Pfaffenhofen
Lernen von den Bayern

Chinesische Lehrer sammeln an der Berufsschule Erfahrungen für die Heimat

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
So verzehrt man eine Weißwurst: Fasziniert schauen die chinesischen Berufsschullehrer ihrem deutschen Kollegen Horst Limmer auf die Finger, nachdem sie schon die Teller mit den Brezen mit ihren Handys fotografiert hatten. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Wie tickt eine bayrische Berufsschule? Wie sieht moderner Unterricht aus? Und welche Vorteile hat das duale Ausbildungssystem? Um das zu erfahren, haben sich fünf Berufsschullehrer aus Shanghai zwei Wochen lang in der Pfaffenhofener Berufsschule umgesehen.

Lernen von den Bayern: Jetzt schon im dritten Jahr kommen chinesische Delegationen an die Ilm, um dann ihre Erfahrungen in ihrer Heimat weiterzugeben. "CLiB", Chinesische Lehrer in Bayern, heißt das Projekt, das vom Kultusministerium und der Hanns-Seidl-Stiftung betreut wird. Die CSU-nahe Organisation ist seit über 30 Jahren in China aktiv und unterstützt im Rahmen einer klassischen Entwicklungshilfe Bildungsprojekte. Für Pressesprecher Hubertus Klingsbögl ist CLiB ein "Bildungstransfer": "Die Lehrer aus China sind Multiplikatoren, sie sollen helfen, in ihrem Land nach deutschem Vorbild ein duales Ausbildungssystem aufzubauen." Bei uns wird eine praktische Ausbildung im Betrieb durch parallelen Berufsschulunterricht ergänzt und vertieft. In China werden Handwerker ausschließlich in der Berufsschule ausgebildet. Dann bekommen sie ein Abschluss-Zertifikat, ohne je einen Betrieb von innen gesehen haben zu müssen. Allenfalls sind freiwillige Praktika möglich. Zu diesem dualen Ausbildungssystem gehört auch die Zusammenarbeit mit Behörden, dem Kultusministerium, der IHK und der Handwerkskammer. Überall dort haben sich die Chinesen kundig gemacht und auch mit Gerhard Wenzel vom Bildungsbüro des Landratsamts geredet. Vorbereitet haben sich die Lehrer, die allesamt in der Metallbranche unterrichten, einen Monat lang im Technikzentrum in Thüringen. Vier Delegationen sind derzeit in Bayern unterwegs, neben Pfaffenhofen auch in Passau, Pfarrkirchen und Cham.

Beeindruckt hat die Chinesen der kompetenz-orientierte Unterricht, den Seminarleiter Georg Mann so beschreibt: "Wir bringen den Schülern bei, wie sie sich selbst etwas beibringen können." Und was auch anders ist: "Bei uns", sagt Jun Zhao, der Sprecher der Gruppe, "steht der Lehrer im Mittelpunkt des Unterrichts. In Deutschland steht der Schüler im Zentrum." In seinem Land "redet der Lehrer viel", hier kämen die Schüler zu Wort.

Dieser auf den Lehrer fixierte Unterricht sorgt zwar dafür, dass in den Klassen eine hohe Disziplin herrscht, dafür aber scheuen sich Schüler, Fehler zu machen. Ein Lernen aus Fehlern ist so kaum möglich. Jun Zhao lobt das konstruktive und gute Klima, das er in der Zusammenarbeit mit Pfaffenhofener Schülern erlebt hat. Schulleiter Hubert Ruisinger übereicht jedem ein Zertifikat, in dem ausgelistet ist, was in dieser Fortbildung vermittelt wurde: etwa Planung, Durchführung und Reflexion eines handlungsorientierten Unterrichts.

So richtig begeistert allerdings war die Delegation vom "Weißwurstseminar" des inzwischen pensionierten Berufsschullehrers Horst Limmer. Wohl kein Metzger im Landkreis, der nicht von ihm unterrichtet wurde. Limmer erklärt der Chinesen nicht nur, was in die Wurst kommt, wie sie schmecken muss ("leicht zitronig"), er schlägt auch die Brücke zum Reich der Mitte: "Die Saitlinge kommen aus China." Und dann, ganz wichtig, die Praxis: Wie isst man eine Weißwurst? Die Chinesen, nachdem sie schon die Teller mit den Brezen mit ihren Handys fotografiert haben, verfolgen fasziniert, wie Limmer ihnen die drei Möglichkeiten demonstriert, die "Primadonna der Würste" zu verzehren: zuzeln, der Länge nach aufschneiden oder in Scheiben säbeln. So, und jetzt nachmachen. Zuzeln ist nicht so ihr Ding, aber auf die Frage, wie's schmeckt, heben sie strahlend die Daumen, sodass Limmer kein Problem hat, ihnen ein "Weißwurstzertifikat" samt einem Glas süßen Senfs für die Lieben daheim mitzugeben. Leider keine Würste - die würden den Elf-Stunden-Flug in die Heimat nicht überleben.