Pfaffenhofen
Hitlergruß und brutale Attacke

Schöffengericht verurteilt jungen Mann zur Besichtigung der KZ-Gedenkstätte Dachau

08.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:14 Uhr

Pfaffenhofen (em) Bei einer Geburtstagsparty ist es passiert: In einer Vierergruppe rief einer „Heil“, die anderen drei antworteten mit „Sieg“. Dann folgte noch der ausgestreckte erhobene Arm, der sogenannte Hitlergruß. Diese Vorkommnisse hatten nun vor dem Jugendschöffengericht ein Nachspiel.

Sven P. und Fabian A. (Namen geändert), beide aus dem mittleren Landkreis, waren im vergangenen Frühjahr, als der Vorfall sich ereignete, 19 beziehungsweise 20 Jahre alt. Nach den Aussagen von vier Zeugen, die unter den 20 Partygäste waren, spielte sich diese Szene genauso ab, wie es die Staatsanwaltschaft den Heranwachsenden vorwarf.

Etliche Partygäste gingen zu den Schreiern hin und wollten sie davon abbringen, weitere Rufe von sich zugeben. Etwa 30 Minuten lang entspannte sich die Situation, bis es dann doch wieder mit alkoholbedingten Pöbeleien weiterging. Daraus entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung, schließlich wurde auch gerempelt und herumgeschrien – die Stimmung schaukelte sich hoch. Als die ersten Partygäste den Raum verließen und ins Freie gingen, setzte sich dort die Rangelei fort. Plötzlich ergriff Fabian A. aus einem dort abgestellten Sperrmüllcontainer die Tür einer entsorgten Waschmaschine, drehte sich damit, um sie zu werfen – und schlug sie dabei einem Partygast voll ins Gesicht. Dieser erlitt durch den Schlag mit der Waschmaschinetür eine Platzwunde, einen Trümmerbruch des Nasenbeins sowie Prellungen des linken Jochbeins, des Unterkiefers und der Augenhöhlen, außerdem wurde die Nasenscheidewand verletzt. Noch heute ist eine Narbe „von der Nasenmitte bis über eine Augenbraue deutlich sichtbar“, stellte der Vorsitzende Richter des Pfaffenhofener Jugendschöffengerichts, Ulrich Klose, fest, nachdem ihm der Geschädigte seine Verletzungen zeigte.

Vor Gericht gab sich der Schläger, ebenso wie der zweite Angeklagte, recht kleinlaut, als die Zeugen aufmarschierten und die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in allen Punkten bestätigten. Beide sind keine Unbekannten beim Gericht: Sven P. hat bereits sechs Einträge im Bundeszentralregister, sie reichen von Fahren ohne Führerschein über Beleidigung bis zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Fabian A. ist mit einer Eintragung wegen Unterschlagung am Anfang seiner „Karriere“. In der Schule war er Klassensprecher, Tutor und Streitschlichter. Umso unverständlicher erschien auch dem Gericht der Wurf mit der Waschmaschinentür. Während Fabian A. die rechten Parolen einräumte, schob Sven P. Erinnerungslücken vor. Ob dies lediglich eine Schutzbehauptung war, konnte vor Gericht nicht abschließend geklärt werden. Das spielte jedoch keine Rolle, denn die Aussagen der Zeugen waren eindeutig.

Eine Überraschung war der Vorschlag der Jugendgerichtshilfe: Er sieht vor, den Heranwachsenden die Gräuel des Naziregimes vor Augen zu führen. Als Erziehungsmaßnahme wurde angeregt, Sven P. zu einer geführten Besichtigung der KZ-Gedenkstelle Dachau zu verurteilen und ihn danach einen Bericht darüber schreiben zu lassen.

Das Schöffengericht griff diesen Vorschlag auf und verurteilte Sven P. wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldauflage von 700 Euro – und zu der geführten Besichtigung in Dachau. „Und bis zum März erwarte ich einen zweiseitigen Bericht über diese Führung, was du gesehen hast, was du erlebst hast und was du dabei empfunden hast“, führte der Richter bei der Urteilsverkündung aus.

Der zweite Angeklagte Fabian A. wurde darüber hinaus wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Woche Dauerarrest verurteilt. Bei beiden Verurteilten wurde das Jugendstrafrecht angewandt, das weniger auf Strafe und mehr auf Erziehung ausgerichtet ist. Der Richter warnte zum Schluss: „Bei Anwendung des Erwachsenenstrafrechts wäre eine mehrmonatige Gefängnisstrafe im Raum gestanden.“