Pfaffenhofen
Kadaver-Sortierung und Kläranlage literarisch verarbeitet

Hallertauer Debütpreis: Jessica Kahlenborn über den Roman "Schweinesystem" von Christine Koschmieder

09.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:16 Uhr

Jessica Kahlenborn bewirbt sich mit der Rezension des Romans „Schweinesystem“ von Christine Koschmieder für die Jury des Debütpreises - Foto: Scheerer

Pfaffenhofen (PK) Zum vierten Mal veranstaltet der Neue Pfaffenhofener Kunstverein am 26. September in Kooperation mit der Hallertauer Volksbank den Hallertauer Debütpreis, bei dem es um ein Preisgeld von 3000 Euro geht. Nominiert sind die drei Nachwuchsautorinnen Madeleine Prahs („Nachbarn“, dtv), Saskia Henning von Lange („Zurück zum Feuer“, Verlag Jung und Jung) und Christine Koschmieder („Schweinesystem“, Verlag Blumenbar).

Der Kulturabend rund um den Hallertauer Debütpreis findet am Freitag, 26. September, 20 Uhr (Einlass: 19.30 Uhr) in der Kulturhalle am Amberger Weg statt. Die Moderation übernimmt wieder der Literaturkritiker und Lyriker Nico Bleutge. Per Wahlzettel werden Publikum und Jury über die Preisvergabe und die Preisgeldverteilung abstimmen. Zur Jury gehören wird auch einer von drei Schülern des Schyren-Gymnasiums. Diese besonders literaturinteressierten Gymnasiasten haben sich in den Ferien mit den Werken der Nachwuchsautorinnen befasst und Rezensionen dazu geschrieben, die unsere Zeitung veröffentlicht. Den Anfang macht Jessica Kahlenborn, die „Schweinesystem“ von Christine Koschmieder gelesen hat:

Mit den Worten „Yes we can“ gewann Barack Obama 2008 erstmals die Präsidentschaftswahl in den USA. Als er sein Ziel erreicht hatte, galt er als das neueste Paradebeispiel für die Erfüllung des „American Dream“. Mit der Selbstverwirklichung beschäftigt sich auch Christine Koschmieder in ihrem Buch „Schweinesystem“. Sie berichtet über das Leben zweier junger Frauen Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, die auf ihre Art und Weise versuchen, der Emanzipation gerecht zu werden und sie für sich zu erfüllen.

Die erste Begegnung findet auf der Damentoilette auf dem Londoner Flughafen statt, nachdem beide ihr Kind haben abtreiben lassen. Auf den ersten Blick könnten die Protagonisten nicht unterschiedlicher sein. Im Laufe des Romans stellen sich jedoch immer mehr Ähnlichkeiten heraus. Beide lehnen sich gegen die Unterdrückung durch ihre Männer auf. Die Amerikanerin, früher in der Kadaver-Sortierung eines Schweineschlachtbetriebes angestellt, wechselt zu einer Kosmetikfirma und wird bald zu einer guten Vertreterin. Dadurch kann sie sich von ihrem Mann trennen und hat die finanziellen Mittel, mit ihrem Sohn auszuziehen. Die Deutsche geht etwas subtiler vor, während eines Kuraufenthaltes beginnt sie eine Affäre und führt diese auch zu Hause weiter. Ihr Mann merkt nichts davon, er ist zu sehr mit seinen politischen Ansichten und der Eröffnung einer neuen Kläranlage beschäftigt. Doch durch die Affäre gewinnt die Deutsche wieder Freude am Leben und schafft es, sich aus den prüden und konservativen Lebensstrukturen herauszuheben. Doch was passiert, wenn man erkennt, dass Kosmetikartikel verkaufen nicht die Emanzipation fördert, sondern die Träume der Frauen schamlos ausnutzt? Und wenn der Bruder der Amerikanerin sich nach seinem Tod als Verräter herausstellt? Was ist, wenn man erfährt, dass die Affäre ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit ist? Die Autorin schildert das Leben der beiden Protagonisten treffend, erzählt von den wichtigen Etappen des Lebens. Oft liest sich der Roman, der aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt ist, wie eine Biografie, ein wenig mehr Spannung und stringenteres Erzählen hätte man sich gewünscht. Zum Schluss stellt sich der Leser die Frage, ob das Leben nicht ein Schweinesystem ist. Die Sprache der Autorin ist einfach und verständlich, sie entspricht den dargestellten Protagonisten aus der Arbeiterschicht und ihrem Kampf gegen das Schweinesystem.

Jessica Kahlenborn, 17 Jahre alt, Schyren-Gymnasiastin, über den Roman „Schweinesystem“ (Blumenbar) von Christine Koschmieder. Koschmieder liest daraus am 26. September ab 20 Uhr beim Hallertauer Debütpreis in der Kulturhalle (Karten im Vorverkauf bei Prechter und der Hallertauer Volksbank). Die Schülerin Jessica Kahlenborn hat den Roman in den Ferien gelesen und bewirbt sich mit der Rezension für die Jury des Hallertauer Debütpreises. Für den Abdruck wurde die Rezension leicht editiert.