Reichertshausen
Der Künstler und seine dritte Komponente

PK TRIFFT den Illusionsmaler und Musiker Pit Zaepernick aus Reichertshausen

11.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:33 Uhr
Die Illusionsmalerei ist Pit Zaepernicks große Leidenschaft. −Foto: Steininger

Reichertshausen (PK) Vielseitigkeit ist Trumpf – das trifft auf den Reichertshausener Pit Zaepernick unbedingt zu. Wenn man allerdings mehrere Talente hat, ist es nicht immer leicht, sich für eines zu entscheiden.

Eigentlich stammt Pit Zaepernick (57) von der Schwäbischen Alb, aus Gerstetten. Nach seinem Abschluss am Wirtschaftsgymnasium wollte er ursprünglich Grafikdesign studieren, da er aber zu den geburtenstarken Jahrgängen gehörte, bekam er an den überfüllten Universitäten keinen Studienplatz. Also wandte er sich seinem zweiten kreativen Standbein zu, der Musik. Schon ab dem zwölften Lebensjahr spielte Zaepernick in Bands, und das tat er 20 Jahre lang auf professioneller Basis. Seine ersten Platten machte er mit Bluesbands, gefolgt von den damals noch schwarzen Vinylscheiben mit der „neuen deutschen Welle“. Eine ganze LP entstand zusammen mit dem damaligen jugoslawischen Superstar Sladana Miloševic, einer serbischen Sängerin und Songschreiberin.

Neben vielen Tourneen waren seine musikalische Heimat die vielen Münchener Clubs der Musikszene wie „Jukebox“, „Vielharmonie“ und andere mehr, bis wegen der zunehmenden Beschwerden der Nachbarn ein Sterben der Musikkneipen einsetzte. Da reifte bei Zaepernick die Erkenntnis, dass die Musik nicht nachhaltig genug war, um ein Überleben zu sichern, da er mittlerweile auch für Ehefrau Sieglinde, Stiefsohn Daniel und Tochter Melina zu sorgen hatte. Der Zufall führte ihn in die Filmbranche, zuerst als Produktionsfahrer, bis einmal für den Hintergrund ein sogenannter „Prospekt“ benötigt wurde, also eine Art gemalte Kulisse. Da das Filmteam so schnell keinen geeigneten Maler auftreiben konnte, meldete sich Zaepernick und hatte auf Anhieb Erfolg.

Und der spricht sich in Filmkreisen schnell herum. So war er in den Folgejahren als Prospektmaler, Bühnenbildner oder Requisitenbauer tätig. Aber aus künstlerischer Sicht konnte ihn diese Arbeit auf Dauer nicht befriedigen, denn „die Filmmalerei war mir zu grob“, erzählt er. „Man arbeitet für die Kamera, die aber sieht nur 40 Prozent im Vergleich zum menschlichen Auge, also kann man da etwas schludern“. Er aber sieht sich eher als der „feine“ Maler, das ist er schon von Kindheit an. Am Anfang stand das Zeichnen mit Bleistift und Tusche, dann folgte das Malen mit Ölfarben auf Leinwände.

„Eigentlich habe ich alles ausprobiert, was möglich war“, sagt der Künstler und nennt als seinen Favoriten Salvador Dali, dessen altmeisterlicher Stil ihn mehr beeindruckte als seine späteren, nicht gegenständlichen abstrakten Werke. Er sieht sich als Realist mit dem Anspruch, „besser zu malen, als es ein Foto ausdrücken kann“. Weil das an optische Gesetze gebunden ist, die ein Künstler aber ignorieren kann. Und hier ist man dann auch bei der Illusion angelangt, die perfektionistische, akkurate Malerei verlangt: Perspektive, Licht und Schatten, Schärfe, Unschärfe, alles Spielelemente für einen Künstler mit Pinsel und Palette. Ein weiteres Vorbild Zaepernicks ist M. C. Escher und dessen illusionäre Beispiele perspektivischer Unmöglichkeiten und optischer Täuschungen.

„Nur die Illusionsmalerei erreicht Dreidimensionalität, ansonsten beschränkt sich das Malen auf zwei Dimensionen“, erklärt Zaepernick. In seine alltäglichen Aufträge lässt er diese Technik durchaus einfließen. Was möglich ist, da er sich auf mediterrane Motive spezialisiert hat. Schon zu Zeiten der römischen Villa Medici war diese Kunst gefördert worden mit Fenstern oder Treppenaufgängen, die keine waren, sondern eben nur gemalte Illusion. So illustriert Zaepernick so manche metallgraue Heizungstüre in modernen Eigenheimen als imaginären Weinkeller, der Fantasie sind da kaum Grenzen gesetzt. Grundsätzlich pflegt der 57-Jährige seinen eigenen Stil „mit dem gewissen Etwas“. „Der Mensch“ erklärt er, besteht aus „Körper, Geist und Seele. Künstler, gleich welcher Richtung, sind sich der dritten Komponente deutlicher bewusst und nützen die auch“.

Zaepernicks Paradigmenwechsel von der Hobbymalerei zum Beruf und vom Berufs- zum Amateurmusiker ist jedoch nicht vollständig. Denn die Auftritte mit seiner Fusionband „Passion # 1“ sind oft unterlegt mit farbigen Computeranimationen per Video-Beamer. Hier werden akustische Impulse in Echtzeit in farbliche Impulse um- und Emotionen freigesetzt. Seine Zukunft sieht Zaepernick visionär: „Die Talente, die mir mitgegeben wurden, möchte ich als Gesamtkunstwerk nutzen, weil es ein Geschenk ist, sie zu haben“.

Und zumindest das Malerische will er in Form von Schulungen weitergeben: An Malerfirmen, die ihre Mitarbeiter in Techniken wie „Stucco Veneziano“ (Kalkpresstechnik) oder Lasurtechniken weiterbilden wollen, die durch ihre mediterrane Optik in Mode kommen. Aber auch Privatpersonen können bei Zaepernik das Malen mit Acrylfarben oder das Umsetzen von Illusionen erlernen. Wer auf die Fassade in Steinkirchens Grundschule blickt, sieht ein kindgerechtes Beispiel von Pit Zaepernicks Illusionsmalerei. Der fühlt sich „pudelwohl“ in Reichertshausen, wo die Familie seit acht Jahren wohnt: „Wir haben super Nachbarn, die Leute sind freundlich, die Lebensqualität ist hoch, da will man nicht mehr weg“.