Pfaffenhofen
"Trotz Parkinson aktiv bleiben"

Aktionstag an der Ilmtalklinik: Lilo Hammann erzählt, wie sie mit der Schüttellähmung umgeht

10.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:34 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Am Anfang war es nur ein leichtes Zittern, kurz darauf ließ es sich schon nicht mehr kaschieren. Ein Arztbesuch vor neun Jahren brachte Lilo Hammann kurz darauf Gewissheit: Es ist Parkinson. Mit nur 45 Jahren. Ans Aufgeben hat die sportliche Frau, die auf einem Einödhof bei Jetzendorf lebt, nie gedacht. Auch nicht in Momenten, die sie ärgern. Zum Beispiel war sie wegen einer Knieoperation kürzlich auf Reha. „Als die gelesen haben, dass ich Parkinson habe, haben sie mich gleich in die Geriatrie gelegt. Das habe ich einen Hammer gefunden.“ Sie setzt sich dafür ein, dass Parkinson-Kranke sich nicht aufgeben. In Zusammenarbeit mit dem Pfaffenhofener Lions Club hat Hammann einen Aktionstag in der Pfaffenhofener Ilmtalklinik organisiert. Los geht es morgen um 11 Uhr in der ehemaligen Eingangshalle. Im Gespräch mit PK-Redakteur Severin Straßer erzählt sie, wie sie mit der Schüttellähmung umgeht.

Wie haben Sie sich gefühlt, als sie die Diagnose Parkinson bekommen haben?

Lilo Hammann: Ich habe mich vorher sehr schlecht gefühlt, weil ich immer gedacht habe, es könnte auch vom Stress kommen. Es war eine Flucht. Die Diagnose war dann eine Erleichterung, da habe ich dann gewusst, was Sache ist und wo ich angreifen kann.

Was kann man denn machen, wenn man Bescheid weiß?

Hammann: Ich habe den großen Vorteil gehabt, dass ich schon immer sehr viel Sport gemacht habe und von der Koordination her sehr gut bin. Da habe ich mir gedacht: Diesen Vorteil muss ich nutzen. Das habe ich auch gemacht.

Welche Sportarten betreiben Sie aktiv?

Hammann: Momentan ein bisschen weniger, weil ich am Knie operiert worden bin. Ansonsten vor allem Klettern, da bin ich auch Trainerin in Kletterhallen in München und Pfaffenhofen. Radlfahren, und Schwimmen gehe ich auch.

Das geht alles? Vor allem Klettern verbinden wohl die wenigsten mit Parkinson.

Hammann: Wenn ich jetzt nicht Parkinson hätte, würde ich wohl schwierigere Routen gehen können. Aber so habe ich wenigstens gleich eine Ausrede, wenn ich was nicht schaffe.

Man sieht Ihnen ja die Krankheit auf den ersten Blick nicht an. Welche Ausfallerscheinungen haben Sie?

Hammann: Viele Betroffene verlieren die Bewegung total oder können schlecht losgehen. Manche zittern, manche werden steif. Bei mir wird die Mimik langsam schlechter, das kennen viele vielleicht von Muhammad Ali. Das merke ich auch bei mir. Aber manche Sachen muss man einfach hinnehmen.

Was waren die bei Ihnen die ersten Symptome?

Hammann: Das weiß ich noch ganz genau. Wir wollten an den Tegernsee zum Radlfahren. Auf dem Hinweg musste ich mit dem Auto an einer roten Ampel stehen bleiben. Als ich den ersten Gang einlegen wollte, habe ich gemerkt, dass die Hand zittert. Da habe ich mir noch gedacht: Was ist denn das jetzt? Es hat aber wieder aufgehört, es ist wieder weggegangen.

Wie ist es dann weitergegangen?

Hammann: Es ist immer mehr geworden mit dem Zittern. Irgendwann hat es dann auch nicht mehr aufgehört. Manchmal ist auch meine Stimme weg. Das sind so Baustellen, an denen man arbeiten muss.

Parkinson-Kranke erfinden oft Ausreden, um die Krankheit runterzuspielen. Welche waren das bei Ihnen?

Hammann: Stress in erster Linie. Im Urlaub habe ich mir gedacht, es ist halt noch vom Stress, ich muss mich noch erholen. Wir waren viel beim Tauchen, unter Wasser war das Zittern besonders schlimm.

Wann sind sie schließlich zum Arzt gegangen?

Hammann: Ein Jahr später. Ich habe einen Neurologen ausgesucht, der keine Psychologie dabei hat. Ich bin dann im Wartezimmer gesessen und habe mir gedacht, dass ich da nicht hingehöre. Dann bin ich rein und habe ihm irgendwas von Stress erzählt. Er hat gesagt: Machens Yoga. Und dann bin ich wieder gegangen. Ich habe meinen Mann angerufen und gesagt: Es ist alles in Ordnung.

Das war’s?

Hammann: Die Beschwerden sind natürlich nicht weggegangen. Zwei Monate später bin ich dann wieder zum Arzt. Nach der Untersuchung hat er dann gesagt, er glaubt, dass es Parkinson ist.

Sie waren bei der Diagnose Mitte 40. Ist das ungewöhnlich jung?

Hammann: Es ist schon jung. Das „normale“ Alter ist 70 plus, es gibt aber auch Unter-30-Jährige mit Parkinson.

Wie sind Sie schließlich dazu gekommen, sich für andere Parkinson-Kranke zu engagieren?

Hammann: Mich hat eine Frau aus Allach angeschrieben, ob wir uns nicht mal treffen wollen. Zwei Wochen später haben wir beschlossen: Wir gründen ein eigene Selbsthilfegruppe. Den Münchner Treff für jüngere Parkis.

Was machen Sie für andere Betroffene?

Hammann: Es gibt wenig für jüngere Parkinsonpatienten. Deshalb machen wir einmal im Monat einen Stammtisch. Die Jungen haben einfach andere Probleme als die Älteren. Da geht es darum, wie es im Job weitergeht, bei manchen sogar auch noch um die Kindererziehung.

Wie ist es zum Parkinson-Aktionstag in Pfaffenhofen gekommen?

Hammann: Wir haben am Klinikum Rechts der Isar schon einmal einen ähnlichen Aktionstag gemacht. Da sind so viele Leute gekommen, dass es kaum noch Plätze gegeben hat. Das war Wahnsinn. Dazu es auch in Pfaffenhofen zu machen, bin ich über den Lions Club gekommen. Die haben mich unterstützt, als ich einen Trainerschein für Rehasport gemacht habe und ich bin mit Professor Lange (Vorsitzender des Lions Club und Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Ilmtalklinik; Anm. d. Red.) ins Gespräch gekommen. So sind wir auf die Idee gekommen.

Was erwarten Sie sich von dem Aktionstag in Pfaffenhofen?

Hammann: Wir wollen den Leuten vor allem vermitteln, dass sie auch trotz Parkinson aktiv bleiben und sich nicht nur Tabletten einschmeißen. Mit gezielter Bewegung kann man sehr viel erreichen. Darum geht es in erster Linie.

Welche Sportarten kommen für Parkinsonkranke infrage?

Hammann: Ich bin der Meinung, man muss etwas finden, was einem Spaß macht. Früher hat man gesagt: Macht Gerätetraining. Aber wenn einem das keinen Spaß macht, hat es wenig Sinn.

Was würden Sie jemandem raten, der in einem ähnlichen Alter wie sie damals an Parkinson erkrankt?

Hammann: Schau, dass Du deinen Körper in Schwung hältst. Wir haben an unserem Stammtisch ein Motto, ein Zitat von Bertolt Brecht: „Wer kämpft, kann verlieren – wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Und genau das ist es eigentlich. Kleine Verluste muss man hinnehmen, aber kleine Siege kann man auch erringen.