Pfaffenhofen
"Unerträglich"

Jeden Tag verhungern 24 000 Menschen, klagt Professor Radermacher an

28.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:01 Uhr

 

Pfaffenhofen (eg) Er hat es geschafft, die Zuhörer fast zwei Stunden lang in seinen Bann zu ziehen: Professor Franz Radermacher (Foto), der auf Einladung von Pro Wirtschaft einen Vortrag zum Thema „Die Zukunft sichern – Herausforderungen für Unternehmen, Wirtschaft, Politik, öffentliche Institutionen und Gesellschaft“ präsentierte.

Der bekannte Ökonom und Informatiker sprach frei und würzte seinen Vortrag in der Kulturhalle mit anschaulichen Beispielen und einer guten Prise Humor.

Viel Lokalprominenz konnte der Vorsitzende von Pro Wirtschaft, Franz Böhm, begrüßen, darunter den stellvertretenden Landrat Anton Westner (CSU), einige Bürgermeister, Vertreter der Schulen und der Wirtschaft.

Radermacher erläuterte zunächst kurz die Absichten der „Global Marshall-Plan-Initiative“, die auf den früheren US-Vizepräsidenten Al Gore zurückgeht, „eine Hoffnung für die Welt, weil seine Orientierung für die Welt stimmt“. Als einer der wenigen US-Politiker setze sich Gore für Umweltschutz im Zusammenhang mit der Überwindung der Armut ein.

Mit Nachhaltigkeit beschäftige sich, so der Referent, heute fast jeder, zum Beispiel durch Umweltbildung in den Schulen oder den Einsatz für Projekte in der Dritten Welt. Man müsse sich aber um Umwelt, Ökonomie und Soziales gleichzeitig bemühen, um Erfolg zu haben, nicht nur um einen dieser Bereiche.

Auch in der Zukunft, erklärte Radermacher, werde die Menschheit nicht aussterben und nicht ins Mittelalter zurückgeworfen. Die Zahl der Menschen sei von drei Milliarden vor 40 Jahren nun auf sieben Milliarden gestiegen. Die Frage sei nun: „Auf welchem Niveau bewegen wir uns in Zukunft“ In Deutschland sei das Niveau sehr hoch, und doch seien Menschen in Entwicklungsländern oft glücklicher, weil bei uns die Sorge da ist, „ob wir dieses Niveau halten können“. Natürlich müsse es materielle Voraussetzungen geben, zum Beispiel ausreichende Ernährung. Es sei unerträglich, dass täglich 24 000 Menschen verhungern, obwohl „wir heute 13 Milliarden Menschen mit der produzierten Nahrung versorgen könnten“. Und: „Die Kaufkraft der reichen Länder ist so groß, dass sie den Ärmsten die Nahrung vom Teller kaufen.“

Es gebe zwei Möglichkeiten für die Lösung dieser Probleme, fuhr der Referent fort: Es geht den meisten Menschen schlechter: „95 Prozent essen kein Steak mehr, fahren nicht mehr Auto und heizen nicht mehr mit Öl.“ Dies würde auch die Umweltprobleme lösen und werde von manchen als Fortschritt verkauft. Die andere Möglichkeit sei, die Umweltanforderungen global zu lösen. Ein Schritt dazu sei, dass „die Einkommensverteilung so sein muss, dass die Würde des Menschen gewahrt wird“.

Weiter gelte es Bäume zu pflanzen: „Im Süden sind 500 Millionen bis eine Milliarde Hektar – das ist die Fläche Europas bis zum Ural – zum Aufforsten geeignet.“ Ferner gebe es genug „schlecht gemanagte Grasflächen“; bei deren Ausnutzung könne man Rinder nur auf der Weide mit Gras ernähren, wodurch von den Tieren Humus gebildet werde, der sehr viel Kohlendioxid binde. Nach Meinung des Club of Rome gebe es genug Möglichkeiten, die Fleischproduktion, die Ernährung und den Schutz der Umwelt zu verknüpfen. „Große Veränderungen in der Welt passieren immer über Ideen“, hob Radermacher hervor, doch Ideen könnten auch manipuliert werden. Daher müsse man ein „internationales Regelwerk“ finden, das für alle gelte.