Pfaffenhofen
Grandseigneur des Kabaretts

Jochen Busse befasst sich in feinen Gedankenspielen mit den Widrigkeiten des Alterns

24.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

Jochen Busse war beim Auftritt im Stockerhof topfit - Foto: Paul

Pfaffenhofen (PK) Ein meist hintersinniges, selten deftiges Spiel mit den Facetten des Alterns hat Kabarettist Jochen Busse getrieben. „Wie komme ich jetzt da drauf“ heißt sein Programm, mit dem er im Pfaffenhofener Stockerhof zu überzeugen wusste.

Nein, dieses unverständliche Gebrabbel gleich zu Beginn bedeutet nicht, dass der Künstler den Verstand verloren beziehungsweise seinen Text vergessen hat. Im Gegenteil. Es soll einem solchen Dilemma vorbeugen. „Anti-Alzheimerübungen“ seien das, belehrt Busse sein Publikum. Irgendwie werden da Vokale nach einem bestimmten Muster zwischen Wortsilben geschoben und dann vor- und rückwärts memoriert – nun ja, muss man mögen als älterer Mensch. Obwohl: Vielleicht hilft es ja gegen die wachsende Bewegungsunlust fortgesetzterer Jahrgänge, besonders der Männer. „Die sind doch alle nur hier, weil ihre Frauen sie hergeschleppt haben. Männer würden am Abend lieber auf dem Sofa liegen, mit einer Flasche Bier. Für die Fortbewegung sorgt zur Not auch die Verschiebung der Kontinentalplatten.“

Jochen Busse selbst freilich sieht nicht so aus, als würde er sich zu selten bewegen: drahtig-schlank, fit. Was auch mal ein spontanes Tänzchen mit einer imaginären Partnerin einschließt. Und er ist gelenkig: Zum Schlussapplaus nach dem rund zweistündigen Programm verbeugt er sich mit durchgedrückten Beinen mehrmals so tief, dass die Fingerspitzen den Boden berühren. Und das alles mit knapp 74 Jahren. Respekt.

Dass Veranstalter Wolfgang Ramadan zu Beginn der Vorstellung verkündet, Busse habe ihm noch für Dezember dieses Jahres das Ende seiner Bühnenlaufbahn angekündigt, darf man dann wohl getrost auch der Koketterie zurechnen.

Manchmal wird es freilich auch etwas derber: „Nach Rom fahren? Wenn ich Ruinen sehen will, dann brauche ich doch nur manche Freunde einladen. So viel lappige Haut an einem einzigen Hals.“ Aber so sind sie halt, die Menschen aus der Gruppe der „Üsiebs“ (Über-Siebzigjährigen) und „Uhus“ (Unter-Hundertjährigen).

Die Einladung an besagte Freunde erfolgt dann tatsächlich. Grund ist der – vom Hausherrn Busse bedauerte – Auszug aus der komfortablen Stadtwohnung. Weil es die Gattin aufs Land zieht. Obwohl: „Wir wohnen im fünften Stock, Altbau, ohne Fahrstuhl, 148 Treppen – das ist in meinem Alter bereits aktive Sterbehilfe.“ Und man möchte ja nicht enden wie der Bekannte, der den Treppenlift mit den Worten stoppt: „An der nächsten Haltestelle besteht Umsteigmöglichkeit zum Gästeklo.“

Die eingeladenen Freunde beziehungsweise ihre mehr oder weniger tragischen Schicksale – modische Verirrungen in Beige, Überforderung mit den stressigen Enkelkindern, sexuelle Ebbe im Ehebett – werden dann zielsicher, aber niemals boshaft oder zynisch, abgehandelt.

Während viele Kabarettisten für ihr Programm gern so allgemein formulierte Titel wählen, die locker auch für frühere oder spätere passen würden, passt „Wie komme ich da jetzt drauf“ tatsächlich. Toll, wie sich Busse in den verbalen Verästelungen seiner Gedanken verliert, vom Hölzchen aufs Stöckchen philosophierend – und dann doch wieder in einem argumentativen Schlenker zum Ausgangsthema zurückfindet.

Kleine Kostprobe. „Und der Rock war viel zu eng. Enger Rock. Wie komme ich da jetzt drauf? Ach ja, ein Schauspieler mit einem Kleidungsstück im Namen: Rock Hudson.“ Irgendwie kommt Busse eben immer drauf.