Pfaffenhofen
Glücklich in Pfaffenhofen

Syrische Familie ist dankbar für herzliche Aufnahme – und sucht dringend Wohnung für Angehörige

19.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:13 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Mit einem fröhlichen „Hallo“ begrüßen der vierjährige Hansa und die dreijährige Zena die Reporterin. Selbstverständlich ist das nicht. Weder die Fröhlichkeit, noch die Sprache. Denn die zwei haben Schlimmes hinter sich: Sie sind Syrer, die Kinder einer Familie, die letztlich sehr viel Glück hatte. Seit August dürfen die beiden endlich wieder einfach Kind sein: Trampolin springen, Bobbycar fahren, lachen, draußen spielen. Dinge, die vermeintlich normal sind, nicht aber für Menschen, die in Syrien leben.

Nächtliche Bomben, erpresserische Verknappung bei der Wasser- und Stromversorgung, Entführungen. Das war bis Anfang August der Alltag der Familienangehörigen von Jasmina Naguib Agha. Sie ist, Tochter einer Deutschen und eines Syrers, in Damaskus aufgewachsen und seit zwei Jahren in Deutschland als Dolmetscherin für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in München und für das Landratsamt Pfaffenhofen tätig. Die vierfache Mutter begleitet syrische Flüchtlinge bei der Eingliederung in Deutschland.

Als vor fast zwei Jahren ihr Schwager verhaftet wurde, während er bei einer Essensverteilung half, und daraufhin seine Wohnung verwüstet und seine Familie eingeschüchtert wurde, war klar, dass Naguib Aghas Angehörige aus Damaskus fliehen müssen. Ein Jahr bemühte sie sich von Deutschland aus um die Formalitäten, bis ihre Schwiegermutter, Schwager und Schwägerinnen samt kleinen Kindern nach einer gefährlichen Ausreise mit dem Auto in den benachbarten Libanon ihre Heimat via Beirut tatsächlich mit einem deutschen Visum in der Tasche verlassen konnten.

Um zu vermeiden, dass sie fernab von Pfaffenhofen willkürlich irgendwo in Deutschland in oftmals überfüllten Erstaufnahmelagern untergebracht würden, verzichtete die Familie auf die Übernahme der Kosten durch das deutsche Sonderprogramm und finanzierte sich selbst ihre Flüge nach Deutschland.

Auch wenn Naguib Agha die treibende Kraft und die Basis für die Flucht ihrer Angehörigen war – bei den drei Aufnahmeprogrammen des Bundes wurden Syrer bevorzugt, die bereits Verwandte in Deutschland haben – war es doch der Verdienst der örtlichen Behörden und vieler Ehrenamtlicher, dass die Unterbringung der Familienmitglieder schnell vonstattenging: Das Landratsamt arbeitete zügig Anträge ab, gab Zahlungsanweisungen umgehend an das Jobcenter weiter und koordinierte Flüchtlingsbedürfnisse mit Hilfsangeboten. Aufgrund ihrer hervorragenden Kontakte durch ihr eigenes soziales Engagement und ihres Berufs als Dolmetscherin gelang es Naguib Agha, private Wohnungen zum Beispiel durch Kontakte beim Rotary Club zu organisieren. Auch das Kloster Scheyern konnte mit einer Wohnung weiterhelfen. Viele ehrenamtliche Helfer, zum Beispiel aus dem Asylkreis Scheyern, packten beim Mobiliar, Lampen montieren, Möbeltransport und anderen anstehenden Aufgaben mit an. Die Hausratsammelstelle des BRK lieferte ganze Einrichtungen, die Rathäuser in Scheyern und Pfaffenhofen versuchten, die Bürokratieseite ohne Zeitverzögerung abzuarbeiten. „Jeder muss nach seinen Kräften helfen!“, „Man kann im Kleinen anfangen und Verständnis schaffen!“ – das ist das Credo all derer, die helfen wollen, weil sie sehen, dass die Flüchtlinge willig sind, sich in Deutschland einzubringen und zu integrieren: Das Lernen der Sprache und Schrift ist hierbei natürlich der Anfang und sicher nicht einfach. Dass der Wille aber da ist, diese Barriere zu überwinden, erfährt die PK-Reporterin selbst hautnah, als beim kredenzten Tee eifrig nach den verschiedensten Bezeichnungen nachgefragt wird. Auch die Kinder besuchen bereits den Kindergarten und die Schule und werden künftig nachmittags intensive Deutschkenntnisse vermittelt bekommen. Unendlich dankbar, dass sie den massiven Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat entfliehen konnten und in Pfaffenhofen und seinem Landkreis so herzlich, engagiert und offen empfangen wurden, wollen sie ihr Bestes tun, bald eigenständig ihr Leben bestreiten zu können.

Im Gegensatz zu Asylbewerbern dürfen Syrer mit (vorerst zweijährigem) Visum in Deutschland arbeiten und Integrationskurse besuchen. Davor steht natürlich noch das Deutsch lernen, das sie am einfachsten bewältigen, wenn ihnen dabei Freiwillige in Kursen und privat im Alltag helfen.

So erleichternd es für Familie Naguib Agha auch ist, hier zu sein, so schlimm ist es für sie zu wissen, dass ein Schwager, dessen Frau und die achtjährige Tochter in Syrien auf grünes Licht in Pfaffenhofen warten: Sie haben zwar bereits Flüge und ein Visum, dieses läuft aber ab, sofern sie nicht bis Ende September eine Wohnung finden. Dann müssen sie wieder zurück. Zurück in Willkür, Ungerechtigkeit, Gewalt und menschenunwürdige Lebensverhältnisse.