Pfaffenhofen
Zur Schrittmacherkontrolle nach Mainburg

Herz-Patienten müssen weit fahren, weil die Klinik keine Ermächtigung mehr hat – Ärzte protestieren

27.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr
Viel Fachwissen ist bei den Herzschrittmacherkontrollen nötig. Internist Stefan Barth führt pro Jahr etwa 1200 Kontrollen an der Pfaffenhofener Ilmtalklinik durch. Doch jetzt können Kassenpatienten nur noch zu ihm kommen, wenn sie selbst zahlen. Hintergrund ist eine Entscheidung des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern, gegen die die Klinik sowie Barth Widerspruch eingelegt haben. −Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Herz-Patienten und Ärzte sind geschockt: Weil der Zulassungsausschuss die Ermächtigung nicht erteilt hat, darf der Internist der Pfaffenhofener Ilmtalklinik an Kassenpatienten im Normalfall keine Herzschrittmacherkontrollen mehr durchführen. Die Patienten müssen nun weite Wege auf sich nehmen.

Hannelore Marb aus Pfaffenhofen leidet seit sechs Jahren unter Vorhofflimmern. Jedes halbe Jahr ging sie deshalb zur Kontrolle ihres Herzschrittmachers in die Pfaffenhofener Ilmtalklinik – für die 77-Jährige kein Problem, sie kann sie leicht erreichen. Ende Juli erreichte sie allerdings ein Brief der Klinik, der unserer Zeitung vorliegt. Die Geschäftsführung informiert die Kassen-Patienten in dem Schreiben, dass künftig keine Herzschrittmacherkontrollen mehr durchgeführt werden – außer an Patienten in den ersten drei Monaten nach der Implantation. „Ich war fix und fertig“, sagt Marb.

Jetzt musste die Witwe zum ersten Mal zur Kontrolle bis nach Mainburg fahren. „Ich habe bei meiner Krankenkasse angerufen – sie bezahlt mir nicht die Taxifahrt dahin“, mit öffentlichen Verkehrsmitteln gehe es nicht. „Ich musste einen Bekannten fragen“, sagt sie. Sie kann sich schlecht vorstellen, nun jedes halbe Jahr jemanden zu bitten, sie zu fahren. Die Alternative: Wenn sie die Kosten selbst zahlt, kann sie die Kontrolle weiter in der Pfaffenhofener Klinik durchführen lassen. 50 Euro würde das kosten. Anders als die Privatpatienten bekäme sie die aber später nicht mehr zurückerstattet. „Eine Frechheit“ nennt Marb das. „Das tue ich aus Prinzip nicht.“

Hannelore Marb ist nur eine von vielen gesetzlich versicherten Patienten, die seit Anfang Juli weite Wege auf sich nehmen müssen. Bisher führte der Internist Stefan Barth an der Ilmtalklinik Pfaffenhofen im Jahr rund 1200 Kontrollen durch, sagt er auf Anfrage. Patienten aus dem Landkreis Pfaffenhofen, aber auch von außerhalb, etwa aus Allershausen, fahren regelmäßig in die Pfaffenhofener Klinik. „Das sind oft schwer kranke Patienten, die teils mit dem Rollator und dem Bus bei uns ankommen“, sagt Barth. Durchschnittsalter laut dem Internisten: 78 Jahre. „Für sie ist es äußerst problematisch, eine weite Strecke zum Arzt zurückzulegen.“

Verantwortlich für die Entscheidung ist der Zulassungsausschuss Ärzte Oberbayern, ein selbstständiges Gremium aus je drei Vertretern der Ärzte und Krankenkassen. Sie sprechen in der Regel für je zwei Jahre Ermächtigungen für die Ärzte aus, um beispielsweise Schrittmacherkontrollen an gesetzlich Versicherten durchführen zu können, erklärt ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, bei der die Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern angesiedelt ist. Diesmal allerdings gab es keine Ermächtigung mehr für die Kontrollen – Internist Barth darf lediglich noch Herzschrittmacher- und Defibrillatorkontrolluntersuchungen innerhalb der ersten drei Monate nach Implantation an der Klinik durchführen.

Der Grund laut dem Sprecher: Der Gesetzgeber habe vorgegeben, dass vorrangig niedergelassene Vertragsärzte diese Leistungen erbringen sollen. Klinikärzte kämen nur infrage, wenn sonst eine Versorgungslücke entstünde. Auf die Frage, welche niedergelassenen Ärzte nun konkret die Versorgung übernehmen würden, antwortet der Sprecher nur allgemein: „Eine Bedarfsanalyse zeigte, dass die Versorgung grundsätzlich durch die niedergelassenen Facharztinternisten gegeben ist.“

Das bestreitet aber Anton Wiedemann, der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Pfaffenhofen. „Es gibt im Landkreis nur eine Kardiologin für Kassenpatienten“, so Wiedemann. Doch diese sei momentan überlastet und könne die Aufgabe nicht übernehmen, so Wiedemann.

Dabei handelt es sich um die Kardiologin Christine Wiedemann vom internistischen medizinischen Versorgungszentrum Pfaffenhofen, die sich momentan im Urlaub befindet, so die Praxis auf Anfrage. Die Allgemeinärztin Eva Kell-Grunwald aus Schweitenkirchen hat jedoch bereits mit ihr gesprochen, sagt sie. „Die Praxis ist zeitlich am Limit. Vielleicht können sie es irgendwann anbieten, aber jetzt definitiv nicht.“ Bis dahin gebe es aber gar keine Versorgung mehr vor Ort. „Ich habe viele 80-jährige Patienten, die zwar noch nach Pfaffenhofen mit dem Auto fahren, sich aber den langen Weg nach Ingolstadt oder Freising auf keinen Fall zutrauen.“ Die bräuchten dann alle jemanden, der sie fährt. Hinzu komme: „In den anderen Regionen wird es schwer, dort noch Termine zu bekommen.“ „Das wäre ein Chaos“, sagt ihr Kollege Matthias Fleige aus Geisenfeld, mit dem zusammen sie eine Unterschriftenaktion gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses initiiert hat. „Wir wünschen eine heimatnahe Versorgung“, sagt Fleige. Laut Fleige haben bisher bereits 60 Ärzte aus dem Landkreis unterschrieben, darunter auch Wiedemann in seiner Funktion als Vorsitzender des Kreisverbands.

Für Internist Barth von der Klinik gibt es auch noch einen medizinischen Grund, der dafür spreche, dass er weiter die Kontrollen durchführen kann: „Für uns ist es gut, dass wir die Patienten konstant überwachen und über ihren aktuellen Stand Bescheid wissen“, so Barth. Nun müssten eben erst wieder Informationen weitergeleitet werden – zusätzlicher Aufwand für beide Seiten.

Jede Untersuchung dauert zehn bis 20 Minuten – je nachdem, wie kompliziert die Technik des Modells ist, sagt Barth. Zu ihm kommen alle drei Monate Patienten mit Defibrillator sowie alle sechs Monate Menschen mit Herzschrittmachern. Auch Menschen mit sogenanntem Event-Recorder, mit dem Herzrhythmusstörungen aufgezeichnet werden, untersucht er. „Als angestellter Klinikarzt kann ich mir bei der Untersuchung die nötige Zeit nehmen“, so Barth. Erst einmal bringt er Elektroden am Körper des Patienten an, um die Erregungsleitung des Herzens zu überprüfen – er führt also das Ruhe-EKG durch. „Dann geht es um das Gerät, das man beispielsweise umprogrammieren muss“, so Barth. Wenn er Auffälligkeiten entdeckt, geht die Untersuchung weiter, „zum Beispiel machen wir Herzultraschall oder ein Röntgenbild“ – in seltenen Fällen muss der Patient gleich stationär aufgenommen werden.

Gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses können die am Verfahren beteiligten Ärzte Widerspruch einlegen – das hat Barth bereits zusammen mit der Geschäftsführung der Ilmtalklinik getan. Der Widerspruch liege vor, lässt der Zulassungsausschuss ausrichten. Welche Chancen es nun für die gesetzlich versicherten Patienten gibt, dass die Kontrollen bald wieder an der Klinik durchgeführt werden dürfen, dazu gab es auf Anfrage keine Auskunft.

AUS MEINER SICHT

Dass nun Menschen in hohem Alter und mit Herzproblemen aus dem Landkreis überlegen müssen, wie sie nach Mainburg oder Ingolstadt kommen, ist unerträglich. Nicht jeder hat überhaupt Verwandte oder Bekannte, die ihn hinfahren können, und ganz sicher hat auch nicht jeder 50 Euro übrig, um die Kontrolle vor Ort selbst zu bezahlen. Zumal Letzteres auch eine Frechheit wäre, denn wofür zahlen denn gesetzlich Versicherte ihre Beiträge, wenn sie dann für unumstritten notwendige Leistungen in den eigenen Geldbeutel greifen müssen?

Rätsel gibt die Argumentation des Zulassungsausschusses auf: Man habe vor der Entscheidung geklärt, dass die Versorgung grundsätzlich von niedergelassenen Ärzten sichergestellt werden kann. Grundsätzlich ist aber nicht tatsächlich, denn Fakt ist: Patienten nehmen nun lange Wege auf sich, weil es offenbar gar keinen niedergelassenen Arzt gibt, der die Kontrollen vor Ort aktuell übernehmen kann. Ärzte und Patienten sind zurecht sauer – wieder einmal wirkt es so, als ob irgendwelche Gremien auf dem Rücken der Patienten entscheiden – viele dürften sich an dieser Stelle an das Bangen um das Therapiebad in der Klinik erinnern.

Letztlich kann es kaum im Sinne des Gesetzgebers sein, in anderen Gebieten einen Ansturm auf die Herzschrittmacherkontrollen zu erzeugen und die Versorgung vor Ort zu verschlechtern. Der Zulassungsausschuss sollte schnell seine Entscheidung überdenken und genauer hinschauen, wie es wirklich vor Ort aussieht. Zumal Letzteres auch eine Frechheit wäre, denn wofür zahlen denn gesetzlich Versicherte ihre Beiträge, wenn sie dann für unumstritten notwendige Leistungen in den eigenen Geldbeutel greifen müssen?

Rätsel gibt die Argumentation des Zulassungsausschusses auf: Man habe vor der Entscheidung geklärt, dass die Versorgung grundsätzlich von niedergelassenen Ärzten sichergestellt werden kann. Grundsätzlich ist aber nicht tatsächlich, denn Fakt ist: Patienten nehmen nun lange Wege auf sich, weil es offenbar gar keinen niedergelassenen Arzt gibt, der die Kontrollen vor Ort aktuell übernehmen kann. Ärzte und Patienten sind zurecht sauer – wieder einmal wirkt es so, als ob irgendwelche Gremien auf dem Rücken der Patienten entscheiden – viele dürften sich an dieser Stelle an das Bangen um das Therapiebad in der Klinik erinnern.

Letztlich kann es kaum im Sinne des Gesetzgebers sein, in anderen Gebieten einen Ansturm auf die Herzschrittmacherkontrollen zu erzeugen und die Versorgung vor Ort zu verschlechtern. Der Zulassungsausschuss sollte schnell seine Entscheidung überdenken und genauer hinschauen, wie es wirklich vor Ort aussieht.

| Desirée Brenner