Pfaffenhofen
"Man ist auch selbst mal hilflos"

Nach elf Jahren als Leiter der Pfaffenhofener Arbeitsagentur: Günter Böhm geht in den Ruhestand

29.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Der direkte Kontakt mit den Menschen war ein wichtiger Punkt für Günter Böhm. Der Chef der Pfaffenhofener Arbeitsagentur geht nun in den Ruhestand - Foto: Lodermeyer

Pfaffenhofen (PK) Nun hat er den letzten Arbeitstag hinter sich: Günter Böhm geht nach rund 30 Jahren in den Ruhestand, elf Jahre war er Chef der Pfaffenhofener Arbeitsagentur.

Rein statistisch ist es ein Abschied mit wehenden Fahnen: Als Günter Böhm vor elf Jahren in die Pfaffenhofener Behörde kam, lag die Arbeitslosenquote im Landkreis bei etwa sieben Prozent – jetzt geht der Leiter der Arbeitsagentur in den Ruhestand und hinterlässt eine Quote von zwei Prozent. „Das liegt nicht an mir“, stellt Böhm mit einem Lachen klar. Das sei eine allgemeine Entwicklung in der gesamten Region gewesen.

Auch generell: Die Quote ist für Böhm sowieso nur eine Zahl, aber bei Weitem nicht die ganze Wahrheit. Denn auch wenn sich Politik und Wirtschaft meist auf die Statistik berufen, für ihn geht es um die Menschen. „Allgemein gesagt haben wir eine heile Welt: zwei Prozent Arbeitslosenquote, nahezu Vollbeschäftigung, eine gute Prognose zum Wirtschaftswachstum auch für die nächsten ein bis zwei Jahre. Aber das hat mich nie interessiert – mich interessiert der Einzelfall“, erklärt der gebürtige Münchner. „Da kann die Quote bei 1,0 sein: Derjenige, der jetzt gerade eine Stelle sucht, der hat nichts davon.“ Eigentlich haben die Arbeitsagenturen und Jobcenter sogar mehr Arbeit, wenn die Quote so niedrig ist. „Das ist so ein Irrglaube, mit dem man immer wieder konfrontiert wird“, stimmt Böhm zu. „Je weniger Arbeitslose es gibt, umso mehr haben wir zu tun: Die Kunden sind dann umso schwieriger, aufwendiger und unterstützungsbedürftiger.“

Für Böhm und seine Kollegen in der Agentur sowie auch im Jobcenter ist das manchmal eine Gratwanderung. „Man ist ja auch selbst mal hilflos, wir haben nur bestimmte Instrumente, mit denen wir helfen können“ , berichtet er. „Man muss sehr aufpassen, dass man es nicht zu sehr an sich heran lässt. Man kann nicht alle Probleme der Welt lösen.“

Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Böhm in diesem Job. „Früher gab es ganze Räume voll Akten, jetzt ist alles elektronisch.“ Nach der Ausbildung begann er als Jobberater in Ingolstadt, in den 1980er Jahren war er für vier Jahre dort. Auch als Personalratsvorsitzender und in der Eichstätter Zweigstelle arbeitete Böhm mit. 2004 führte der Weg schließlich nach Pfaffenhofen – für Böhm eine glückliche Entwicklung. „Ich kannte ja den Landkreis“, sagt er. Das sei ein großer Vorteil gewesen, denn: „Die Arbeitsagentur schmort nicht im eigenen Saft, wir leben von der Umgebung und den Netzwerken – ob das die Arbeitgeber sind, die Einrichtungen, der Landkreis, die Bürgermeister, die Verbände. Das ist mir alles ganz gut bekannt gewesen und da hab’ ich mich recht leicht getan.“ Das sei sowieso ein großer Vorteil im Landkreis: Dass man sich kennt – und eben nicht alles über Fax und E-Mail laufe. „Das ist nicht immer die Strategie der Bundesagentur“, kritisiert Böhm offen. „Da meint man, man kann vieles mit Mailing-Aktionen und elektronischen Informationsmedien erledigen.“ Allerdings sei das persönliche Gespräch immer das Entscheidende gewesen.

Dazu nutzte Böhm auch seine persönlichen Kontakte in die Politik, schließlich ist er seit Jahrzehnten selbst engagiert: Böhm war erst für die SPD aktiv und gehört seit 2008 zur Geisenfelder Partei Unabhängig Sozial Bürgernah (USB). „Es war eigentlich immer eine gute Symbiose“, lautet sein Fazit.

Trotzdem bereitet Böhm vor allem eine Entwicklung Kopfzerbrechen: Durch den demografischen Wandel gibt es auch immer mehr ältere Bürger, die zu Kunden der Arbeitsagentur werden – und die Böhm und seine Kollegen nur mit viel Anstrengung vermitteln können. „Das ist etwas, was ich nicht ganz begreife“, sagt er. „Wo ist eigentlich das Problem“ Schließlich seien das Menschen mit Arbeitserfahrung und Kenntnissen – andererseits klage die Wirtschaft über Fachkräftemangel. „Es sind halt mehr Vorbehalte da. Aber eigentlich ist es das Gegenteil: Ich bin alt, das ist ein Vorteil – mit mir kannst du rechnen.“

Böhms Fazit über seine Arbeitszeit fällt dennoch positiv aus: „Die Arbeit – egal ob als Berufsberater, als Personalratsvorsitzender oder jetzt als Geschäftsstellenleiter – war genau das, was mir getaugt hat. Helfen wollen, versuchen, alles auszureizen, mit Menschen arbeiten – das ist genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Und das ist für mich in Erfüllung gegangen. Ich glaube auch, dass ich den Menschen helfen konnte.“

Was er nun mit seiner Freizeit anstellt, darüber ist sich Böhm noch nicht ganz klar. „Ich hab’ keinen Masterplan.“ Einige Hobbies will er besser pflegen, auch stärker in die Kommunalpolitik einsteigen – und vielleicht ein Ehrenamt übernehmen, in das er sein Wissen einbringen kann. „Einen Hund habe ich mir nicht zugelegt“, erklärt er lachend. „Aber ich werde auch in Zukunft um halb fünf aufstehen – dazu brauche ich auch gar keinen Wecker mehr.“