Pfaffenhofen
Nach Messerattacke vor Gericht

49-Jähriger Schauspieler soll im Rausch zugestochen haben Viele Fragen bleiben offen

26.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:14 Uhr

Pfaffenhofen/Geisenfeld (PK) Weil er nach einer durchzechten Nacht in Geisenfeld bei einem Streit zum Steakmesser griff und seinen Kontrahenten am Hals verletzte, muss sich seit gestern ein 49-jähriger Münchener wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Pfaffenhofener Amtsgericht verantworten.

Auf der Anklagebank sitzt ein gepflegter 49-Jähriger mit Jackett, Rollkragenpullover und Adelsprädikat im Nachnamen, seines Zeichens freischaffender Schauspieler und Fotomodell - und einschlägig vorbestraft. Obenrein stand er am Abend der Tat noch unter offener Bewährung. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt wirft Björn von K. (Name geändert) vor, er habe seinem Opfer Ende Juli vergangenen Jahres mit dem Messer eine zehn Zentimeter lange, aber offenbar nur oberflächliche Schnittwunde am Hals sowie eine Wunde am Handgelenk zugefügt. Das will der Angeklagte gar nicht in Abrede stellen. "Die Möglichkeit, dass es sich so zugetragen hat, wird eingeräumt", verlas Pflichtverteidiger Uwe Paschertz in einer Erklärung. Die Tat einräumen konnte der Angeklagte hingegen nicht: "Ihm fehlt schlicht und ergreifend die Erinnerung", sagte der Anwalt. Der Angeklagte war an besagtem Abend stark betrunken. Die Rede war von drei Promille Alkohol im Blut. Was genau passiert ist, sei nicht mehr zu rekonstruieren.

Das fiel in der Tatnacht auch der Polizei nicht leicht: "Es war ein Drunter und Drüber", erinnerte sich ein Polizist - auch, weil das Opfer kaum Deutsch spricht und bei dem Einsatz lange nicht klar war, was eigentlich vorgefallen war. Nach damaligen Erkenntnissen der Polizei soll sich der 49-Jährige in einer Geisenfelder Gaststätte im Armdrücken mit einem ihm bis dahin unbekannten Vohburger gemessen und dabei verloren haben. Von K. soll den 28-jährigen Sieger daraufhin in seine nahe gelegene Zweitwohnung gebeten haben, um ihm dort den vereinbarten Wetteinsatz in Höhe von zehn Euro zu übergeben. Stattdessen soll es zum Angriff mit dem Steakmesser gekommen sein.

Die Frage nach dem genauen Hergang blieb bei der gestrigen Verhandlung aber ebenso unbeantwortet wie die Frage nach dem Warum. Licht ins Dunkel bringen hätte nur der damalige Kontrahent können, der es in der Nacht ebenfalls auf gut zwei Promille brachte. Doch der Ungar und sein Bekannter, der ebenfalls als Zeuge geladen war, fehlten bei der Verhandlung unentschuldigt. Die Quittung für die beiden Zeugen sind je ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro oder drei Tage Ordnungshaft, weiter müssen sie die Kosten des ersten Verhandlungstags tragen.

Gestern hatte aber zumindest der Angeklagte noch Redebedarf - trotz Erinnerungslücken die Tatnacht betreffend: Der 49-Jährige zeigte sich geläutert, was der Verteidiger sogleich mit Fakten untermauerte: "Er hat sofort nach dem Vorfall alles unternommen, um sein Leben umzukrempeln", berichtete der Anwalt. Sein Mandant habe sich sein Alkoholproblem eingestanden und sich freiwillig in stationäre Therapie begeben. Dreieinhalb Monate verbrachte er in einer Suchtklinik in der Oberpfalz - offenbar mit Erfolg. Er stelle sich seiner Suchtvergangenheit, habe von sich aus einen Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt und 1000 Euro Schmerzensgeld bezahlt. Und mittlerweile hat der freischaffende Künstler eine Teilzeitstelle als Bürokraft gefunden, um auf die Füße zu kommen. "Das nehme ich sehr ernst", sagte der 49-Jährige selbst. Auch habe er wieder mehr Kontakt zu seinem sechsjährigen Sohn. "Das tut uns sehr gut."

Angesichts dieser Litanei an Belegen für Reue und Umkehr schlug der Verteidiger vor, das Verfahren gegen Auflagen einzustellen. Schließlich scheine sogar der Geschädigte "kein gesteigertes Interesse an der Strafverfolgung" zu haben, argumentierte Paschertz. Sonst wäre er ja als Zeuge erschienen. In ähnlichen Fällen mit außergerichtlichem Täter-Opfer-Ausgleich, der als strafmildernd gilt, wäre es gar nicht einmal ungewöhnlich, ein Strafverfahren nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung einzustellen. Doch davon wollte Richterin Katharina Meyer nichts wissen. "In ihrem Leben ist schon zu viel passiert", sagte sie dem Angeklagten. "Es gibt einfach zu viele Vorahndungen wegen Körperverletzung." Von der offenen Bewährung in der Tatnacht einmal ganz abgesehen. Auch die Staatsanwaltschaft lehnte die Einstellung des Verfahrens ab.

Stattdessen schlug die Verteidigung schließlich vor, das Verfahren zumindest zu einem schnellen Ende ohne zweiten Verhandlungstag zu bringen - auch wenn die Zeugen dann nicht gehört würden. Im Raum stehe schließlich wohl nur eine Verurteilung zu einer Geldstrafe. Doch auch das schlug Richterin Meyer aus: Sie erhofft sich, dass die fehlenden Zeugenaussagen Licht ins Dunkel bringen. Die Verhandlung wurde unterbrochen und soll in zwei Wochen fortgesetzt werden.