdoppelt.

Im Einheimischenmodell liegen die Quadratmeterpreise deutlich unter denen auf dem freien Markt. "Inzwischen gibt es Rechtssicherheit. Es existieren klare Vorgaben aus Brüssel, wie es aussehen muss", so Franken. "Der Preis sollte im Hauptort bei guter Wohnlage allenfalls die Hälfte betragen. Das stelle ich mir als fairen Preis vor, wobei es der Gemeinderat noch beschließen muss." 40 Prozent eines Baugebiets sollen dann für das Einheimischenmodell zur Verfügung stehen. So schnell verkauft wie zuletzt sieht Franken die Plätze dann aber nicht, weil es nach den Vorgaben aus Brüssel weniger Bezugsberechtigte geben wird.

Der Wunsch, in Reichertshofen heimisch zu werden, wird wohl nicht nachlassen. "Klar. Ich denke, wenn man Projekte wie zum Beispiel den Audi-Bahnhalt sieht, eröffnet es neue Chancen für eine Ortschaft." Franken will aber nicht, dass Reichertshofen nur Schlafstatt wird. "Wir müssen auch Arbeitsplätze vor Ort schaffen, Firmen am Ort halten oder neue Gewerbebetriebe gewinnen, die hochwertige Arbeitsplätze anbieten. Und die man von zu Hause auch mit dem Fahrrad erreichen kann." Zudem sieht Franken die Gemeinde in der Pflicht, den Einwohnern eine attraktive Ortsmitte zu bieten. "Es gehört dazu, dass wir die Aufenthaltsqualität steigern. Damit die Einheimischen nicht nach Ingolstadt fahren müssen, sondern sich in der Freizeit auch in Reichertshofen wohlfühlen."

Von 2012 bis heute stieg die Einwohnerzahl um 700. "Wenn dieses Wachstum so bliebe, könnten wir vielleicht nicht mit der Infrastruktur nachziehen", sagt Franken. Die Gemeinde rechnet zurzeit aber mit "nur" 0,5 Prozent Wachstum pro Jahr, Franken nennt es "politisch gewünscht". Das wären 40 bis 50 Personen. Für Franken "eine gesunde Entwicklung".