Pfaffenhofen
Von der Ausnahme zur Regel?

Forderung nach mehr Bürgerentscheiden stößt in der Kommunalpolitik auch auf Skepsis

20.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

Die Wahlhelfer zählen bei den Bürgerentscheiden vom Oktober die Stimmen aus. ‹ŒArch - foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Nach den Erfahrungen der Pfaffenhofener Bürgerentscheide im Oktober können sich einige Stadtratsparteien durchaus vorstellen, die Bürger künftig häufiger an die Urne zu bitten - vielleicht sogar auf Kreisebene. Es gibt aber auch Stimmen, die vor inflationärem Gebrauch warnen.

Am 23. Oktober hat die Stadt Pfaffenhofen erstmals die neuen Bürgerentscheide mit automatisch zugesandten Abstimmungsunterlagen erprobt. Rein logistisch hat sich das Verfahren bewährt (siehe Kasten). Und die Kommunalpolitik muss aus dieser bestandenen Feuertaufe nun ihre Schlüsse ziehen. "Bürgerentscheide sind die höchste Form der verbindlichen Bürger-Mitgestaltung", sagt etwa SPD-Fraktionssprecher Markus Käser. Zwar werde dabei auch mal emotional und kontrovers diskutiert: "Aber jede Auseinandersetzung mit der jeweiligen Fragestellung fördert auch Wissen und Bewusstsein über Themen, die uns alle angehen", betont Käser. Bürgerentscheide sollten anberaumt werden "bei grundsätzlichen und weitreichenden Entscheidungen, die wirklich alle Bürgerinnen und Bürger auf lange Zeit betreffen", fordert Käser - und nimmt dabei auch die Landkreispolitik nicht aus: "Sollte der Kreistag beispielsweise unser Krankenhaus privatisieren oder verkaufen wollen, würden wir sofort ein Bürgerbegehren dagegen starten."

Aus Sicht der Grünen berichtet Dritter Bürgermeister Roland Dörfler von positiver Resonanz seitens der Bürger. "Und bei schwergewichtigen Themen mit großem öffentlichen Interesse könnten wir uns vorstellen, dass sie auch in Zukunft direkt mitbestimmen dürfen." Es gebe aber Themen, die ausgenommen bleiben müssten - zum Beispiel zu kommunalen Pflichtaufgaben oder Haushaltsfragen. "Da muss der Stadtrat als Gremium selbst entscheiden", unterstreicht Dörfler. Gleiches gelte bei Themen, die Populisten ein Forum bieten würden.

Ähnlich äußern sich die Freien Wähler: Bürgerentscheide seien ein Instrument, das man anwenden könne, aber nicht müsse, sagt Fraktionssprecher Peter Heinzlmair. "Man sollte es nicht überstrapazieren, aber es bietet sich bei bestimmten Themen an." Einen Seitenhieb auf die CSU kann er sich mit Blick auf die Windkraftabstimmung nicht verkneifen: "Man darf den Bürgerentscheid als Instrument nicht generell infrage stellen, nur weil einem das Ergebnis nicht passt", sagt Heinzlmair.

Die CSU hat nämlich die größten Bedenken unter den Fraktionen: "Der Bürgerentscheid, insbesondere das Ratsbegehren, sollten immer das letzte Mittel bleiben", mahnt Fraktionssprecher Martin Rohrmann. "Das Miteinander in einer Gemeinde und das Ringen um die beste Lösung werden bei einem Bürgerentscheid auf eine harte Probe gestellt", sagt er mit Blick auf die stürmische Windkraftdebatte. Im Einzelfall könne der Weg der direkten Demokratie zwar der richtige sein. "Durch inflationäre Häufigkeit von Bürgerbefragungen darf das Instrument an sich aber nicht ausgehöhlt werden", warnt Rohrmann. Auch dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass unbequeme Entscheidungen an die Bürger weitergereicht würden und sich der Stadtrat aus der Verantwortung stehle. Es sei das Wesen der repräsentativen Demokratie, dass die Ratsmitglieder sowohl das Recht als auch die Pflicht hätten, die ihnen übertragenen Kompetenzen auszuschöpfen. "Das gilt insbesondere in Fragestellungen, die dem übergeordneten Gemeinwesen dienen."

Die Meinungen gehen auseinander - und es gibt auch in der bunten Koalition kritische Stimmen: "Bürgerentscheide sind grundsätzlich zu begrüßen, weil sie mehr Beteiligung bedeuten und der Politikverdrossenheit entgegenwirken", sagt der ÖDP-Fraktionssprecher Reinhard Haiplik. "Sie dürfen aber nicht inflationär angewandt werden." Das richtige Maß sei ein schwieriger Balanceakt, der nicht immer leicht sei. Einerseits sei es richtig, die Menschen bei Themen, die sie unmittelbar betreffen, zu befragen. Andererseits dürfe der Stadtrat nicht bei jeder unbequemen oder unpopulären Entscheidung die Verantwortung abgeben. "Wir sind schließlich Mandatsträger, haben also vom Bürger den Auftrag und das Vertrauen, in seinem Namen zu handeln", stellt Haiplik klar. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass der Windkraftentscheid Unfrieden gesät habe. "Das Thema hat sich hochgeschaukelt bis hin zu persönlichen Beleidigungen, Verleumdungen und eidesstattlichen Erklärungen", sagt Haiplik. "Deshalb aber Bürgerentscheide grundsätzlich infrage zu stellen, ginge zu weit."

Auch FDP-Stadtrat Franz Niedermayr ist zwiegespalten: Sicher, man könne Bürger befragen, wenn es um etwas wirklich Grundsätzliches geht, dürfe es aber nicht überziehen. "Sonst würde man die demokratischen Prozesse aushebeln", warnt er. Aufgabe der Mandatsträger sei es nun einmal, sich intensiv mit Themen auseinanderzusetzen, um langfristig tragfähige Entscheidungen zu treffen.

Die extreme Gegenposition dazu vertritt Manfred "Mensch" Mayer von der Wählergruppe "Gemeinsam für Gemeinwohl" (GfG), der sich sogar regelmäßige Abstimmungen vorstellen kann. "Man müsste aber verbindliche Verfahren entwickeln, wann, wie und warum man Bürgerentscheide abhält", sagt er. Wichtig sei ein differenzierteres Meinungsbild als Ergebnis. "Was mich stört, sind diese Hopp-oder-Topp-Entscheidungen wie, Windkraft ja oder nein €˜", kritisiert Mayer. Es brauche Antwortmöglichkeiten für Zwischenbereiche, damit ein Konsens gefunden werden könne und es am Ende nicht nur Sieger oder Verlierer gebe. Man hätte zum Beispiel die maximal vorstellbare Anzahl von Windrädern zur Wahl stellen können. Wichtig sei dabei auch die umfassende Informationsgrundlage: "Die Leute müssen die Zusammenhänge und Konsequenzen kennen". Dann seien Bürgerentscheide ein konsequenter Schritt auf dem Weg der zunehmenden Bürgerbeteiligung, die bisher relativ willkürlich gewesen sei - weil zum Beispiel eingeholte Meinungsbilder bei städtischen Informationsabenden zufällig seien. Das gelte nicht nur für die Stadt: "Ein Negativbeispiel war zum Beispiel die Befragung zur Landratsamtsfassade", erinnert Mayer. Damals habe eine "Zufallsmehrheit gegen das öffentliche Meinungsbild entschieden" und die Bürgerbeteiligung sei zur Farce verkommen.