Pfaffenhofen
Scheinheilige und ein geschockter Dackel

Theaterspielkreis feiert gelungene Open-Air-Premiere des Lutz-Stückes "Der Zwischenfall"

30.06.2013 | Stand 02.12.2020, 23:58 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Mit der Freilichtinszenierung des Lustspiels „Der Zwischenfall“ hat der Theaterspielkreis Pfaffenhofen am Wochenende den 120. Geburtstag des Schriftstellers Joseph Maria Lutz gewürdigt und sich gleichzeitig selbst das schönste Geschenk zum 40. Vereinsjubiläum bereitet.

Die Bilanz des ersten Festspiel-Wochenendes ist durchwachsen: Während die Premiere am Freitag und die Vorstellung am Sonntag planmäßig über die Bühne gingen, musste die Aufführung am Samstag wegen Regens verschoben werden.

„Jetzt ist mir richtig warm geworden“, sagt Erich Baumgärtner, Vorsitzender des Theaterspielkreises, nachdem er gerade das monströse Kriegerdenkmal von der Freilichtbühne am Rathaus geschoben hat, um Platz für die nächste Szene zu schaffen. Dass er an diesem Premierenabend gehörig ins Schwitzen kommt, liegt aber nicht nur an den körperlichen Kraftakten beim Bühnenumbau, die Baumgärtner mit den insgesamt 70 Darstellern und Helfern hinter den Kulissen bewältigen muss. Auch technisch und logistisch stellt das Open-Air-Projekt Herausforderungen, die an die Grenzen dessen gehen, was eine Laienbühne zu leisten imstande ist. Mit der 40-jährigen Erfahrung aus über 100 Bühnenproduktionen bewältigt die Truppe um Regisseur Helmut Muthig diese Mammutaufgabe routiniert, wenngleich die teilweise zu geringe Lautstärke im ersten Teil der Aufführung doch etwas Probleme bereitet.

Die größten Sorgen macht den Organisatoren am Tag der Premiere zunächst die unsichere Wetterlage. Am Nachmittag hängen noch dunkle Regenwolken über der Stadt, die sich bis zum Abend glücklicherweise verzogen haben.

Während die Kostüm- und Maskenbildnerinnen in dem zur Theatergarderobe umfunktionierten alten Starkbierkeller des Müllerbräu den Schauspielern den letzten Schliff geben und mit Gummibärchen für den Auftritt „dopen“, warten draußen auf der Zuschauertribüne rund 370 Premierengäste bei Temperaturen um 20 Grad gespannt auf den Beginn der Vorstellung. Viel Prominenz ist gekommen, darunter die Landtagsabgeordnete Erika Görlitz, Bürgermeister Thomas Herker und Landrat Martin Wolf, der 1979 als aktives Mitglied des Theaterspielkreises gemeinsam mit Siegfried Ostermeier die Bühnenfassung für die erste Zwischenfallinszenierung im Haus der Begegnung geschrieben hatte und auch als Schauspieler mitwirkte.

Kurz nach 20.30 Uhr heißt es: Bühne frei! Der untere Hauptplatz vor den prächtigen Fassaden des Rathauses, des Hotels Müllerbräu und des Weilhammer-Hauses verwandelt sich in die fiktive bayerische Provinzstadt Kleindlfing. In dieser spießigen und obrigkeitshörigen Welt der 1920er Jahre wird ein aus München zugezogener „Verserlschreiber“ erst zur Zielscheibe übler Verleumdungen. Bis er sich als Stiefsohn eines hohen Ministerialbeamten entpuppt und zudem noch einen Literaturpreis gewinnt. Schlagartig schwenkt die Volksmeinung um und die scheinheiligen Kleindlfinger wollen ihren Stardichter zum Ehrenbürger ernennen.

Zwar hat Joseph Maria Lutz immer betont, dass er mit dem Ort Kleindlfing im „Zwischenfall“ keineswegs seine Heimatstadt beschrieben habe, doch wirklich glauben wollen ihm dies die Pfaffenhofener bis heute nicht. Und so haben Helmut Muthig und Sigi Ostermeier in ihre Freilichtfassung auch viele Anspielungen auf lokale Geschehnisse, Örtlichkeiten und Pfaffenhofener Originale eingebaut, wie etwa die „Papierlmare“, die im Stück immer wieder über den Stadtplatz schlurft und weggeworfene Blätter einsammelt. Für Szenenapplaus und Lacher sorgen neben den Hauptdarstellern (herausragend Theo Abenstein als Bezirksamtmann Mintscherlich und Florian Erdle als Amtsdiener Schergerl) effektvoll eingebaute Open-Air-Elemente mit Pferden, Musikanten und Böllerschützen. Letztere erschrecken bei der Premiere nicht nur viele Zuschauer, sondern auch den kleinsten Statisten: Dackeldame Tini, im Stück das Zamperl des Metzgermeisters Huber, ist nach den Schüssen völlig verstört. „Bei den nächsten Vorstellungen müssen die Kinder vor den Böllern mit dem Zamperl Gassi gehen“, reagiert Regisseur Wolfgang Muthig sofort auf den tierischen Zwischenfall.

Bis zum Happy End kurz nach 23 Uhr hat sich auch der Dackel wieder beruhigt. Helmut Muthig, Co-Regisseurin Astrid Mayer-Hoiss, die Schauspieler und alle anderen Beteiligten genießen den minutenlangen verdienten Beifall des Premierenpublikums. Dann geht es zum Feiern in den Müllerbräu. „Nach der anstrengenden letzten Probenwoche sind wir alle erschöpft und wollen jetzt erstmal in gemütlicher Runde durchschnaufen“, sagt Muthig. „Die sonst übliche Premierenfeier holen wir später nach, wenn der ganze Stress vorbei ist“.