Pfaffenhofen
Note drei für den Landkreis

Bei der Barrierefreiheit sieht der Arbeitskreis Inklusion vor allem Nachholbedarf bei Restaurants

03.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr

Welches Material ist das? Rollstuhlfahrerin Martha Dietmair aus Ilmmünster probiert aus, wie ein Blinder sich fühlt. Monika Hagn von der Caritas Pfaffenhofen gibt ihr beim Aktionstag am Hauptplatz verschiedene Materialien wie Wellpapier oder Filz in die Hand, die sie erraten muss. - Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Hohe Bordsteinkanten, fehlende Lifte oder zu niedrige Knöpfe: Diese Probleme sieht der Arbeitskreis Inklusion bei der Barrierefreiheit im Landkreis Pfaffenhofen - vor allem bei den Restaurants gebe es Nachholbedarf. Insgesamt sei der Landkreis aber auf einem guten Weg.

Für Martha Dietmair wird es immer dann problematisch, wenn sie auf die Toilette muss. Die 59-Jährige ist seit einem Unfall vor 30 Jahren querschnittsgelähmt. Doch öffentliche Toiletten gebe es im Landkreis kaum, und wenn, dann seien sie oft nicht barrierefrei. "Die Situation in den Restaurants ist schlecht", sagt Dietmair deshalb zu Landrat Martin Wolf (CSU), der gestern zur Aktion des Arbeitskreises Inklusion am Hauptplatz gekommen ist, um mit den Betroffenen zu reden. "Das ist eigentlich die Angelegenheit der Privateigentümer", erwidert er. Mit positiven Beispielen könne man jedoch die Vision, den Landkreis barrierefrei zu machen, erreichen.

Dieses Ziel hatte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schon vor drei Jahren vorgegeben, als er ankündigte, dass der Freistaat bis 2023 im gesamten öffentlichen Raum barrierefrei sein soll. Das ist auch dringend nötig, findet Herbert Limmer, der Leiter der Offenen Hilfen Regens Wagner in Pfaffenhofen. Der Anteil gehbehinderter Menschen in Oberbayern betrage etwa zehn Prozent.

Doch die meisten Punkte auf der Karte der Stadt Pfaffenhofen sind noch rot. Der Arbeitskreis Inklusion, zu dem unter anderem Sozialeinrichtungen wie Regens Wagner und die Offenen Hilfen Pfaffenhofen gehören, erarbeitete die Karte in den vergangenen Monaten zusammen mit Betroffenen bei Ortsbegehungen und präsentierte sie gestern. Hintergrund ist der Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am Donnerstag. Rot bedeutet, dass es weder Lift noch Rampe oder eine behindertengerechte Toilette in dem Gebäude gibt.

Und das ist laut Arbeitskreis Inklusion vor allem bei den Restaurants der Fall. Besonders ärgerlich findet Dietmair in diesem Zusammenhang, dass der Landkreis-Restaurantführer, in dem das Kommunalunternehmen Strukturentwicklung Landkreis Pfaffenhofen (KUS) auch die Barrierefreiheit der Gaststätten beurteilt, "zu 80 Prozent falsch ist". Sie habe selbst einige Restaurants überprüft. Beim KUS hat man so etwas bereits befürchtet, sagt Mitarbeiterin Katja Streich. "Die Restaurants haben selbst die Formulare zur Barrierefreiheit ausgefüllt." Sie will die Fehler beim nächsten Druck korrigieren.

Insgesamt findet Rollstuhlfahrerin Dietmair, "dass der Landkreis sehr bemüht ist". Das Landratsamt etwa sei ohne Probleme zu erreichen. Als positives Beispiel nennt Limmer auch die Weiherer Kreuzung in Pfaffenhofen. Hier beginnen am 9. Mai die Bauarbeiten. Bis Ende August sollen Bordsteinkanten abgesenkt sowie Rillen zur Orientierung für Blinde angebracht werden. Auch die Ampel wird erneuert, sie wird künftig piepen, sobald es grün wird.

Bei der Polizeiinspektion tut sich ebenfalls einiges: Vor Kurzem wurde das WC behindertengerecht umgebaut, jetzt steht der Bau des Liftes an. Denn momentan erreichen Rollstuhlfahrer die Wache nur über eine Klingel. "Das ist bei Notfällen schon gefährlich", so Dietmair. Ursprünglich sollte der Lift im Sommer fertig sein. Wegen der langen Lieferzeiten werde es aber nun doch Herbst, so Norbert Knoblach vom Staatlichen Bauamt Ingolstadt.

Der Pfaffenhofener Bahnhof ist schon barrierefrei. Eigentlich. Trotzdem bezeichnet ihn Limmer als "tragischen Sonderfall". 15 Minuten hat Dietmair bei ihrem Versuch vom Parkplatz zum Zug gebraucht - so lang sind die Rampen. "Wir hätten uns dringend einen Lift gewünscht", sagt sie.

Für die bessere Beurteilung will der Arbeitskreis Inklusion eigentlich eine Landkarte im Internet erstellen, in der Rollstuhlfahrer sofort erkennen können, wie barrierefrei ein Gebäude ist. Bei Landrat Wolf blitzte er allerdings mit dieser Idee ab. "Die öffentliche Hand sollte nicht anklagen", sagt er. Limmer sieht das anders. "Wir wollen nur wichtige Hinweise für Menschen im Rollstuhl geben." Er will das Projekt weiter verfolgen.