Pfaffenhofen
"Man muss sich seinen Platz erobern"

Die 31-jährige Anita Scheller ist neu im Wirtschaftsbeirat des Landkreises

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Sie wird in einigen Jahren die Scheller-Mühle führen: Anita Scheller (31) gehört seit Kurzem zum Wirtschaftsbeirat des Landkreises Pfaffenhofen. - Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Jung, weiblich und erfolgreich: Im Wirtschaftsbeirat des Landkreises Pfaffenhofen gab es bisher niemanden, der diese Eigenschaften vereinen konnte. Jetzt ist Anita Maria Christine Scheller dabei. In ihrem Familienbetrieb wird sie in einigen Jahren die Geschäftsführung übernehmen.

Im September 1883, als die Scheller-Mühle in Pfaffenhofen erstmals in Betrieb ging, hätte wohl niemand gedacht, dass eines Tages eine junge Frau die Geschicke der Firma leiten wird. "Ich werde bemüht sein, meine Herren Kunden zu bedienen", schrieb Josef Scheller damals im Amtsblatt. Frauen waren damals noch nicht einmal als Kunden üblich.

In die Männerwelt hätte Anita Scheller zumindest oberflächlich kaum reingepasst: Sie trägt Kleid, Ohringe und Lippenstift. Ansonsten verkörpert sie als Geschäftsfrau kaum Eigenschaften, die als typisch weiblich gelten. "Ich bin ein Zahlenmensch", sagt sie, "Marketing liegt mir nicht besonders." Stets sind ihre Sätze kurz und pointiert, man merkt ihr an, dass sie die Dinge gern beim Namen nennt.

Die 31-Jährige wusste auch schon früh, was sie mit ihrem Leben anfangen will: Nämlich die Tradition der Scheller-Mühle erhalten. "Ich bin die neunte Generation", sagt sie. "Mein Ziel ist es, dass die Firma in der Familie bleibt." Für sie ist das wie "das Weitergeben des Feuers". Das wird in einigen Jahren passieren, wenn ihr Vater sich aus der Geschäftsführung zurückzieht. Momentan hat sie die kaufmännische Leitung inne und verantwortet Finanzen, Personal, Verkauf, Verwaltung, Controlling und Einkauf. Dabei führt sie unter anderem Preisverhandlungen mit den Firmenvertretern, deren Produkte die Mühle kauft. Als junge Frau ist sie da meist eine Ausnahmeerscheinung. "Man muss sich seinen Platz schon erobern", sagt sie.

Doch das hat sie in den vergangenen zehn Jahren, in denen sie unter anderem in den USA bei einer Bank für Getreidehandel arbeitete, gelernt. Ohnehin sei es einfacher geworden. "Man merkt, dass viele Unternehmer Töchter haben, von denen sie wissen, dass sie fähig sind." Und denen sie die Nachfolge zutrauen. Auch Scheller lernte schon früh als Assistentin ihres Vaters, worauf es bei der Führung ankommt. "Allerdings schaffen viele Firmen es nicht mehr, Nachfolger zu finden", sagt sie.

Gerade deshalb freut sie sich über die "große Ehre", für Adolf Schapfl im Wirtschaftsbeirat des Landkreises nachrücken zu dürfen. "Ich bin jung und ich bin Nachfolgerin", sagt sie, "Es ist gut, dass jemand mit dieser Perspektive im Beirat sitzt - noch dazu aus der Landwirtschaft." Trotzdem kann Scheller nachvollziehen, warum jemand die Nachfolge eines Familienbetriebs ablehnt. Denn vieles hat sich mit der Globalisierung und der internationalen Konkurrenz verändert. Auch bei der Scheller-Mühle. "Das Bild vieler Leute von der klappernden Mühle am rauschenden Bach hat nichts mehr mit der Realität zu tun", sagt Scheller. In der Josef Scheller GmbH sind heute Experten aus der ganzen Welt beschäftigt, es wird international eingekauft. Wie die Firmen in den anderen Branchen leidet auch die Scheller-Mühle unter dem Fachkräftemangel. Um das Problem zu lösen, hält die 31-Jährige vor allem die Wiedereingliederung von Müttern für wichtig. "Die Wirtschaft braucht die Mütter, das sind wichtige Fachkräfte, die oft gut ausgebildet sind." Dafür brauche es zum Beispiel flexible Arbeitszeiten in den Firmen.

Scheller wünscht sich auch mehr Frauen in der Chefetage. Sie hat einen Ratschlag für Kolleginnen, die noch zögern: "Man sollte sich selbst fragen, warum man sich einbildet, dass man etwas nicht kann. Warum sollte man sich selbst dieses Gefühl geben"