Pfaffenhofen
"Der Mietspiegel ist nur eine Notlösung"

11.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:39 Uhr

Wie kann man bezahlbaren Wohnraum schaffen? Der PK sprach mit Roman Dienersberger von der Regierung von Oberbayern. - Foto: RVO

Pfaffenhofen (DK) Viele Familien haben kaum eine Chance auf eine günstige Wohnung oder ein bezahlbares Haus in ihrer Heimatgemeinde - trotz zweier Gehälter und finanziellem Grundstock. Was also tun? Würden großzügige Baulandsausweisungen die Grundstückspreise purzeln lassen? Und was ist eigentlich mit einkommensschwachen Familien, die im Landkreis händeringend nach einer Sozialwohnung suchen? -- Dann vor Interview im Grundtext: In der neuen Serie "Wird wohnen unbezahlbar?" will die PK-Redaktion diese und weitere Fragen beantworten. Mithilfe von Experten aus Politik, Behörden und Wirtschaft, aber auch aus der Sicht der Betroffenen - Familien, Alleinerziehende, Singles oder einkommensschwache Bürger. Zum Start haben wir mit Roman Dienersberger, dem Chef des Sachgebiets Wohnungswesen bei der Regierung von Oberbayern, gesprochen.

Herr Dienersberger, wer in Pfaffenhofen Wohnraum kaufen will, muss bis zu 5000 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen, auf dem Land 2700 Euro und mehr. Wohin soll das noch führen?

Roman Dienersberger: Dass die Preise steigen, ist eine allgemeine Entwicklung auf dem Immobilienmarkt, die wir überall feststellen können. Das einzige Mittel ist hier, das Wohnungsangebot zu vergrößern und die einkommensschwächeren Haushalte, die dabei auf der Strecke bleiben, zu unterstützen.

 

In der Kreisstadt will man dem Druck aus der Metropolregion München nicht nachgeben und nur moderat wachsen. Trägt dieser Tritt auf die Bremse zu den hohen Wohnraumpreisen bei und würden großzügigere Baulandausweisungen den Markt nicht eher entspannen?

Dienersberger: Anstelle des Wortes "moderat" würde ich "verträglich" verwenden. Und was verträgliches Wachstum bedeutet, ist eine Entscheidung, die der Stadt- oder der Gemeinderat selbst treffen muss. Aber: Der Markt besteht nur aus Angebot und Nachfrage. An diesen beiden Punkten kann ich ansetzen. Das Angebot erhöhen oder die Nachfrage reduzieren. Letzteres halte ich für fast ausgeschlossen. Wohnen muss man ja, und außerdem wird die Nachfrage heute durch Investoren, die keinen Wohnraum brauchen, sondern nur Anlagemöglichkeiten suchen, sehr stark geprägt. Tendenziell ist es aber so: Wenn das Angebot höher ist, werden auch die Preise sinken.

 

Die Kreisstadt und mehrere Gemeinden versuchen mithilfe von Einheimischenmodellen ihren Bürgern verbilligte Grundstücke oder günstige Eigentumswohnungen zur Verfügung zu stellen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein oder ein ausbaufähiges Instrument für die Zukunft?

Dienersberger: Das ist eigentlich die Konsequenz aus der Entscheidung für ein verträgliches Wachstum. Ich muss dann gesonderte Angebote - zum Beispiel über Einheimischenmodelle - für schwächere Haushalte schaffen. Das halte ich auch für richtig.

 

Seit gut einem Jahr versucht die Kreisstadt mit einer Mietpreisbremse und einem qualifizierten Mietspiegel den Anstieg der Wohnkosten zu dämpfen. Die Einführung wurde durchaus kontrovers diskutiert - was halten Sie davon?

Dienersberger: Die einzige nachhaltige Lösung, die Preise zu regulieren, ist, das Angebot zu erhöhen. Man kann Verwerfungen vorübergehend durch Regulierungen in den Griff bekommen. Dauerhaft geht das nur, wenn ich ein angemessenes Angebot habe, das der Nachfrage gerecht wird. Ein Mietspiegel ist nur eine vorübergehende Notlösung.

 

Können Sie den Kommunen noch andere Wege empfehlen, mit denen man in den überhitzten Wohnungsmarkt eingreifen kann?

Dienersberger: Mit der Planungshoheit haben die Gemeinden ein ganz wichtiges Werkzeug - sie schaffen Baurecht. Und hier gibt es Instrumente, zum Beispiel städtebauliche Verträge, um Grundstücke günstig oder für den geförderten Wohnungsbau zur Verfügung zu haben. Oder die Gemeinden erwerben Grundstücke, bevor Baurecht geschaffen wird - weil sie eben auch bestimmen, wo es geschaffen wird.

 

Stichwort Sozialwohnungsbau: Einige Experten empfehlen 6 Prozent öffentlich geförderten Wohnraum am gesamten Bestand. In der Stadt Pfaffenhofen liegt die Quote derzeit bei etwas über zwei Prozent, mittelfristig sollen es 4,5 Prozent werden. Was halten Sie für erstrebenswert?

Dienersberger: Das hängt von der örtlichen Situation ab. Bei staatlich gefördertem Wohnraum handelt es sich in der Regel um Mietwohnungen beziehungsweise Geschosswohnungsbau. Und hier ist der Bedarf oder die Nachfrage in den Gemeinden sehr unterschiedlich. In einer Kreisstadt wird man tendenziell eher eine Geschosswohnung haben wollen, in ländlichen Gegenden eher ein Einfamilienhaus. Dann geht es auch um die Wohnvorstellungen und Einkommenstrukturen der jeweiligen Bürger. Da kann man keinen einheitlichen Prozentsatz festlegen.

 

Ist der Bau von Sozialwohnungen ohnehin nur in größeren Kommunen sinnvoll?

Dienersberger: Einen Bedarf gibt es durchaus auch in kleineren Gemeinden, aber natürlich in einem wesentlich geringeren Umfang. In einer Kreisstadt haben sie Versorgungseinrichtungen wie Kindergärten, Altenheime oder Krankenhäuser - mit Mitarbeitern, die nicht so wahnsinnig viel verdienen und eher auf den Geschosswohnungsbau angewiesen sind.

 

Anfang der 1990er Jahre gab es im Landkreis noch über 850 Sozialwohnungen, derzeit sind es nur noch 575. Einer der Hauptgründe dafür war ein deutlicher Rückgang der staatlichen Fördergelder. Muss der Freistaat - Stichwort "Wohnungspakt Bayern" - wieder mehr im Bereich des sozialen Wohnungsbaus tun?

Dienersberger: Er tut es! Einerseits durch die Aufstockung der Programme. Die sind ab 2015 erheblich aufgeweitet worden, und sie werden in den kommenden Jahren weiter erhöht - und zwar deutlichst. Die Förderkonditionen sind verbessert worden und es gibt neue Programme wie das Kommunale Wohnraumförderprogramm, das sich speziell an Gemeinden wendet. Mit außerordentlich attraktiven Konditionen und sehr hohen Zuschüssen.

 

Nach Auffassung von Fachleuten sollte bei der Ausweisung von Neubaugebieten oder sonstigen größeren Wohnbauprojekten ein verpflichtender Mindestanteil von öffentlich geförderten Wohnungen mit Mietpreisbindung vorgeschrieben werden. Ein auch für Sie erfolgsversprechender Weg?

Dienersberger: Das ist ein Ansatzpunkt, den viele Kommunen jetzt aufgreifen, beispielsweise mit den zuvor erwähnten städtebaulichen Verträgen. Bei der Baurechtsschaffung wird der Eigentümer verpflichtet, einen bestimmten Anteil im geförderten Wohnungsbau zu machen. Noch besser ist natürlich, wenn die Förderprogramme so attraktiv sind, dass er es freiwillig macht.

 

Bei den derzeitigen Zinssätzen macht er es vermutlich eher nicht...

Dienersberger: Doch! Wir haben momentan extrem günstige Konditionen. Und davon sind auch Privatinvestoren durchaus zu überzeugen.

 

Welche Instrumente haben Kommunen sonst noch in der Hand, um den Sozialen Wohnungsbau anzukurbeln?

Dienersberger: Die Gemeinden können natürlich ergänzend zur staatlichen Förderung auch selbst fördern. Wenn Kommunen rechtzeitig eine Bodenvorratspolitik betreiben, können sie zum Beispiel vergünstigte Grundstücke an geeignete Investoren oder Baugenossenschaften abgeben.