Pfaffenhofen
Volle Hütte und volles Programm

Künstlerwerkstatt feiert Bilderbuchstart in die Herbstsaison Jede Menge Experimente

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

Den Hauptakt des Auftakt-Abends für die Herbstsaison bildeten Daniel Erdmann (Reeds), Samuel Rohrer (Drums), Frank Möbus (Gitarre) und Vincent Courtois (Cello). Das schweizerisch-französisch-deutsche Quartett bot sein preisgekröntes Werk "ten songs about real utopia" dar. Die Eichstätter Künstlerin Tanja Dirsch zeigt noch bis Ende des Jahres ihre Werke (rechts) in der Künstlerwerkstatt. - Fotos: Ebertshäuser

Pfaffenhofen (PK) Einen Bilderbuchstart in ihre Herbstsaison feierte am Samstag die Künstlerwerkstatt. Eine Vernissage, Hip Hop und natürlich Jazz lockten ein bunt gemischtes Publikum auf das Gelände gegenüber dem Bahnhof und ließen die Jazzschreinerei beim Auftakt mit dem Quartett um Schlagzeuger Samuel Rohrer und Saxofonist Daniel Erdmann aus allen Nähten platzen.

Der Bayerische Rundfunk schnitt das Konzert live mit.

Dabei spielte den ehrenamtlichen Organisatoren nicht nur das spätsommerlich laue Wetter in die Karten. Einmal mehr bewiesen sie auch Mut und Geschick bei der Programmauswahl, denn: Mit ganz "unjazzigen" Klängen machte der Pfaffenhofener Rapper und Beats-Bastler Rex Baraber an diesem Abend den Anfang, und das furios. Das wohl heißeste Eisen der jungen Holledauer Underground-Szene zog den Zuschauerraum mit sarkastisch scharfen, gesellschaftskritischen, aber humorigen Texten in den Bann. Dass am Ende neben dem jugendlichen Hip-Hopper auch der nickelbebrillte Jazzliebhaber genüsslich den Refrain "Hexen! Spuk! Schwarze Magie!" mitsang, sprach nicht nur für Barabers Voodoo-Künste und dafür, dass - wie er selbst sagt - "jede Szene zu klein für mich ist". Es sprach auch für die Offenheit des Pfaffenhofener Jazz-Publikums und das Gespür der Künstlerwerkstatt dafür, Hörgewohnheiten und Horizonte zu durchbrechen. Anschließend kam bei der Vernissage der Eichstätter Künstlerin Tanja Dirsch auch das Auge auf seine Kosten. Ihre Werke - zumeist Acryl auf Leinwand, aber etwa auch eines aus Holz und zerplatzten Wasserbomben - sind noch bis Ende des Jahres zu sehen und befassen sich mit den Themen Trauer und Leid als kaum greifbarer Erfahrung und dem uneindeutigen Menschen.

Den Hauptakt des Abends bildeten dann Daniel Erdmann (Reeds), Samuel Rohrer (Drums), Frank Möbus (Gitarre) und Vincent Courtois (Cello). Das schweizerisch-französisch-deutsche Quartett bot sein preisgekröntes drittes Werk "ten songs about real utopia" dar, ein Konzeptalbum, das Utopien aus Architektur und Kunst als Inspirationsquellen nutzt und in fesselnde Kompositionen umsetzt.

Während man Musikern in der Vergangenheit manchmal eine gewisse Anspannung oder Vorsicht anhören konnte, wenn der BR für seine Sendung "Jazz auf Reisen" auf Bayern 4 Klassik live in der Werkstatt mitschnitt, war davon dieses Mal nichts zu spüren. Versunken in die eigenen Klangwelten umspannten die vier Ausnahmeinstrumentalisten den Raum mit ihrer Musik wie mit einem pulsierenden Netz. Die Kommunikation und Energie zwischen den Musikern war dabei hochdynamisch, aufmerksam und offen und ließ den Funken merklich aufs Publikum überspringen.

Die perkussiven, minimalistischen Pattern von Gitarre, Saxofon und Schlagzeug erzeugten zusammen mit Courtois €˜ Cello, das er virtuos wahlweise wie Jimi Hendrix, einen Dudelsack, einen Kontrabass oder eben wie ein Cello klingen ließ, einen spektakulären Gesamtsound, der zwischen Jazz, Grunge und Kammermusik oszillierte und Assoziationen vom hektischen Stimmenwirrwarr eines orientalischen Basars bis hin zur einstimmigen Brachialität einer Feuerwehrsirene zuließ.

Ungewohnte Klänge, uneindeutige Bilder und das alles in einer unorthodoxen Kombination - Nach diesem abwechslungsreichen Abend war die einhellige Meinung unter den Besuchern auf jeden Fall "Experiment geglückt". Dieser Saisonstart der Künstlerwerkstatt hinterlässt Vorfreude auf ein spannendes Herbstprogramm, das am 14. Oktober mit dem Holger Scheidt Quartett seine Fortsetzung findet.