Pfaffenhofen
"Sonnenschein ins Leben gebracht"

Verein Familien in Not ermöglicht Gruppe aus der betreuten Wohngemeinschaft Regenbogen eine Auszeit im Süden

21.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:53 Uhr

Einmal warmen Sand unter den Füßen und die Meeresbrise genießen: Bewohnern der betreuten Wohngemeinschaft Regenbogen am Münchner Vormarkt in Pfaffenhofen hat der Verein Familien in Not im vergangenen Sommer einen einwöchigen Urlaub in Rimini ermöglicht. "Die Reise hat Sonnenschein in das Leben der Teilnehmer gebracht", sagt Birgit Hollenbach von Regenbogen. - Foto: K. Ermert

Pfaffenhofen (PK) "Ich bin dann mal weg" - ob sie wie Hape Kerkeling zur Pilgerreise oder "nur" in den Urlaub aufbrechen, für viele Landkreisbürger ist mindestens eine Auszeit im Jahr ganz selbstverständlich. Manche aber können von solch einem Luxus nur träumen.

Dazu gehören die Bewohner der betreuten Wohngemeinschaft Regenbogen am Münchner Vormarkt in Pfaffenhofen. Sieben Männer und eine Frau, die unter einer chronischen, seelischen Behinderung leiden, haben hier ein Zuhause gefunden. Ihnen hat der Verein Familien in Not im vergangenen Sommer einen ganz besonderen Ausflug ermöglicht: eine Woche in Rimini. Gemeinsam mit drei Betreuern machten sie sich in zwei Kleinbussen auf den Weg in den Süden und genossen - teils seit langen Jahren zum ersten Mal - einen längeren Aufenthalt außerhalb ihrer geschützten vier Wände.

"Es war sehr, sehr schön, sogar das Wetter hat gepasst", sagt Peter B. (Name geändert) mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Urlaub ist für den 50-Jährigen normalerweise ein Fremdwort. Dass er heuer sogar seinen runden Geburtstag in der Ferne feiern durfte, war für ihn "ganz toll". Seine Mitbewohner haben den Aufenthalt ebenso genossen. Für jene, die das selber nicht so recht in Worte fassen können, springt Birgit Hollenbach in die Bresche. Die Praktikantin erinnert sich, dass die anstehende Reise schon im Vorfeld ein "Riesenthema" gewesen sei: "Manche Bewohner haben von nichts anderem mehr gesprochen". Und sie waren sofort bereit, sich - selbst mit stark schnarchenden Probanden - ein Zimmer zu teilen, "damit es nicht so teuer wird". Denn auch so blieben nach dem Zuschuss von Familien in Not in Höhe von 200 Euro pro Person und diversen Kleinspenden noch 150 Euro für jeden Teilnehmer als Eigenleistung übrig. Geld, das sich die meisten von der Sozialhilfe "abknapsen" mussten, weil sie wegen ihrer Erkrankung ihren Lebensunterhalt nicht selber finanzieren können.

"Die Reise hat nicht nur wegen des schönen Wetters Sonnenschein in das Leben der Teilnehmer gebracht", formuliert Hollenbach ihren Eindruck. Auch die stellvertretende WG-Leiterin Kirsten Ermert kann nur Positives berichten. Einmal rauskommen aus der gewohnten Umgebung, in der manche bereits seit 1999 leben, das sei "eine wichtige Zeit" sagt sie. Man erlebe die Bewohner dabei "ganz anders". An den ersten Tagen habe große Verunsicherung geherrscht, weil alles fremd und ungewohnt war. Doch dann wagten sich die Urlauber nach draußen, genossen das Gefühl des warmen Sands unter den Füßen und das Baden im Meer. "Das sind wichtige Erfahrungen zur Rückgewinnung eines positiven Körpergefühls", weiß die Betreuerin. Und es sind Eindrücke, "die lange nachwirken", so Ermerts Beobachtung.

Mit dem Urlaub sollen heuer jedoch andere an der Reihe sein. Diesmal ist es die Gruppe des sozialtherapeutischen Regenbogen-Wohnheims für Menschen mit seelischer Behinderung in Ernsgaden - 17 Männer und Frauen, die "stärker beeinträchtigt sind, als jene in Pfaffenhofen", wie die Regionalleiterin der Regenbogen Wohnen gGmbH, Ulrike Suffel-Rinkl erklärt. "Diese Menschen brauchen sehr viel Aktivierung, Motivation und Zuspruch", sagt sie. Die fachlichen Betreuer seien so etwas wie der "soziale Kitt" zwischen den in ihrer emotionalen Wahrnehmung sehr stark eingeschränkten Bewohnern und der Umwelt, erklärt Monika Buchenrieder als stellvertretende Heimleiterin. Nicht ohne lobend zu erwähnen, dass man in der Gemeinde "dank der Toleranz und Offenheit der örtlichen Bevölkerung gut integriert ist".

Suffel-Rinkl hat mit den Bewohnern heuer einen viertägigen Aufenthalt am Schliersee im Jugendhaus Josefstal geplant, damit sie "einfach mal rauskommen". Nicht nur, um den Betroffenen ein paar schöne Momente zu bescheren, sondern auch aus therapeutischen Gründen. "Solch intensive Reize, die die Muster des Alltags durchbrechen, führen manchmal kurzzeitig zu einer völligen Symptomfreiheit", erlebt die Regionalleiterin immer wieder. Und genau deshalb würde sie sich freuen, wenn sie nicht nur den Ausflug an sich, sondern zudem eine Bergbahn- und eine Schifffahrt sowie einmal Minigolf-Spielen realisieren könnte. 3500 Euro wären nötig, um diesen bescheidenen Traum der Bewohner zu verwirklichen.

Auf eine Urlaubsbeihilfe verzichten die Kollegen in Pfaffenhofen zugunsten der Ernsgadener Gemeinschaft gerne. Aber "über einen kleinen Zuschuss für unseren Umzug würden wir uns sehr freuen", meint Ermert. Denn für die frisch renovierten Räumlichkeiten im ehemaligen Notariat an der Moosburger Straße, in das die Wohngemeinschaft im neuen Jahr einziehen wird, "fehlt es noch an Mobiliar".

Die Regenbogen Wohnen gGmbH betreibt in Bayern Heime, stationäre Wohngruppen, ambulante Wohngemeinschaften und Projekte zum betreuten Einzelwohnen, in denen oberbayernweit 250 erwachsene Menschen mit seelischer Behinderung im Alltag fachlich begleitet werden.

In Ernsgaden sind 17 Männer und Frauen in zwei Wohnhäusern untergebracht, die über einen Innenhof verbunden sind und jeweils über eine Gemeinschaftsküche sowie einen gemeinschaftlichen Wohnraum verfügen. Das Ambiente der Außenanlagen erinnert an einen Bauernhof. Das Versorgen der Schafe, Enten, Hühner und Katzen im eingezäunten Garten gehört zum therapeutischen Ansatz. Im Sommer bauen die Bewohner auch ihr eigenes Gemüse an. In Pfaffenhofen sind in einer betreuten Wohngemeinschaft acht Personen untergebracht, die teilweise einer geregelten Arbeit nachgehen können, aber sonstige Hilfen im Alltag brauchen. Die Fachkräfte der beiden Einrichtungen helfen je nach Bedarf im Umgang mit Ämtern und Behörden, beim Arztbesuch oder therapeutischen Gesprächen, bei der Haushaltsführung und Tagesgestaltung, bei der Arbeitssuche und der Organisation von Fahrten zur Arbeit.

Menschen, die psychisch krank sind, haben oft bereits in der Kindheit Armut, Ausgrenzung und Gewalt erlebt. Situationen, die Narben auf der Seele hinterlassen und oft das ganze spätere Leben bestimmen. Aus diesem Grund ist es dem Verein Familien in Not wichtig, einen Beitrag dazu zu leisten, dass junge Menschen nicht ins soziale Abseits geraten. Oft reichen dafür schon kleine Beträge aus. Mal ist es ein Zuschuss zur Kinderfreizeit in Höhe von 170 Euro, damit ein Erstklässler mit seinen Klassenkameraden mitfahren kann. Mal übernimmt der Verein für einen Teenager die Kosten für die Tanzstunden zum Schulabschluss. Mal fehlt es am Geld für eine Brille, die das Lesen an der Tafel erleichtert, mal reicht das Einkommen der Eltern nicht für einen Schreibtisch mit Stuhl. "Ganz gleich, warum die Eltern finanziell in eine Schieflage geraten sind, dürfen die Kinder nicht darunter leiden", sagt Hermann Heubeck als Zweiter Vorsitzender des Vereins Familien in Not. Denn wenn man hier nicht helfend eingreife "dann setzt sich ein Teufelskreis in Gang, der auch der nächsten Generation ihre Chance auf ein selbstbestimmtes Leben nimmt." Dank großzügiger Spender gelinge es Familien in Not immer wieder hier einen Mosaikstein zum großen Puzzle sozialer Unterstützung beizusteuern.