Pfaffenhofen
Statt vernichten lieber aufessen

Wissenswertes über den Giersch und andere Heilpflanzen Kräuterwanderung mit Roland Andre

25.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Üppig sprießt der Baldrian mit seinen leicht rosa Blüten auf einer Feuchtwiese bei den Scheyerer Klosterweihern, wo Roland Andre mit den Teilnehmern seiner Heilkräuterwanderung unterwegs ist. - Fotos: W. Hailer

Pfaffenhofen (PK) Hobbygärtnern graut vor ihm und wenn er auftaucht, wird er mit Unkrautvernichtern bekämpft. Roland Andre dagegen lobt das üppig wuchernde Kraut in höchsten Tönen: "Der Giersch ist eine unserer wertvollsten Heilpflanzen, anstatt ihn auszurotten, sollte man ihn lieber aufessen", sagt er.

Der Pfaffenhofener Apotheker befasst sich sich seit 28 Jahren intensiv mit der Naturheilkunde und den Lehren der heiligen Hildegard. Gerne gibt er sein Wissen auch an Interessierte weiter, zum Beispiel bei einer Heilkräuterwanderung, zu der sich an diesem sonnigen Spätnachmittag etwa 30 Teilnehmer jeden Alters, überwiegend Damen, am Scheyerer Benediktusweg getroffen haben.

Einen 40 Zentimeter langen Giersch-Stängel mit weißer Blütendolde hat Andre am Waldrand nahe der Klosterweiher abgepflückt und an die Gruppe weitergereicht, damit alle daran riechen und ein Stückchen vom Blatt im Mund kauen können. "Schmeckt interessant - angenehm würzig", findet eine jüngere Teilnehmerin, die vom Giersch als Heilkraut zwar schon einmal gelesen, ihn aber noch nie probiert hatte.

Wie die Pflanze wirkt, erläutert Roland Andre: "Sie hilft dem Körper besonders gut, die Harnsäure abzubauen - was sehr wichtig ist, weil die meisten Menschen heutzutage durch zu hohen Fleischkonsum und Chemikalien übersäuert sind", erklärt Andre. Schon seit altersher ist Giersch in der Volksheilkunde ein sehr geschätztes Mittel, um Gicht und Rheuma zu behandeln. Außerdem fördert er den Stoffwechsel und hilft gegen Blasenentzündungen, Durchfall und Ischias. In der Küche ist er vielseitig verwendbar: Die jungen Blätter isst man als Suppeneinlage, als Salat oder gedünstetes Gemüse und auch ein gesunder Tee lässt sich aus den Blättern und Blüten brühen.

Beim Sammeln der Pflanze ist allerdings Vorsicht geboten: Man kann den Giersch auch mit giftigen weißen Dolden-Blütlern wie Schierling, Kälberkropf oder Hundspetersilie verwechseln, warnt Andre. "Das sicherste Erkennungsmerkmal des Giersch sind seine Blätter, die immer in Dreiergruppen an den Stielen angeordnet sind", erläutert der Apotheker.

Um beim Kräutersammeln in der Natur vor Verwechslungen gefeit zu sein, empfiehlt Roland Andre den neuen botanischen Wegbegleiter, den Hermann Kaplan, langjähriger Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz und ehemaliger Biologielehrer am Schyren-Gymnasium soeben als Buch veröffentlicht hat (PK berichtete). 420 verschiedene Pflanzarten entlang des Benediktusweges werden in dem Buch mit Fotos und Angaben zum jeweiligen Standort exakt beschrieben.

So ist es für Roland Andre und seine Gruppe an diesem Nachmittag auch kein Problem, die Fundstellen mehrerer Dutzend Kräuter aufzuspüren. Die Gegend um die Klosterweiher und den Scheyerer Forst beherbergt laut Andre die ergiebigsten Vorkommen an Wildkräutern in der ganzen Hallertau, sowohl was die Artenvielfalt aber auch die Menge und Größe betrifft. "Wenn in einem botanischen Führer steht, dass eine Pflanzenart bis zu 60 Zentimeter hoch wächst, dann findet man in Scheyern bestimmt Exemplare mit über einem Meter", erzählt Andre.

Ein Hinweis auf magische Kräfte, die man der Gegend um den Scheyerer Klosterberg nachsagt? Roland Andre will es nicht ausschließen. Kraftfelder mit erhöhtem Magnetismus und natürlichen radioaktiven Strahlungen durch Verwerfungen in der Erdkruste könnten der Grund sein, dass Stauden und Bäume, wie zum Beispiel eine mindestens 400 Jahre alte Buche am südöstlichen Waldrand des Scheyerer Forstes, größer und kräftiger gedeihen, als ihre Artgenossen ganz in der Nähe. Eine dieser magischen Kraft-Linien soll vom Kloster Scheyern über Ilmmünster bis zur Wallfahrtskirche Herrnrast verlaufen. Mystik, Volksglaube, der Jahrhunderte lang überlieferte Erfahrungsschatz unserer Vorfahren aber auch die Erkenntnisse der modernen Medizin kommen immer wieder zur Sprache, wenn Andre auf der sechs Kilometer langen Runde am Benediktusweg gleichermaßen informativ wie unterhaltsam Fakten und Geschichten zu den verschiedenen Heilkräuter erläutert. Wertvolle Tipps gibt er dabei auch zur richtigen Anwendung und Verarbeitung der Kräuter als Tee sowie für Umschläge, Salben und Tinkturen.

Zu den Klassikern auf der dreieinhalbstündigen Heilkräuter-Exkursion gehören der Baldrian, das wohl meist verbreitete Beruhigungs- und Schlafmittel, das Johanniskraut als besonders wirksames Naturheilmittel gegen Depressionen, die Lindenblüten gegen Erkältung und Fieber oder auch der Beifuß, der mit seinen Bitterstoffen den Fettabbau fördert und in Großmutters Küche als Gewürz in keinem Gänse- oder Entenbraten fehlen durfte. Nicht zu vergessen die Schafgarbe, die neben ihrer antibakteriellen auch über blutstillende Wirkung verfügt.

Manch interessante Geschichten weiß Andre auch über viele weniger bekannte Heilkräuter zu berichten, zum Beispiel die unscheinbare Nelkenwurz, mit der man früher Bier würzte und einen kraftspendenden Tee zubereitete. Allerdings durfte man diesen, wie die heilige Hildegard mahnte, nicht zu lange ziehen lassen, weil er sonst die "fleischliche Lust" wecken könne. Auch dem Kalmus, einer an Gewässerrändern wachsenden schilfähnlichen Pflanze, werden neben heilender Wirkung auf Magen und Darm Potenz steigernde Kräfte zugeschrieben. Und schon so mancher Raucher soll durch das Kauen der leicht betäubend wirkenden Kalmus-Blätter vom Glimmstengel losgekommen sein.