Pfaffenhofen
Politische Kermes

Während des Türkei-Referendums öffnet die Pfaffenhofener Ditib-Gemeinde ihre Türen

17.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:18 Uhr

Führungen durch die Pfaffenhofener Moschee gab es bei der Kermes am Sonntag. Fragen waren erlaubt, aber über Politik will am Tag des Referendums kaum jemand sprechen. Imam Ayhan Aydin zelebriert für die Besucher den Gebetsruf. - Foto: Paul

Pfaffenhofen (PK) Am Tag des Referendums in der Türkei findet bei der Pfaffenhofener Ditib-Gemeinde am Sonntag die Kermes statt. Dabei wurde klar: Der gläubige Teil der Gemeinde dürfte dem türkischen Präsidenten wohl zu mehr Macht verholfen haben - auch wenn viele Besucher lieber gar nicht über Politik reden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Volksentscheid über die Stärkung seiner Macht mittlerweile knapp für sich entschieden. Und darüber freuen sich, so der Eindruck bei der Kermes der Pfaffenhofener Moschee - einige Muslime in der Kreisstadt, denn die gläubigen Türken sympathisieren offenbar eher mit Erdogan und dessen Verfassungsänderung.

Die Wortverwandtschaft zur katholischen Kirmes besteht wohl nicht ohne Grund: Auch bei der muslimischen Kermes gibt es an diesem Tag gut und reichlich zu essen - am offenen Spieß dreht sich beispielsweise ein verführerisch riechendes Lamm -, ergänzt durch Musik und Unterhaltungsangebote. Und, speziell in Pfaffenhofen, auch Führungen durch das Gotteshaus.

Mevlut Kaya vom Gemeindevorstand führt mehrmals größere Gruppen durch die Moschee. Gemeinsam mit Imam Ayhan Aydin erläutert der 24-Jährige auch Details zum Ablauf eines typischen Gottesdiensts und zu den Inhalten der Gebete. Kaya ermuntert sein Publikum auch, Fragen zum Thema Islam zu stellen und mit dem Geistlichen und den Gläubigen ins Gespräch zu kommen - aber eines solle bitte unbedingt beachtet werden: "Alle Themen außer Politik."

Dabei ist an diesem Sonntagnachmittag, dem Tag der Abstimmung über die Verfassungsänderung in der Türkei, nichts so interessant wie eben die Politik, speziell die am Bosporus - was auch nicht zu übersehen ist: Im Speiseraum im Erdgeschoss läuft auf einem großen Flachbild-Fernseher an der Wand die ganze Zeit ein türkischer Nachrichtensender, die Menschen schauen angeregt zu, sogar beim Essen.

Türkisches Fernsehen, aber kein Bayerischer Rundfunk, kein ZDF oder N24 - warum nicht? "Die deutschen Medien haben doch alle nur Vorurteile gegenüber Erdogan, sie berichten nicht fair", meint, allerdings gar nicht mal unfreundlich, ein Mittzwanziger mit dunklem Pullover. Ja, er habe mit "evet", also dafür gestimmt. Zu diesem Zeitpunkt liefern sich Gegner und Befürworter des Referendum noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen, erst später wurde klar, das Erdogan knapp siegte. Neben dem Mittzwanziger sitzen zwei Mädchen, beide mit Kopftuch, und essen schweigend ihr gefülltes Brot. Was sie von der Abstimmung halten? Die beiden Mädchen schauen kurz den jungen Mann an, schütteln dann nur mit dem Kopf.

Detailliert über das Für und Wider des Referendums reden mit einem Außenstehenden, gar sich namentlich in einer deutschen Zeitung zitieren lassen - das mag keiner der befragten Anwesenden. Die Frauen schon gar nicht, und die knappen Antworten der Männer ähneln sich weitgehend: dass die Türkei und ihr Präsident in der Bundesrepublik häufig in einem schlechten Licht dargestellt würden und man hierzulande eher die Sicht seiner Gegner einnehmen würde. Spätestens nach der zweiten Frage kommt dann der freundliche, aber auch nachdrückliche Hinweis, doch lieber von den angebotenen Leckereien zu probieren oder die Moschee zu besichtigen.

Doch wie repräsentativ sind diese Menschen für die türkische Gemeinde in Pfaffenhofen? Von rund 1000 Türken und Türkischstämmigen (mit deutschem Pass) in der Kreisstadt gehören zirka 200 Personen der Ensar-Camii-Moscheegemeinde an. Und wer wiederum als Türke eher gläubig ist, der wählt nun mal bevorzugt die islamisch-konservative Regierungspartei AKP, nicht die säkulare Konkurrenz.

Obendrein wird die Moschee auch vom Dachverband der türkischen Moscheevereine in Deutschland (Ditib) betrieben, der wiederum der staatlichen türkischen Religionsbehörde (Diyanet) in Ankara untersteht. Und diese ist angesiedelt beim Amt des Ministerpräsidenten - dass es nun, nach Erdogans Sieg und der Einführung des Präsidialsystems, ja nicht mehr geben wird. In Zukunft untersteht somit auch die Religionsbehörde direkt dem Staatspräsidenten.

Salopp gesprochen: Wer nächster Imam in Pfaffenhofen wird, auch das entscheidet am Ende nun bald Recep Tayyip Erdogan.