Pfaffenhofen
Historischer Rennwagen aus Holz

Eine grüne Seifenkiste von den legendären Rennen am Heißmanninger Berg ist noch erhalten

19.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:35 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Da steht das antike Stück, windschnittig und grün. Die Seifenkiste, die vor 62 Jahren das legendäre Rennen am Heißmanninger Berg gewonnen hat, gibt es noch. Sie gehört Josef Neubauer. Der 52-Jährige ist der Sohn von Josef Stier aus Vieth, der damals auf den ersten Platz gerast ist.

Was heute das rote Bobbycar ist, mit dem auch Erwachsene richtige Spaßrennen fahren, war in der Nachkriegszeit die Seifenkiste. In Pfaffenhofen wurde mehrmals der „Große Preis von Pfaffenhofen“ ausgetragen, am Heißmanninger Berg. Zwei Jahre hintereinander, im Juli 1949 als auch im Juni 1950, hieß der Sieger Josef Stier aus Vieth. Sein Sohn Josef Neubauer freut sich heute darüber, dass er die Seifenkiste von damals sehr gut erhalten über sechs Jahrzehnte gerettet hat: „Der Wagen hat ewig auf dem Speicher gestanden. Den hab ich dann geerbt, als eines der zwei Erbstücke von meinem Vater.“

Die grüne Seifenkiste, ein von seinem Vater selbst gebauter kleiner Rennwagen aus Holz ohne Motor, ist für Josef Neubauer, der heute in Burgstall lebt, mit vielen Erinnerungen verbunden. Nicht zuletzt, weil viele Kinder heute gar nicht mehr wissen, was eine Seifenkiste überhaupt ist, suchte Neubauer einen Platz, wo die Holzkiste auf vier Rädern für andere zugänglich ist. Deshalb dankt er Josef Weber vom gleichnamigen Pfaffenhofener Autohaus, der seit längerem einen Platz in seinem Ausstellungsraum für den einzigen „Opel“ dort freihält.

Denn die Organisatoren des Rennens hatten zum Bau der hölzernen Rennwagen die Laufräder mit Kugellagerung und Achsen zur Verfügung gestellt – um zumindest bei der Bereifung für gleiche Ausgangsbedingungen der Teilnehmer zu sorgen. Und dieses Material lieferte der Autohersteller Opel. Der historische Firmenschriftzug ist auf den Felgen zu sehen. Auch die Original-Hartgummibereifung ist noch erhalten.

Gerade in den Jahren um 1950 erlebte der durch die US-Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eingeführte Seifenkisten-Sport einen besonderen Boom. Die neu gegründete Adam-Opel-AG rief als Schirmherr und Schöpfer der Deutschen Meisterschaft zum Wettkampf um den großen „Opel-Preis“ auf. Infolgedessen fanden 1950 in 170 deutschen Städten Rennen vor großer Zuschauerkulisse statt. So waren die Seifenkistl-Rennen, organisiert vom Deutschen Jugendwerk und unterstützt von den Amerikanern der damaligen US-Besatzungszone, für Kinder wie Erwachsene eine willkommene Abwechslung. Im Nachkriegsdeutschland, gerade auf dem Land, gab es noch nicht so viel kulturelle Ablenkung und Unterhaltung.

Die Geschichte von dem legendären Rennen am Heißmanninger Berg im Juni 1950 wurde in der Familie Neubauer – der Familienname Stier wurde später aus Gefälligkeitsgründen auf dem Standesamt geändert – immer wieder erzählt. Josef Stier, der damals mit einem Freund die Seifenkiste im Morgengrauen zu Fuß mit einem Strick von Vieth nach Pfaffenhofen gezogen hatte, gewann damals. Als Sieger durfte er zusammen mit den vier weiteren Erstplatzierten zur weiteren Ausscheidung nach München fahren. „Dort hat er keine Chance gehabt, mitzuhalten. Sein Seifenkistl war technisch einfach unterlegen“, weiß Neubauer. Später arbeitete Josef Stier als Mechaniker bei der damaligen Firma Landmaschinen-Hipp. Im Jahr 2000 ist er in der Nacht zu seinem 65. Geburtstag überraschend gestorben. Die Seifenkiste erbte sein Sohn.

Seit dem 18. Jahrhundert ist die Familie in Vieth ansässig, zehn weitere Geschwister hatte Josef Stier. Aber nicht nur wegen des Sieges des damals 15-Jährigen blieb der Renntag unvergessen. An den Sonntag, 18. Juni 1950, als insgesamt 15 Seifenkistl mit neun Pfaffenhofenern und sechs Ingolstädter Fahrern an den Start gingen, ist auch ein besonders tragisches Familienereignis verbunden, das in der Heimatzeitung damals sogar kurz Erwähnung fand. Weil die ganze Familie zuschauen wollte, blieb nur eine Großmutter, eigentlich eine Cousine des Vaters, beim zweijährigen Bruder daheim. Das kleine Kind blieb einen Moment unbeaufsichtigt, stürzte in die Odelgrube und ertrank.

All diese Erinnerungen hängen an den grün lackierten Brettern auf vier Rädern, dem alten Erbstück, das Josef Neubauer über die Zeiten gerettet hat. Sein Vater betrachtete die Seifenkiste nicht als Spielzeug, und so war Josef Neubauer bereits 38 Jahre alt, als er das besondere Fahrzeug zum ersten Mal ausprobiert hat. Die Seifenkiste ist sogar gefedert. Vorne wurde eine abgebrochene Feder eines alten Fahrradsattels verbaut, hinten zwei Blattfedern. Und wer das gute Stück selbst einmal bewundern möchte, kann in den Ausstellungsraum des Pfaffenhofener Autohauses Weber kommen. Eine Anleitung zum eigenhändigen Bau einer Seifenkiste (Tosa-Verlag) ist für 7,95 Euro in der Geschäftsstelle des Pfaffenhofener Kurier am Hauptplatz erhältlich.