Ratings Diagnosen

Kabarettist fordert Publikum mit rasend schnellen Gedankenströmen

19.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:50 Uhr

Medien-Irrsinn: Eines von Arnulf Ratings Themen - Foto: A. Ermert

Rohrbach (era) Arnulf Rating kommt aus Berlin – und hat jetzt seinen im ersten Anlauf verschobenen Auftritt beim Zeidlmaier in Rohrbach nachgeholt. „Weil ich in Berlin gelandet bin.“ Eine Fußverletzung hatte ihn behindert. „Obwohl Berlin doch gar keinen Flughafen hat.“

Rating liebt Mehrdeutigkeiten. Sie ziehen sich durch sein ganzes Programm. Es ist böse, witzig und unterhaltsam. Immer zeitgemäß und aktuell. Wie sehr, das zeigte sich, als er mit einem Packen Zeitungen auf die Bühne kam und den Pfaffenhofener Kurier mit dem Bericht über den 25 000sten Bürger zeigte. „Die Zeitung ist vielleicht ein bisschen klein. Aber jetzt mit 25 000 Einwohnern wird sie vermutlich bald größer erscheinen“.

Dann geht er denn Rest seines Zeitungsstapels durch – und ereifert sich über den „Medienirrsinn, der teilweise verbreitet wird“. Rating deutet und bekrittelt die Schlagzeilen im rasendem Tempo. Noch mehr mokiert er sich über viele, die „nur noch über die Zeitung wischen. Nicht wissend, wie man liest.“ Wort- und bilderreich versetzt er Hiebe und Stiche in alle Richtungen. „Um den Patienten Deutschland aus dem Wachkoma zu holen.“ Und damit sind wir mittendrin in seinem Programm „Ganz im Glück“.

Immer wieder schlüpft er in Rollen. Er wird Dr. Mabuse. Oder Schwester Hedwig. Ein Sicherheitsbeauftragter. Und Manager Ferkelmann. So schafft er es, seine politischen Themen in medizinische Diagnosen zu verpacken. Rating wettert gegen die Politiker, kaum einer wird ausgelassen, besonders die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Ministerpräsident Horst Seehofer bekommen ihr Fett ab. Die nur auf Gewinn orientierten Konzerne werden angeprangert. Angela Merkel mit ihren rautenförmig gefalteten Händen, mit Gräben, in denen sie die FDP verschlungen hat. Die Bankenkrise wird zum Thema. Aber auch Wladimir Putin und Barrack Obama kommen an die Reihe. Eine Pointe folgt der anderen, seine Wortspiele sind witzig. Wie Pfeile, die auf die Realität zielen. Rating schlägt sprachliche Purzelbäume und fordert seine Zuhörer. Dr. Mabuse zeigt die Verwerfungen unserer Zeit auf. Er weiß, was viele seiner Patienten in seine Praxis treibt. „Der Mensch ist die Hardware, die pausenlos mit Software gefüttert wird. Fortschrittsglaube, Religion, Sozialdemokratie. Das ist oft nicht kompatibel und führt immer wieder zu Systemabstürzen.“

Aber Rating ist sicher. „Es besteht Hoffnung, solange es Menschen gibt, die nicht nur Bio-Eier wollen, sondern auch ein I-Phone aus artgerechter Chinesenhaltung.“ Wenn Rating fragt: „Warum über die NSA-Affäre aufregen? Heute stecken wir uns doch alle mit unserem Handy unsere Wanze in die Tasche“, sollte man über den eigenen Umgang mit dem Online-Wahn nachdenken. Das Publikum war jedenfalls begeistert, auch wenn der Saal nicht ganz gefüllt war. Es war ein Vergnügen, Ratings Gedankenströmen zu folgen. Der befürchtete zum Schluss, dass nun wohl die Intelligenz ausstirbt. „Wo doch Jogi Löw, Angela Merkel und der Bischof von Limburg keine Kinder haben.“