Reichertshausen
Wegen des Glaubens bedroht

Ein Konvertit berichtet über seinen Weg vom Islam zum Christentum in Deutschland

01.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:15 Uhr

Reichertshausen (PK) Über "Meinen Weg vom Islam zum Christentum" und die damit verbundenen persönlichen Anfeindungen und Angriffe seiner früheren Glaubensbrüder erzählte der Konvertit Bülent A. am Wochenende in Reichertshausen.

Der Abend beginnt konspirativ. Zunächst steht da, neben der Ankündigung, an welchem Tag die Veranstaltung stattfindet, nur eine Telefonnummer. Auf die hinterlassene Nachricht auf dem Anrufbeantworter melden sich die Veranstalter, und bitten um eine E-Mail-Adresse. Erst dann gibt es, schriftlich, die genaue Adresse und die Uhrzeit. "Wir müssen das so handhaben", sagt Organisatorin Gabi Tettke, "aber bei früheren Auftritten, auf denen Bülent über seine Konversion erzählt hat, kamen Muslime zu der Veranstaltung, haben laut gestört, ihn beschimpft und bedroht."

Via ein soziales Netzwerk wurde ihm sogar wiederholt seine Ermordung angekündigt. Grund: Auf die offizielle Webseite seiner von ihm betriebenen Jugend- und Sozialhilfeeinrichtung hat Bülent A., ein gebürtiger Türke, der im Alter von drei Jahren nach Deutschland kam, neben die türkische Fahne ein christliches Kreuz gestellt, um so seine doppelte Zugehörigkeit zu betonen - was vielen seiner muslimischen Landsleuten überhaupt nicht passt. "Ein richtiger Türke ist kein Christ", postete ihm jemand. Aus diesem Grund möchte sich der 40-Jährige nicht fotografieren lassen und auch seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen. "Ich muss mich und meine Familie schützen."

Wohlgemerkt: Das alles passiert nicht im Machtbereich von El Kaida, der IS-Terrormiliz oder der Taliban, sondern mitten in Deutschland - einem Land, in dem nicht zuletzt die Muslime darauf bestehen, in der Öffentlichkeit uneingeschränkt ihren Glauben leben zu können. Die Verfolgung der Christen durch radikale Muslime hat nach Darstellung des überkonfessionellen christlichen Hilfswerks Open Doors "dramatisch zugenommen". Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben von Open Doors und der Katholischen Nachrichtenagentur KNA weltweit 7100 Christen wegen ihres Glaubens ermordet und 2400 Kirchen angegriffen - nahezu eine Verdopplung der Fälle gegenüber dem Vorjahr. Den Juden, zumindest außerhalb Israels, geht es nicht besser. Betroffen seien 35 von 50 Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, so Open Doors.

Eine intolerante Geisteshaltung erlebte der junge Bülent schon in seinem strenggläubigen Münchner Elternhaus. "Du benimmst Dich schlimmer als ein Jude" sei er bei Streichen und Vergehen von seinem Vater geschimpft worden. Dass er zum Christentum wechselte, hätten ihm die Eltern als "Entehrung" vorgeworfen, jahrelang herrschten erst Vorwürfe, dann Funkstille. Inzwischen hätte die unmittelbare Familie zwar ihren Frieden mit seiner Konversion gemacht, aber die weitläufigere Verwandtschaft zettele bei Besuchen noch immer empörte Debatten darüber an, wie er als Türke so etwas habe tun können, erzählt der verheiratete Vater von zwei Buben. Eigentlich sollte die Konversion in einer freiheitlichen Demokratie eine Selbstverständlichkeit sein. Anfeindungen, gar Bedrohungen sind eindeutig eine Straftat.

Bei den in Deutschland aktiven Verbänden - Ditib, Zentralrat der Muslime, Islamrat - spricht man in Bezug auf Konvertiten ganz offiziell von einem "Abfall vom Glauben".

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung erzählte Bülent A. von seinem persönlichen Weg zum Christentum - der bei ihm weniger gesellschaftspolitisch, sondern vor allem theologisch begründet war. Das Christentum sei eher eine "Beziehungsreligion", der Gläubige könne ein persönliches Verhältnis zu Jesus Christus aufbauen. Das sei im Islam so nicht möglich, Allah bleibe als spirituelle Kraft stets abstrakt.

Der junge Bülent war nach dem Auszug daheim auf die schiefe Bahn geraten: Drogenhandel, Messerstechereien, Raubüberfälle - eine dicke Akte als jugendlicher Straftäter. Der Wandel kam erst 1999, als er seine spätere Frau kennenlernte. Sie hat ihn zwar nicht direkt zur Konversion bewegt - aber ihn durch ihr sehr frommes Vorbild animiert. Der entscheidende Moment kam dann durch eine Art Erweckungserlebnis. Für Außenstehende, noch dazu in Deutschland, ist ein solcher sehr emotional und gefühlsintensiv erlebter Weg zum Glauben eher ungewöhnlich, deutlich verbreiteter dagegen in den USA.

Aus den Vereinigten Staaten kommt auch die Idee zum Konzept der Veranstaltung. Dort heißt es "Full Gospel Business Men's Fellowship International", in Deutschland wurde daraus "Christen im Beruf". Inzwischen gibt es eine Niederlassung, Chapter genannt, auch im Landkreis Pfaffenhofen. Auf überkonfessioneller Basis werden regelmäßig (geplant ist nach Angaben von Gabi Tettke sechs Mal im Jahr) Gläubige eingeladen, über ihren Lebensweg zu erzählen.