Pfaffenhofen
Das Zuhause der Schlammröhrenwürmer

24.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:38 Uhr

33 kommunale Kläranlagen gibt es derzeit im Landkreis Pfaffenhofen. Unser Bild zeigt die Wolnzacher Kläranlage bei Starzhausen. - Foto: Zurek

Pfaffenhofen (PK) Die Ilm prägt wie kein anderes Gewässer den Landkreis
Pfaffenhofen - welche Bedeutung sie für die Menschen hier hat, soll in einer PK-Serie beleuchtet werden. Im neunten Teil geht es um die Sauberkeit des Flusses

Die freiwilligen Forscher haben sich am Freitagnachmittag den Fluss für ein besonderes Projekt vorgenommen. Sie sind auf Spurensuche in Sachen Wassergüte, wobei ihr wissenschaftlicher Eifer offensichtlich groß ist. "Ich hätt eigentlich Fußballtraining" gesteht einer der Sechstklässler, das er "sausen lässt, weil mich das Projekt interessiert". Gut gelaunt und voller Tatendrang machen sich die sieben Schüler mit ihrer Biologielehrerin Elke Leppelsack auf den Weg zu einer flachen Sandbank. Lagebesprechung ist angesagt.

Ein Elfjähriger erklärt das Ziel der Aktion: "Wir wollen rausfinden, wie es um die Wasserqualität der Ilm an dieser Stelle steht." Aber wie kann man das wissen, wenn man das Wasser nicht ins Labor bringt? "Da helfen uns bestimmte Lebewesen", erklärt Leppelsack und packt laminierte Folien aus. Darauf zu sehen sind sogenannte Indikator-Organismen. Manche können nur überleben, wo das Gewässer von bester Qualität ist, andere fühlen sich gerade wohl im Schmuddelwasser.

Wonach gilt es also die Augen aufzuhalten? Den Anfang macht der Bachflohkrebs. "Sieht man den denn überhaupt, so winzig wie der ist", fragt ein Mädel etwas skeptisch nach. Bei der Köcherfliegenlarve scheint die Aufgabe nicht viel einfacher. Und dann sind da noch diese merkwürdigen Larven der Eintagsfliege mit den drei "Fäden" am Körperende. Dass man auch eine Steinfliegenlarve (diese hat nur zwei dieser "Fäden") entdecken wird, hält Leppelsack für unwahrscheinlich. Die leben nämlich nur in ganz sauberem Wasser.

Doch genug der Theorie. Jetzt geht es an die Arbeit. Jeder Schüler schnappt sich einen Kescher. Kleine Plastikgefäße werden mit Wasser gefüllt. Da soll der spätere Fang zur Bestimmung zwischengelagert werden. "Iiii ist das kalt", beschwert sich jemand. "Hab dich nicht so", kommt prompt der Konter. "O Mann, ich hab die Gummistiefel voller Wasser", sagt eine Schülerin lachend.

Nach wenigen Minuten kehrt Ruhe ein. Acht Augenpaare suchen konzentriert das recht klare Wasser ab. Gebückt arbeiten sich die Jugendlichen mit ihrer Betreuerin vor. Hier wird ein Stein hochgehoben, dort ein Kieselhaufen genauer untersucht. Erste Erfolgsmeldungen. "Hei schaut mal her, ich hab was echt großes", zeigt einer seinen Fund. "Süüüüß" findet jemand das sich schlängelnde Wesen und erfährt: Es ist ein Schneckenegel. Weniger Sympathien löst ein weiterer Vertreter der Wirbellosen aus. "Ein Schlammröhrenwurm", kommentiert Leppelsack.

Eine halbe Stunde später sind die Sammelbehälter gut gefüllt. Nun geht's ans Auswerten. Da werden die Winzlinge mit den übergroßen Kartendarstellungen verglichen. "Wow. Das ist eine Köcherfliegenlarve der Art Rhycophila. Die ist ja richtig gut", begeistert sich der Entdecker - denn auf der fünfteiligen Bewertungsskala zur Einschätzung der Wasserqualität liegt der bei Note "eins bis zwei." Auf eine reine Zwei bringen es eine Köcherfliegenlarve mit dem seltsamen Namen "Hydropsyche", ein Bachflohkrebs und eine Gemeine Eintagsfliegenlarve.

Während die Gruppe beim Auswerten also hauptsächlich auf Indikatoren für eine sehr gute bis gute Wasserqualität stößt, gibt es einzelne Ausreißer. Der eingangs erwähnte Schneckenegel steht für "Zwei bis Drei", für eine "Vier" der Schlammröhrenwurm. Der fühlt sich nämlich nur da wohl, wo es wenig Sauerstoff gibt. "Der war auch in dem kleinen Eck mit dem dicken Schlamm am Ufer", bestätigt dessen Finder. So ganz nebenbei kommt die Frage auf, wie denn diese Tiere überhaupt atmen. "Über Kiemen, ist doch klar!" Aber wo sitzen die? Mal am Hinterleibssegment, mal an Büscheln. Nur der Egel hat eine Sonderstellung. Der nämlich atmet über die Haut.

Abschließend vergleichen die jungen Forscher ihre Untersuchungsergebnisse mit der amtlich erfassten Situation im Jahr 1996. Dabei leistet eine große Karte Hilfestellung. Bunte Linien kennzeichnen die Flüsse Bayerns. "Warum sind die denn nicht überall blau" wundert sich eine Schülerin. Jede Farbe stehe für eine bestimmte Wassergüte, erfährt sie. Und die ist offenbar in der Nähe der Alpen am besten. "Weil da noch kein Eintrag von Schmutz da ist", weiß einer der Jungforscher. Der Blick auf die Ilm lässt im Früher-Heute-Vergleich für die Gruppe nur ein Fazit zu: "Eindeutig eine Verbesserung." Aber warum ist das so? "Seit einigen Jahren gibt es strengere gesetzliche Auflagen, um den Eintrag durch Erosion und die chemische Belastung zu verringern und es gibt mehr und bessere Kläranlagen", erklärt Leppelsack das Phänomen.

Als die Eltern eintrudeln, um ihren Nachwuchs fristgerecht abzuholen, müssen sie sich gedulden. Die Gruppe will noch etwas klären. Weiter unten am Fluss hatten sie es quaken hören. Vielleicht ein seltener Frosch? Wissensdurst ist halt nicht so schnell zu stillen.