Pfaffenhofen
Idealismus statt Zwang

Fünf Jahre nach Abschaffung des Zivildiensts sind Bewerber für ein Freiwilliges Soziales Jahr eher rar

30.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Foto: Michael Kraus

Pfaffenhofen (PK) Vor fünf Jahren ist der Zivildienst auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden: Manche Wohlfahrtsverbände und soziale Einrichtungen kämpfen bis heute mit den Folgen, andere konnten die Lücke mit dem freiwilligen sozialen Jahr oder dem Bundesfreiwilligendienst schließen.

Vor ein paar Jahren war es noch der Zwang durch die Wehrpflicht, der Kriegsdienstverweigerer zwischen Schul- und Berufsleben Erfahrungen in sozialen Tätigkeiten hat machen lassen. Seit 2011 ist der Zivildienst bis auf Weiteres abgeschafft - und junge Leute engagieren sich nur noch aus Idealismus beim Bundesfreiwilligendienst (BFD) oder in einem Freiwilliges Sozialen (FSJ) oder Ökologisches Jahr (FÖJ).

Das Aus des Zivildiensts hat den Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) damals hart getroffen. "Unsere Befürchtungen sind leider eingetroffen", sagt Kreisgeschäftsführer Herbert Werner. Vor 2011 hätten beim BRK in Pfaffenhofen in Spitzenzeiten bis zu 25 Zivildienstleistende gearbeitet - speziell in den Bereichen Krankentransport, ambulante Pflege, soziale Hilfsdienste und Fahrdienste. "Heute sind wir schon froh, wenn wir vier oder fünf Freiwillige haben - könnten aber noch mal so viele brauchen", sagt Werner. Die früheren Zivi-Tätigkeiten würden heute von 450-Euro-Kräften erledigt. "Das hat in den vergangenen Jahren zur Verteuerung von Dienstleistungen geführt", erklärt der BRK-Geschäftsführer. So sei beispielsweise der Kilometersatz für den Patientenfahrdienst spürbar gestiegen.

Allerdings habe sich durch FSJ und BFD auch etwas verbessert: "Die Leute, die zu uns kommen, wollen das machen und haben eine ganz andere Motivation", sagt Werner. Die einen, weil sie in einen sozialen Beruf hineinschnuppern wollen. Andere, weil sie das Jahr auf den Numerus clausus eines Medizinstudiums anrechnen können. "Ich habe letztes Jahr nach dem Abi nicht gewusst, was ich in Zukunft machen will", sagt Tobias Zagler (19), einer der "Bufdis" beim Roten Kreuz. Dort habe er gelernt, mit älteren Menschen umzugehen. "Ich wollte was sozial helfendes machen. Und das Arbeitsklima hier ist super." Genauso sieht es sein Kollege Josef Emmer (20, kleines Foto). Er macht ein FSJ. "Das ist eine sinnvolle Sache, man lernt fürs Leben."

Aber nicht alle Freiwilligen sind frische Schulabgänger. "Es kommen immer wieder auch mal Ältere, die sich komplett umorientieren wollen", sagt Werner. "Und da sind einige schon auch bei uns geblieben und haben eine Ausbildung gemacht."

Bei anderen, wenngleich deutlich kleineren ehemaligen Zivildienststellen in Pfaffenhofen hat die Umstellung auf Freiwillige gut geklappt: Am Heilpädagogischen Zentrum waren früher bis zu sechs Zivildienstleistende beschäftigt - und die Stellen konnten auch nach dem Aussetzen der Wehrpflicht besetzt werden. "Unsere anfänglichen Befürchtungen haben sich nicht bestätigt", berichtet Geschäftsführer Franz Schreyer. Hilfreich sei da vor allem der gute Kontakt zu den weiterführenden Schulen: "Wir haben bisher immer junge Leute gefunden, die bei uns ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein längeres Praktikum im Rahmen der Lehrer- oder Erzieherausbildung machen." Auch für das kommende Schuljahr gebe es schon vier FSJler. Die Freiwilligen, die überwiegend in der heilpädagogischen Tagesstätte, der Adolf-Rebl-Schule, der sozialpädagogischen Tagesstätte sowie der Vorschule eingesetzt werden, unterstützen dort das pädagogische Personal "Sie nehmen aber auch pflegerische Arbeiten war", erklärt Schreyer. "Das sind sehr engagierte, wertvolle Mitarbeiter, die wir nicht missen wollen."

Gemischt fällt die Bilanz der evangelischen Kirchengemeinde zu fünf Jahren FSJ aus. "Bisher hat es gut funktioniert", sagt Pfarrerin Christiane Murner. Es sei aber alles andere als einfach, die Einzelstelle jedes Jahr aufs Neue zu besetzen. "Heuer ist es extrem schwierig und ein geeigneter Kandidat ist nicht in Sicht." Es seien Angebote wie die wöchentliche Rommé-Runde älterer Herrschaften, das Kinderbasteln oder kleine Alltagshilfen für Senioren, die bei einer unbesetzten Stelle nicht mehr geleistet werden könnten, erklärt die Pfarrerin.

Auch der BRK-Kreisverband sucht noch Interessenten, die möglichst ab August oder September starten könnten. Heute müsse er Freiwillige per Stellenanzeige suchen, erzählt Geschäftsführer Werner. Früher mit der Wehrpflicht war das einfacher. "Natürlich würden wir uns den Zivildienst zurückwünschen, wir können die Uhren aber nicht zurückstellen", sagt der BRK-Geschäftsführer. Aber wer weiß, welche anderen Formen möglich wären: "Es wäre doch wünschenswert, dass jeder junge Mensch eine kurze Zeit seines Lebens in den Dienst der Allgemeinheit stellt - egal ob im Sozialen, in den Kirchen oder beim Naturschutz."

Pfarrerin Murner betont, dass beide Seiten von einem Freiwilligen Sozialen Jahr profitieren: "Sich selbst zu organisieren und individuell auf Menschen einzugehen ist für Jugendliche, die frisch aus dem eng durchgetakteten Schulleben kommen, oft eine große Herausforderung", sagt Murner. Im Gemeindealltag könnten sie aber wertvolle Erfahrungen sammeln. "Und am Ende gehen die jungen Menschen sozial gereift aus dem FSJ heraus."