Pfaffenhofen
"Ich dachte, das gehört nicht zu mir"

Veronika Feig aus Niederscheyern lebt mit dem Lipödem, einer unheilbaren Fettverteilungsstörung

25.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Sie nimmt am Leben teil - trotz Lipödem. Veronika Feig hat die unheilbare Krankheit erst spät bemerkt und hofft nun auf eine Operation. - Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Für den Rest ihres Lebens wird Veronika Feig aus Niederscheyern Stützstrümpfe tragen und zur Lymphdrainage gehen. Die 35-Jährige hat das Lipödem, eine Fettverteilungsstörung, die nicht heilbar ist. Wegen der Schmerzen hofft sie auf eine Operation, doch die ist teuer - und ihre Kasse wird wohl nicht zahlen.

Bestimmte Stellen an ihrem Körper hat Veronika Feig nie gemocht. Schon während der Pubertät ertastete sie erste Dellen an ihren Schenkeln - selbst als sie viel Sport trieb und an Armen, Taille und Oberkörper dünn war. "Ich dachte, das gehört nicht zu mir", sagt sie. "Ich fühlte mich gefangen in diesem Fett." Auch während und nach ihrer Schwangerschaft fiel der Mutter auf, dass sich immer mehr Stellen an ihrem Körper nicht einfügen wollen in das Bild, das andere von ihr haben - das der attraktiven Frau mit dem wohlgeformten Körper. Am meisten Sorgen machten ihr aber die Schmerzen, die schubweise kommen. Ein Druck in ihrem Körper, nach jedem Wetterwechsel oder wenn es stressig wurde. Drei- bis viermal im Jahr kommen die "höllischen Tage". "Es ist, als hätte ich tausend kleine Nadeln unter den Füßen", sagt sie. "Früher wusste ich nie, wie ich das einordnen soll." Auch ihre Hausärztin, die sie wegen der Schmerzen konsultierte, kam nicht auf die Lösung.

Die fand sie selbst im Internet, am 24. Dezember im vergangenen Jahr. "Ich habe gesurft und kam auf das Video einer Betroffenen", berichtet sie. Der pharmazeutisch-technischen Assistentin fiel auf, dass die Symptome gleich waren: Die blauen Flecken, die Schmerzen, das Fett an bestimmten Stellen. "Es war so eine Erleichterung. Endlich wusste ich, was los ist."

Eine Fachärztin bestätigte es ihr: Feig hat wie ihre Mutter das Lipödem - und zwar bereits in Stadium zwei. Die Fettverteilungsstörung ist also schon vorangeschritten, die Dellen an ihrem Körper sind bereits größer. Weil sie es erst spät erkannte, hat sich bei Feig zusätzlich das Lymphödem entwickelt - das heißt, dass ihre Lymphgefäße die Flüssigkeiten in ihrem Bein nicht mehr abtransportieren können.

Feig dürfte eine von vielen Frauen sein, die die Krankheit erst spät erkennen, weil sie für Außenstehende einer normalen Fettsucht so ähnlich ist. Doch damit hat sie nichts gemein. Weder durch weniger Essen noch Sport lässt sich das krankhafte Fettgewebe abbauen. Betroffen sind fast nur Frauen. Wie häufig das Lipödem vorkommt, ist noch relativ unklar. Umfragen in Fachkliniken ergaben bei stationären Patientinnen einen Anteil zwischen acht und 17 Prozent, so die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie.

Feig startete nach der Diagnose sofort ihre Therapie, heute geht sie mehrmals in der Woche zur Lymphdrainage und trägt täglich Stützstrümpfe. Gegen die Schmerzen nimmt sie eine Tablette. "So komme ich dann ganz gut über den Tag."

Wenn das Lipödem weiter fortgeschritten ist, empfehlen viele Ärzte die Fettabsaugung, bei der die krankhaften Stellen entfernt werden. Damit ist die Krankheit allerdings nicht geheilt, das veränderte Fett kann an anderer Stelle wieder nachwachsen. Feig will die Operation trotzdem. "Ich gebe zu, es ist auch wegen dem Optischen. Aber vor allem wegen der Schmerzen." Sie hofft, dass ihre Krankenkasse KKH die Kosten zwischen 5000 und 10 000 Euro übernehmen wird. "Ich kann mir das nicht leisten."

Doch die KKH sieht dafür kaum Chancen. Grundsätzlich werde eine solche Operation nicht übernommen, so die Kasse auf Anfrage. Bei den Ausnahmen verweist sie auf das Sozialgesetzbuch. Demnach können nicht allgemein anerkannte Leistungen prinzipiell nur dann übernommen werden, wenn eine lebensbedrohliche Krankheit vorliegt und eine Aussicht auf Heilung besteht. "Wenn dies wie beim Lipödem nicht der Fall ist und auch sonst keine anderen Voraussetzungen vorliegen, die der Gesetzgeber fordert, ist eine Kostenübernahme nicht möglich", so die Kasse.

Für Feig sind das schlechte Aussichten, aber sie will es trotzdem versuchen. "Zur Not werde ich einen anderen Weg finden", sagt sie. Sie weiß, dass es ihr nicht so schlecht geht wie vielen anderen Frauen, die sie aus Selbsthilfegruppen kennt. "Manche verlassen nicht mehr das Haus, haben kaum Freunde, weil sie sich so für ihren Körper schämen." Feig kann das nachvollziehen. "Mein Ex-Freund hat mir zum Abschied gesagt, ich sei ja eine schöne Frau, aber an den Beinen müsse ich echt was machen." Er war nicht der einzige, der ihr das sagte. "Ich habe mir dann selbst die Schuld gegeben."

Mittlerweile tut sie das nicht mehr. Zu viel habe sie in ihrem Leben schon gemeistert, sagt sie: Zwei Ausbildungen absolviert, ihren Sohn großgezogen und nebenbei gelernt, mit ihrer Krankheit umzugehen. Heute sagt sie ganz offen, wenn sie nach mehreren Stunden im Biergarten Schmerzen in den Beinen hat. "Dann gehe ich heim." Auch neue Bekanntschaften klärt sie sofort über ihre Krankheit auf. Und wenn es ihren potenziellen Partner stört? "So einen brauche ich nicht."