Pfaffenhofen
"Die Angst bei den Menschen wächst"

30.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:53 Uhr

Die jüngste Entwicklung des Mietwohnungsmarkts sehen Albert Hiereth (von links) und Johannes Gold vom Pfaffenhofener Mieterverein sehr kritisch. - Foto: Paul

Pfaffenhofen (DK) Der Pfaffenhofener Mieterverein berät seine Mitglieder in allen Fragen des Mietrechts und vertritt ihre Interessen außergerichtlich gegenüber Vermietern und Dritten. Im Interview sprechen Albert Hiereth und Johannes Gold über teure Mieten, Wohnungsnot und ihren Verein.

Herr Gold, Herr Hiereth, was ist die genaue Aufgabe Ihres Vereins?

Albert Hiereth: Wir beraten unsere Mitglieder in allen Fragen des Mietrechts und vertreten ihre Interessen außergerichtlich gegenüber Vermietern und Dritten.

 

Mietervereine kannte man ja bisher nicht in Kleinstädten und auf dem Land, oder?

Johannes Gold: Den Mieterverein Pfaffenhofen gibt es seit 2009 und wir haben jetzt aktuell 191 Mitglieder - und man sieht bei 40 Neumitgliedern im vergangenen Jahr, dass die Notwendigkeit da ist. Da der Wohnungsmarkt immer angespannter wird, merkt man, dass der Mieterverein gebraucht wird.

 

Wie häufig werden Sie denn kontaktiert?

Gold: Allein während unseres Gesprächs haben zwei Leute angerufen. Die häufigsten Themen sind neben der Wohnungsübergabe bei Auszug, Nebenkostenabrechnung und Mieterhöhungen auch Eigenbedarfskündigungen. Die Wohnungsknappheit merkt man schon, besonders wenn es um Mieterwechsel geht. Bei Kündigungen muss noch nicht mal die Rechtmäßigkeit umstritten sein - beispielsweise beim berühmten Eigenbedarf -, der Mieter hat damit aber in jedem Fall ein Problem, weil er nicht weiß, wohin. Viele sind örtlich gebunden wegen Kindern und wegen des Arbeitsplatzes und wollen nicht weg.

 

Seit wann hat sich der Mietmarkt in der Stadt so verteuert?

Gold: In den vergangenen Jahren hat sich das schleichend entwickelt. Auf eine Mietwohnung kommen nicht selten 40 Interessenten. Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahren die Baulandpreise um rund 30 Prozent gestiegen sind. Das bedeutet, dass auch für Normalverdiener inzwischen ein Eigenheim nicht mehr erschwinglich ist und somit viele Menschen auf dem Mietmarkt unterwegs sind, die eigentlich lieber in den eigenen vier Wänden leben würden. Hinzu kommt der Zuzug aus der Großstadt, was den Druck weiter erhöht.

 

Wie viele Menschen finden denn aktuell definitiv keine Wohnung in der Stadt?

Gold: Dass jemand tatsächlich auf der Straße leben muss, weil ihm gekündigt wurde, habe ich gottseidank noch nicht gehört. Aber das Thema Eigenbedarfskündigung verschärft ganz klar immer weiter die Lage. Und die Angst bei den Menschen wächst, nichts Bezahlbares mehr zu finden - also zwar noch eine Unterkunft, aber eben eine, die das persönliche Budget völlig sprengt, sodass man fast nur noch für die Wohnung arbeiten geht.

 

Kann man denn dagegen gar nichts unternehmen als Mieter?

Hiereth: Wenn der Eigenbedarf tatsächlich besteht, dann lässt sich dagegen in der Regel nichts unternehmen, nein. Es gibt Regelungen für soziale Härtefälle, über die dann mitunter auch heftig gestritten wird - aber von der generellen Rechtslage sind das sehr eng gesteckte Grenzen. Die Anforderungen sind sehr hoch, um unter diesem Gesichtspunkt noch etwas für den Mieter zu erreichen. Man kann schauen, ob es im Vorfeld eventuelle Differenzen gab zwischen Mieter und Vermieter, die Letzter nun zum Anlass einer Kündigung nimmt, um den Mieter loszuwerden. Und den Eigenbedarf nur vorschiebt.

 

Muss der Vermieter da keine stichhaltigen Beweise erbringen für den Eigenbedarf?

Hiereth: Man muss schon Beweise erbringen, Zeugen beispielsweise. Aber da reicht es schon, wenn der Sohn oder die Tochter vor Gericht glaubhaft versichern, einziehen zu wollen. Wenn die natürlich bereits ein eigenes Haus haben, dann sind Zweifel angebracht. Die andere Frage ist, wenn der Eigenbedarf anschließend nicht umgesetzt wird - also wenn der alte Mieter auszieht, aber der Sohn oder die Tochter des Vermieters nicht einzieht, sondern vier Wochen später ein ganz anderer, neuer Mieter. Rechtlich kann man das dann noch mal aufarbeiten: Der ehemalige Mieter kann versuchen, Schadenersatz gelten zu machen - etwa für den Umzug, den Makler oder die höhere Differenzmiete. Aber selbst dann hat der Vermieter noch gute Chancen - wenn er etwa beweisen kann, dass sich die ursprüngliche Absicht aus nachvollziehbaren Gründen geändert hat.

 

Und Sie sagen, der Eigenbedarf wird auch gern mal vorgeschoben?

Hiereth: Ja, das kommt vor. Wir hatten einen Fall, da hatte der Mieter versehentlich den jungen Hund des Vermieters überfahren. Der Mieter hatte das natürlich seiner Haftpflichtversicherung gemeldet, rein juristisch ist ein Hund dann eben doch nur eine Sache. Aber der Vermieter war so wütend, dass er mit allen Mitteln versucht hat, den Mieter loszuwerden.

 

Was sind denn andere häufige Gründe für Kündigungen?

Hiereth: Dazu gehören Vertragsrechtsverletzungen, also vor allem Zahlungsverzug bei der Miete, wenn regelmäßig unpünktlich bezahlt wird. Ab einer bestimmten Höhe des Mietrückstands kann der Vermieter dann sogar fristlos kündigen.

 

Rein prozentual - wie vielen Klienten können Sie helfen?

Hiereth: Helfen im Sinne einer kompletten Aufhebung der Kündigung, das gelingt eher selten. Meist gewinnt man vor allem Zeit für den Mieter, weil die Kündigung des Vermieters aus formalen Gründen unwirksam war, etwa fehlte die plausible Begründung. Doch irgendwann läuft dann natürlich die neue Frist. Einige Prozesse können sich aber über Jahre hinziehen: Amtsgericht, Landgericht, bis hoch zum Bundesgerichtshof. Die Nebenkostenabrechnung oder Mieterhöhungen sind allerdings häufig fehlerhaft, sodass wir hier unseren Mitgliedern in vielen Fällen helfen können.

 

Viele Vermieter beklagen das Problem der Mietnomaden - auch hier in Pfaffenhofen.

Hiereth: Ja, das kommt vor - aber ich kann nicht sagen, dass es mehr geworden ist.

 

Sind die angebotenen Wohnungen eigentlich auch qualitativ schlechter geworden, weil es immer weniger gibt?

Gold: Man kann bei uns noch gut und günstig wohnen, das sind dann aber vor allem Bestandsmieten, die lange unverändert geblieben sind. Der Trend geht sogar in die gegenteilige Richtung, auch der schwappt aus den Großstädten herüber. Es werden an Neubauten fast nur noch supertolle Luxuswohnungen angeboten, top in Schuss - aber mit Kaltmieten von 600 Euro und mehr für 40 Quadratmeter große Ein-Zimmer-Wohnungen. Gern auch noch teilmöbliert, damit die Mietpreisbremse nicht greift.

 

Wo liegen wir denn aktuell bei den Mieten?

Gold: Das ist sehr unterschiedlich. Am Hauptplatz ist es natürlich teurer als in den Ortsteilen und kleine Wohnungen sind im Verhältnis teurer als größere. Aber für eine normale 60-Quadratmeter-Wohnung muss man schon Minimum mit 500 Euro Kaltmiete rechnen, günstiger geht es leider nicht mehr - von 30 Jahre alten Bestandsmieten vielleicht mal abgesehen. Und bei Neubauten kommt man für eine durchschnittliche Wohnung, ebenfalls 60 Quadratmeter groß, bereits auf gut 900 Euro Kaltmiete. Wohlgemerkt: Das ist noch keine Luxuswohnung, die es ja auch in Pfaffenhofen gibt, sondern nur gehobene Qualität.

 

Mieter von Luxuswohnungen dürften aber ohnehin nicht zu ihrer Klientel zählen, oder?

Gold: Nein, eher nicht - aber diese Personen, die meist von außerhalb nach Pfaffenhofen kommen, verdrängen rein räumlich den alteingesessenen Mieter, der sich solche Preise nicht leisten kann. Wo solche Miethäuser gebaut werden, ist dann ja kein Platz für günstigere Wohnungen.

 

Hatten Sie schon mal einen wirklich dramatischen Fall?

Hiereth: Ja, da war eine Frau mit zwei Kindern und gesundheitlicher Einschränkung. Sie war arbeitslos und der Mann, der bisher allein für den Unterhalt der Familie aufkam, hatte sich von ihr getrennt und war ausgezogen. Das Problem war, dass dieser Ex-Mann auch allein im Mietvertrag stand, die Frau hatte also keinen rechtlichen Anspruch auf die Wohnung. Und es gab dann, wie ich mitbekam, auch noch Rückstände beim Unterhalt für die Kinder. Also so was geht einem dann schon zu Herzen.

 

Das Gespräch

führte André Paul.