Pfaffenhofen
Kleider machen Leute

Beim "Zwischenfall" trifft ländliche Tracht auf den urbanen Chic der 20er Jahre

29.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:05 Uhr

Kleider für Kleindlfing: Das drei Nummern zu große rote Kleid für Mia, gespielt von Marion Simon, wird von Anita Promberger abgesteckt (Foto links). Hauptdarsteller Walter Neufeld umgarnt bei den Proben als Metzgermeister Matthias Huber die junge Vikerl, verkörpert von Julia Stanglmayr (Foto rechts oben). Steffen Wagner studiert derweil den Text für seine nächste Probenszene als Dichter Konrad Maria Falk, der die Geschehnisse beim Lutz-Stück „Der Zwischenfall“ überhaupt erst ins Rollen bringt - Fotos: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Nicht nur zwischenmenschlich bietet die Freilichtinszenierung von „Der Zwischenfall“ nach Joseph Maria Lutz einen spannenden Stoff – auch modisch: In der fiktiven Kleinstadt Kleindlfing treffen mit der Ankunft eines Dichters und einer Dame aus der großen Stadt nicht nur bei der Geisteshaltung Welten aufeinander, sondern auch beim Kleidungsgeschmack. Ländliche Tracht und praktische Arbeitskleidung treffen auf den urbanen Chic der späten 20er und frühen 30er Jahre.

Ersteres trägt die Figur der Vikerl Kramer, gespielt von Julia Stanglmayr, die gerade mit Hauptdarsteller Walter Neufeld auf der Bühne steht. Der mimt den Metzgermeister und Stadtrat Matthias Huber – und lässt sich von der jungen Dame umgarnen. Von Helmut Muthig, Regisseur der großen Jubiläumsinszenierung des Pfaffenhofener Theaterspielkreises gibt es gleich Manöverkritik: „In der Szene bist a Matz“, schwört er die junge Darstellerin ein.

Mindestens zweimal die Woche wird geprobt. Seit fünf Wochen im Kostüm – „um sich besser in die Rollen einzufühlen“, sagt Muthig. Kleider machen Leute. Wenn die Darsteller von heute in die Mode der 20er und 30er Jahre schlüpfen, dann bewahrheitet sich dieses Sprichwort. „Ein Absatzschuh aus der damaligen Zeit erfordert eine ganz andere Körperhaltung als die heutigen Freizeitschuhe“, erklärt Produktionsleiter und Theaterspielkreis-Vorsitzender Erich Baumgärtner. „Und auch der Gang ist völlig anders.“ Und bei den Männern ist es nicht anders: Um eine Zwickerbrille auf der Nase zu halten, braucht es seine ganz eigene Mimik.

Wer von den Pfaffenhofener Laiendarstellern bei den Proben nicht gerade auf der Bühne steht, wird von Anita Promberger eingekleidet – immer und immer wieder, bis es passt. Es wird anprobiert, abgesteckt, abgeändert: Reisejacke aus Boucléstoff? Oder doch das gelblich geblümte Seidenkleid? Am Ende ist der vorläufige Favorit für die Rolle der Mia ein rotes, damenhaftes Kleid, das eher den 30er als den 20er Jahren entliehen scheint. Und das ist gewollt: Die uneheliche Metzgerstochter, verkörpert von Marion Simon, ist als Mädchen aus der Stadt ein moderner Frauentyp. Sie geht mit der Mode. Da sitzt die Taille tiefer auf der Hüfte. Um Hals und Kopf schlingt sie lachend in Grace-Kelly-Manier einen Schal. Und der Rockteil ist verglichen mit Vikerls eher biederen Tracht nahezu obszön kurz aus damaliger Kleinstadtperspektive – will heißen: knielang. „Die 20er und 30er Jahre waren ein tiefer Einschnitt in der Entwicklung der Mode“, sagt Promberger, während sie Mias zwei oder drei Nummern zu großes Kleid mit Nadeln absteckt.

„Vom Styling her ist es optimal“, lobt Hauptdarsteller Steffen Wagner, der den Dichter Konrad Maria Falk mimt, bei seiner Visite im Kostümfundus des Theaterspielkreises. Er ist für die nächste Probenszene vom mausgrauen Fischgrätanzug mit Weste, Hut und Stock auf ein lässigeres Kostüm umgestiegen: Knickerbocker, Schiebermütze, Halstuch.

Promberger stattet ihn nur noch mit passenden Kniesocken aus dem Fundus aus. Auf gut 1000 Kleidungsstücke vom Hemd über das Brautkleid bis zum Paradiesvogelkostüm schätzt sie den Bestand im Dachgeschoss des Hauses der Begegnung – teils geschenkt, teils selbst genäht, teils aus alten Aussteuern. „Wenn wir hier nichts finden, leihen wir uns etwas vom Stadttheater Ingolstadt aus.“ Oder von anderen Theatervereinen. Das Pfarrersgewand etwa stellt die Scheyerer Bühne, die Holledauer Trachten das Steinkirchener Theater. „Und manche Kostüme nähen wir gleich selbst“, sagt Promberger – zum Beispiel die Kleider der Fahnenjungfern. Fertig abgesteckt. Marion Simon ist mit dem roten Kleid zufrieden – auch wenn es noch lange nicht die endgültige Wahl ist. „Ich finde die historische Kleidung immer interessanter“, sagt sie.

Bald sollen die Anproben abgeschlossen sein: „In den letzten drei Wochen vor der Premiere sollten die Kostüme stehen“, sagt Promberger. Dann folge nur der letzte Schliff: Hosen weiter machen, Knöpfe annähen und die passenden Accessoires auswählen. Bei Darstellerinnen tut die Kostümexpertin sich da leichter: „Frauen haben mehr eigene Vorstellungen – den Männern ist es wurscht.“