Pfaffenhofen
Schnappatmung an der Schauspielschule

PK TRIFFT die Künstlerin Christina Schäfer: "Einfach einmal ankommen"

17.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:47 Uhr

Foto: Hans Steininger

Pfaffenhofen (PK) Es waren Stars wie Zarah Leander und die großen Showtreppen in den alten UFA-Filmen, die auf Christina Schäfer im Kindesalter eine große Faszination ausgeübt haben. Aus dem kleinen Mädchen ist eine ernsthafte Künstlerin und Bürgerin von Pfaffenhofen geworden.

Damals, als jeweils am Freitagnachmittag die alten Musikfilme in schwarz-weiß über den Bildschirm flimmerten, saß die kleine Christina wie gebannt vor dem Fernsehgerät und fühlte sich in eine Welt versetzt, die sie „unglaublich beeindruckte“. Später waren es die bunten, amerikanischen Musicals der 50er Jahre aus der Traumfabrik Hollywood wie Gene Kellys „Singin’ In The Rain“, die sie nachhaltig prägten. Christina und ihre Eltern wohnten damals in Bayreuth, das jeden Sommer im Zeichen der Festspiele steht. Da kennt man auch Leute, die auf dem Grünen Hügel zu tun haben, und so leistete sie ihren ersten Ferienjob als Chor-Garderobiere und erlebte die Stars der Oper hautnah bei den Proben oder in der Künstlerkantine. Wagners „Meistersinger“ waren ihre erste Erfahrung als Opernbesucherin, und die Liebe zu diesem Komponisten hält bis heute an. Diese Faszination der Bühnenwelt setzte sich fort in ersten Rollen an Schul- und Amateurtheatern, die sie in ihrer Absicht bestärkten, „es mit dem Schauspiel zu probieren“. Erst nach dem Abitur aber, denn Christina Schäfer macht lieber alles mit doppeltem Boden und hatte bereits einen „Plan B“ in petto: Journalismus mit einem Studienplatz für Politikwissenschaften und Geschichte in Konstanz.

Der „Plan A“ aber begann mit der „Ochsentour“ des Vorsprechens an sämtlichen großen Schauspielschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Rund 800 Leute bewerben sich jährlich an einer Schauspielschule, genommen werden maximal zehn Bewerber – und wenn man zum Kreis der Erlauchten gehört, nimmt man jeden Studienplatz an. In ihrem Fall war das die heutige Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz. Die Grundausbildung im ersten Jahr umfasste Gruppenunterrichte und viele Improvisationen zu vorgegebenen Themen unter den kritischen Augen ihres Professors Jürgen Goslar, selbst profilierter Film- und TV-Darsteller sowie Regisseur, oder vor dem vor zwei Jahren verstorbenen TV-Star Dieter Pfaff.

„Schauspielausbildung ist wie eine Therapie. Man ist sein eigenes Werkzeug, das man erst kennenlernen muss, mit seinen positiven wie auch negativen Seiten, die man für die Rollen benutzen lernt“, betont die Künstlerin. „Das erste Jahr Schauspielschule ist hoch emotional, ein permanentes Auf und Ab, man wird ständig kritisiert und die Persönlichkeit wird infrage gestellt. Da bekommt man schon mal Schnappatmung“, nimmt Christina diese Ausbildungsphase mit Humor. Neben praktischen Fächern wie Rollenstudium, Sprech- und Stimmbildung, musikalische Rollengestaltung, Bühnenfechten, Filmworkshops, Tanz und Akrobatik stehen aber auch theoretischer Unterricht wie Theater- und Literaturgeschichte und Theaterrecht auf dem Stundenplan. „Da wird der Tag lang“, erinnert sich Christina Schäfer. Insgesamt vier Jahre dauerte die Ausbildung in Graz, am Ende stand ihre Abschlussarbeit mit dem Titel „Theater in Bayreuth vor Richard Wagner“.

Das klassische Anfänger-Engagement führte Christina Schäfer nach Stuttgart an das „Theater tri-bühne“. Zu dieser Zeit kannte Christina bereits ihren späteren Ehemann Dominik, den es beruflich nach Berlin verschlug, und Christina Schäfer ging mit, der Liebe wegen. Für sie bedeutete der Umzug beruflich aber „zurück auf Null“, und nach der Wende wurde die Szene überrollt von vielen Schauspielern aus den Neuen Bundesländern. Parallel wurden die Fernsehsender immer mehr, mit immer schnelleren Billig-Produktionen von Sitcoms und Daily-Soaps und das Schauspieler-Überangebot drückte auf die Gagen. Da mussten sich viele namhafte Schauspieler der zuvor verpönten Werbung zuwenden, und so fand sich auch Christina Schäfer wieder in Werbeclips für große Markenartikel im Werbefernsehen. Dann folgte die Titelrolle in 13 Folgen einer Sitcom „Alles prima, Nina“ für RTL mit Schauspielerkollegen wie Claus Wilcke („alias Percy Stuart, mein Idol aus Kindertagen“) und Harald Dietl. Die wurde zwar fertig produziert, aber nie gesendet, wegen Querelen der Produktionsfirma „Endemol“ mit RTL. „Ohne die wäre meine Karriere wohl anders verlaufen. Qualitativ aber war die Serie Trash, für den man nicht studiert hat“, stellt Christina Schäfer im Nachhinein fest.

Also besann sie sich auf früheren Gesangsunterricht und gründete mit zwei Kollegen das TheaTrio Berlin. Mit verschiedenen musikalisch-literarischen Programmen lernte sie den Reiz der kleinen Bühnen kennen, mit hautnahem Kontakt zum Publikum. Nebenbei steppte und sang sie mit den Berlin Dizzy Tappers in den nach der Wende wiederentdeckten Berliner Ballhäusern, bis ihr Sohn Melchior auf die Welt kam. „Ein echter Berliner“, betont die eloquente, 49-jährige Schauspielerin im Slang à la John F. Kennedy. Das war ihre erste Mutterrolle auf Kosten der weiteren Schauspieler-Karriere.

Im Jahr 1999 zog die Familie aus beruflichen Gründen ihres Mannes nach Pfaffenhofen, und hier ist sie, die nie lange irgendwo sesshaft war, „endlich angekommen“.

Zur Jahrtausendwende kam dann Tochter Marie auf die Welt. Die besucht derzeit das Schyren-Gymnasium in der neunten Klasse, wo Melchior gerade sein Abi gemacht hat.

Da ihr Mann als Ingenieur oft wochenlang weltweit unterwegs ist, hieß es „zu Hause bleiben, der Kinder wegen“. Da bleibt nicht viel Spielraum für die Bühne, und eine Mitwirkung in einem Theaterensemble mit Proben tagsüber und Aufführungen am Abend schließt sich von selbst aus. Trotzdem gab es immer wieder Gelegenheit, in industriellen PR-Filmen, bei Galerien oder Ausstellungseröffnungen in München Lesungen oder Rollen zu übernehmen, „wildes Zeug irgendwie, das aber Spaß macht“. Dann aber hieß es „back to the roots“, denn Christina zog es wieder auf die Bühnenbretter am „Hoftheater Bergkirchen“, nahe Dachau, „ein kleines, aber feines, professionelles Theater“. Derzeit spielt Christina in einer Zwei-Personen-Boulevardkomödie „Vier linke Hände“, ihr nächstes Projekt ist eine musikalische Revue der 20er Jahre, da ist auch ihr Gesangstalent gefragt.

Aber auch das heimische Pfaffenhofen bietet Raum für die darstellende Kunst. Zusammen mit Marie-Therese Daubner, der bekannten Cellistin aus Scheyern, präsentierte das Duo im Rathaussaal eine musikalische Lesung der Dichterin Mascha Kaléko „Und Heimat ist nur, wo mit Dir ich bin“ vor einem „unglaublich aufmerksamen Publikum, das noch zuhören kann“. Ein neues Projekt ist in Vorbereitung, aber gut Ding will Weile haben. Nebenbei singt Christine Schäfer noch Sopran im gemischten Chor der Pfaffenhofener Kreuzkirche und wurde von Beginn an „mit offenen Armen empfangen“. Sie fühlt sich nach eigener Aussage „pudelwohl“ in dieser Gemeinschaft, der viele Nachbarn aus dem Stadtteil Sulzbach angehören. Da wird es spürbar: Sie ist wirklich angekommen.