Pfaffenhofen
Intelligenter Leben um den Faktor 5

Die USA sind in Sachen Ressourcenschonung ein Entwicklungsland, meint Professor Weizsäcker

21.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:24 Uhr

Eine Energiewende ist nur mit höherer Effizienz möglich, ist sich Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker sicher. 300 Gäste verfolgten in Pfaffenhofen den Vortrag des Wissenschaftlers über nachhaltige Entwicklung. - Foto: Fugger

Pfaffenhofen (PK) Als „Vortrag des Jahres“ hatte ProWirtschaft, das Netzwerk der heimischen Unternehmen die Veranstaltung angekündigt, und das war nicht zu viel versprochen. Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker präsentierte sich als ebenso kenntnisreiche wie faszinierende Persönlichkeit.

\tMehr als 300 Zuhörer füllten den Saal des Stockerhofs – trotz des recht gesalzenen Eintrittspreises von 25 Euro für Nichtmitglieder von ProWirtschaft. „Nachhaltige Entwicklung – Imperativ für die heutige Wirtschaft und Herausforderung für die Bildung“ lautete der Titel des Vortrags, dessen Quintessenz man folgendermaßen zusammenfassen kann: Eine Energiewende ist nur mit höherer Effizienz möglich, verstärkter Einsatz erneuerbarer Energien reicht dafür nicht aus.

Ausführlich erläutert hat Ernst Ulrich von Weizsäcker diese Zusammenhänge in seinem Buch „Faktor 5: Die Formel für nachhaltiges Wachstum“, das inzwischen in deutscher, englischer und chinesischer Sprache vorliegt. Entscheidend ist für den Physiker, promovierten Biologen und Vizepräsidenten des Club of Rome eine bessere und intelligentere Nutzung natürlicher Ressourcen – und zwar um den Faktor 5. Würden sämtliche Menschen so viel Energie und Rohstoffe verbrauchen, wie die Amerikaner und die Europäer es derzeit tun, bräuchte man nämlich das Fünffache der Ressourcen, die die Erde zu bieten hat, und das könne auf Dauer nicht funktionieren.

Professor von Weizsäcker lobte zwar ausdrücklich die von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgerufene Energiewende in Deutschland, aber eine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft kann dies seiner Meinung nach nicht sein. Zumindest keine, die die wirklichen Probleme löst.

\tDas erklärte der Wissenschaftler anhand etlicher überzeugender Grafiken. So gibt es einen linearen Zusammenhang zwischen dem Wohlstand einzelner Länder – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – und deren Kohlendioxid-Emissionen. Bislang ist es folglich so, dass eine Zurücknahme von Emissionen einen Verzicht auf Wohlstand bedeutet. Erschwerend hinzu kommt der sogenannte Rebound-Effekt: Fortschritte bei der effizienten Nutzung von Energie und Rohstoffen gehen durch gesteigerten Konsum in den betreffenden Ländern wieder verloren. Zudem, so Weizsäcker, seien Rohstoffe im langfristigen historischen Vergleich für die Verbraucher, gemessen an deren Kaufkraft, immer billiger geworden. Daher habe man sich lange Zeit kaum um Ressourcenschonung gekümmert.

Allerdings sei zum Beispiel die Förderung von Erzen für die Produktion von Industriemetallen wie etwa Kupfer im Lauf der Zeit immer „dreckiger“ geworden. Soll heißen: Der Erzgehalt in den Minen sinkt, und der Energieaufwand für die Förderung steigt. \tWas die zukünftige Entwicklung anbelangt, hat von Weizsäcker recht genaue Vorstellungen. Die in Sachen Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit schon weit fortgeschrittenen Europäer könnten zusammen mit den Asiaten eine Vorreiterrolle gegenüber den USA einnehmen, die zumindest in dieser Hinsicht quasi ein Entwicklungsland sind.

Das ist wohl eine recht optimistische Sicht der Dinge, wenn man sich vor Augen hält, dass Umweltschutz nirgendwo auf der Welt eine derart geringe Rolle spielt wie in China, und dass nicht nur die Amerikaner, sondern eben auch die Chinesen seit Jahren internationale Abkommen bezüglich einer Begrenzung des Kohlendioxid-Ausstoßes boykottiert haben. Zum Abschluss der Veranstaltung beantwortete der 74-jährige Wissenschaftler noch Fragen aus dem Publikum und wurde mit viel Applaus verabschiedet.