Potosi
In den Tiefen des Männerfressers

Drei Monate in Bolivien: Julian Hartmuth dreht einen Film über die Silberminen des Cerro Rico

30.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

Fünf Studenten aus Salzburg vor dem Eingang in die Silberminen des Cerro Rico im bolivianischen Potosi. Sie drehten dort einen experimentellen Dokumentarfilm - Fotos: oh

Potosi/Jetzendorf (PK) Julian Hartmuth aus Jetzendorf hat einen Film über die Silbermienen des Cerro Rico in Bolivien gedreht. Drei Monate war es dafür in dem Land. Er dokumentiert in seinem Streifen das harte Leben der Einheimischen, die sich mit Kokablättern betäuben, um in den Mienen arbeiten zu können.

Der Bergarbeiter schiebt sich Kokablätter in den Mund, beginnt zu kauen. Ein letzter Blick in den blauen Himmel. Dann geht es rein in den dunklen Schacht. Die Reise in die Tiefen des Männerfressers, hinab in die Silberminen des Cerro Rico beginnt. Sengende Hitze überall, bissiger Staub schnürt einem die Kehle zu, sobald die Mineros den Presslufthammer ansetzen. Ganz nah dran, mit der Kamera in der Hand, ist Julian Hartmuth. Mittendrin im Herzen des Schicksalsberges der bolivianischen Kleinstadt Potosi. Seit Jahrhunderten ist das Leben und Sterben in der angeblich ehemals reichsten Stadt der Welt auf Gedeih und Verderb mit den Minen verknüpft. „Die spanischen Eroberer haben im 16. Jahrhundert damit begonnen, dort Silber abzubauen“, erzählt der 25-jährige Jetzendorfer. Angeblich haben Millionen Arbeiter im Cerro Rico ihr Leben gelassen. „Die Aura des Berges ist unfassbar“, erzählt Julian. Wieso er einen Minero-Clan monatelang begleitet hat? Weil er zusammen mit vier weiteren Multimedia-Art-Studenten aus Salzburg einen experimentellen Dokumentarfilm drehte.

Drei Monate war der junge Mann in Bolivien. Und was er zu berichten hat, lässt tiefe Einblicke in eine fremde Welt zu. Ganz Potosi lebt vom Berg, in dessen Herzen schier unendliche Reichtümer ruhen. Neben Silber fördern die Mineros Unmengen an Zink, Blei, Kupfer und Zinn ans Tageslicht. „Der Cerro Rico wird seit Jahrhunderten durchlöchert. Er droht bereits, in sich zusammenzufallen“, erzählt der Student weiter. Das Schürfen nach Silber ist lebensgefährlich. Die Stollen sind eng – und kaum gesichert. Die Mineros müssen tief in den Berg wandern. Über eine Stunde sind sie unterwegs, bis sie in jene Stollen kommen, die noch nicht ausgebeutet sind. Tödliche Gasblasen bilden sich. Gänge stürzen ein. Und wenn kein Unglück geschieht, sind die Folgen der Arbeit in den Minen unübersehbar. „Der Staub ist unerträglich. Viele Mineros sterben jung. Und auch die Kinder müssen häufig viel zu früh ran“, berichtet der Student von seinen Eindrücken.

Werden die Mineros gefragt, weshalb sie in den Stollen arbeiten und sterben, ist die Antwort meist gleich. Damit es ihre Kinder mal besser haben. Ein Teufelskreis, der nie endet. „Die Kinder arbeiten auch im Berg. Er lässt Potosi niemals los, niemals in Frieden.“ Denn die meisten Mineros sind nicht angestellt, sondern bewirtschaften ihren eigenen Stollen „Was sie fördern, verdienen sie. Wenn keiner arbeitet, verhungern sie.“

Als sich für die Studentengruppe der Plan festigte, in Bolivien zu drehen, konnte Julian nur bruchstückhaft Spanisch. Einen Monat war nach der Ankunft in Potosi erst einmal Sprachunterricht angesagt. „Und Vertrauen zu den Menschen aufbauen“, fügt er an. Denn die Mineros sind skeptisch. Über die Schulter lassen sie sich ungern blicken. Kokablätter, Alkohol, Zigarren, mit solchen Geschenken werden sie zugänglicher. „Trotzdem war es nicht leicht, der Skepsis zu begegnen“, sagt der junge Jetzendorfer. Wie hart es sein muss, in den Minen zu arbeiten, hat er beim Drehen – Julian ist der Kameramann des Studententeams gewesen und sieht in diesem Bereich auch seine berufliche Zukunft – hautnah erlebt. „Der Mundschutz hilft kaum. Die Zustände sind bedrückend. Lebensfeindlich. Wir sind neunmal in den Berg gegangen – immer mit gehörigem Respekt.“ Kokablätter kauen ist unvermeidbar. „Sie berauschen nicht, aber nehmen einem die Angst, den Hunger und den Durst. Es gibt kein Klo im Berg.“

Das Projekt hat jeden der fünf Studenten 3000 Euro gekostet. „Aber es hat sich gelohnt“, sagt der Jetzendorfer. Unbedingt will er zurück nach Potosi. Wenn der Film mal fertig ist. Bis es so weit ist, dauert es aber noch. „Jetzt beginnt das Schneiden.“ Die Doku verzichtet auf einen Erzähler, will rein durch Bilder und Musik wirken. Parallel zum Kurzfilm gibt es eine Fernsehdokumentation, in der Interviews die Hintergründe liefern.

Die Premiere ist im Mai in Salzburg geplant. Mit ihrer Masterarbeit wollen sich die Studenten für diverse Kurzfilmpreise bewerben. „Vielleicht haben wir Glück und ein Teil der Kosten lässt sich refinanzieren“, sagt Julian. Ob sich im Landkreis ein Kino findet, das den Kurzfilm mit dem entsprechenden Drumherum (Nebel, Rauch und Schwefelgeruch im Kinosaal) aufführt, ist noch offen. Vorstellen kann sich Julian Hartmuth aber in jedem Fall, dass sein 25-minütiger Streifen bei der Pfaffenhofener Kurzfilmnacht zu sehen ist. „Falls die Veranstalter das möchten, wäre das eine schöne Gelegenheit, meinen Freunden hier mal was zu bieten.“