Pfaffenhofen
Ums Haar geschoren worden

Ungewöhnlicher Racheakt bringt Geschwister vor Gericht – Geldstrafen verhängt

26.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Pfaffenhofen (em) „Ein Mann kann doch nicht mehr auf die Straße gehen, wenn eine Frau ihn geschoren hat!“ Schon allein bei dem Gedanken daran, was ihm vor rund einem Jahr beinahe widerfahren wäre, muss sich der Zeuge vor Richter Jochen Metz im Amtsgericht Pfaffenhofen fast schütteln. Damals kam der ursprünglich aus dem arabischen Raum stammende, aber schon seit 20 Jahren in Deutschland lebende Ali B. (Namen von der Redaktion geändert) nur mit Mühe davon – ungeschoren und mit vollem Haupthaar.

Angeklagt waren die 31-jährige Basima N. und ihr 27-jähriger Bruder Abbas Y., die beide aus Homs in Syrien stammen und vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen sind. „Wir sind sieben Tage übers Meer gefahren, um meine beiden Kinder in Sicherheit zu bringen“, übersetzte eine Dolmetscherin die Aussage von Basima. Sie begannen gerade sich hier in Deutschland einzuleben, als Basima erfuhr, dass Ali B. seiner Frau gegenüber gesagt haben soll, dass die jetzt Angeklagte „ein Flittchen und eine Hure“ sei. Das wollte die 31-Jährige keinesfalls auf sich sitzen lassen. Zusammen mit ihrem Bruder heckte sie einen Plan aus: Ali B. sollte zur Strafe für seine ehrabschneiderische Äußerung kahl rasiert werden. Sie lockten ihn unter einem Vorwand in ihre Wohnung. Angeblich sei der Backofen kaputt, Ali B. solle doch mal nachschauen. Kaum war er im Haus, verschloss Abbas Y. die Türe und steckte den Schlüssel in die Hosentasche. Dann gab es einen Wortwechsel wegen dieser aus arabischer Sicht zutiefst beleidigenden Behauptung, eine kleine Rangelei schloss sich an.

Schließlich hatte Ali B. genug: „Ich wollte nur noch raus aus diesem Haus.“ Doch das ging nicht, die Türe war fest verschlossen, auch Fußtritte halfen da nicht. Plötzlich packte Abbas Y. das schulterlange Haar von Ali B. und hielt dessen Kopf fest. Gleichzeitig näherte sich seine Schwester mit schon angeschaltetem Haarschneider. Ali B. wehrte sich mit einem Arm gegen den Zwangshaarschnitt und kam dabei an die rotierenden Messer, das Blut lief den Arm hinunter. Doch die ersten kleinen Haarbüschel rieselten auch schon auf den Fußboden, als ein Hausmitbewohner und dessen Lebensgefährtin eingriffen. Sie trennten die Kontrahenten und riefen die Polizei.

Bei den beiden Angeklagten flossen während der Gerichtsverhandlung immer wieder die Tränen. Schließlich hatte es die Anklage auch in sich: Sie lautete auf Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährliche vorsätzliche Körperverletzung.

Eine Kommunalpolitikerin, die sich in der Gemeinde im nördlichen Landkreis, in der sich die ganze Affäre abspielte, um Asylbewerber kümmert, schaltete sich in die Verhandlung ein. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Freiheitsberaubung verwies sie darauf, dass die Türe in dem alten Haus nicht richtig schließe und daher eigentlich immer der Schlüssel umgedreht werden müsse. Doch diese Hilfestellung brachte den beiden Angeklagten nicht viel. Die Belastungen durch die Zeugen waren eindeutig, denn die Aussage des Geschädigten deckte sich inhaltlich mit den Äußerungen der beiden anderen Hausbewohner.

Beim letzten Wort der Angeklagten Basima N. vor der Urteilsverkündigung betonte sie noch einmal, dass sie durch die Behauptungen von Ali B. schwer in ihrem Stolz getroffen worden sei.

Vor dem Urteil stellte Richter Metz ausdrücklich fest, dass der in der Anklage vermerkte Begriff der gefährlichen Körperverletzung durch den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung ersetzt werden könnte. Dies habe durchaus Einfluss auf die Höhe der zu erwartenden Strafe. So kam es dann auch. Statt der von der Staatsanwältin beantragen Haftstrafen von jeweils sieben Monaten sprach sich der Amtsrichter für Geldstrafen aus. Beide wurden zu jeweils 50 Tagessätzen verurteilt, Basima N. erhielt eine Tagessatzhöhe von 20 Euro, ihr Bruder von zehn Euro. Sie muss also 1000 Euro zahlen, er 500. Der Richter wies die beiden Verurteilten noch darauf hin, dass sie dieses Geld nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft auch abarbeiten können. Denn bei arbeitslosen geduldeten Flüchtlingen ist das Geld bekanntlich mehr als knapp.