Pfaffenhofen
Erzähltes Leben kunstvoll sortiert

12.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:35 Uhr

Peter Kurzeck bei seiner Lesung in Pfaffenhofen aus seinem neuesten Buch "Oktober und wer wir selbst sind". - Foto: Asbeck

Pfaffenhofen (PK) Peter Kurzeck wiegt mit seinen Worten in Trance. Aus der "Lesezeit" macht er eine "Vorlesezeit" in Pfaffenhofen, viele lauschen mit geschlossenen Augen. "Fliesstext" im besten Sinne des einladenden Festivals, das Bürgermeister Thomas Herker in seiner Begrüßung lobte als "ein Format, das der Region gut zu Gesicht steht".

Weil es zugleich die Talente in der Region fördere und große Namen in einem "geballten Programm" auf die Bühnen der vier teilnehmenden Städte Ingolstadt, Pfaffenhofen, Vohburg und Neuburg bringe.
 
Der Name Peter Kurzeck gilt unter den deutschen Autoren als ein Großer. Dies bestätigt Pfaffenhofens Kulturreferent Steffen Kopetzky, künstlerischer Leiter von Fliesstext10 und selbst einer der Jüngeren der Zunft. Gleichwohl ist Kurzeck als vielfach ausgezeichneter, hoch gelobter Erzähler nur wenig bekannt.

Seine Sprache entfaltet prächtige Bilderbögen. In seiner ausgewählten Textpassage aus dem neuesten Buch "Oktober und wer wir selbst sind" (Stroemfeld-Verlag) spannen sich die kunstvoll komponierten Erzählfäden von dem oberhessischen Dorf Staufenberg bei Gießen, in dem Peter Kurzeck als Flüchtlingskind aufwuchs, bis nach Frankfurt. Im Hintergrund wirkt auch Uzès in Südfrankreich, wo der Autor weit weg von der Mainmetropole ebenfalls viele Monate im Jahr lebt und schreibt. Über eine Borte am Anorak seiner Tochter Carina im Alter von vier Jahren weitet er seinen Blick auf die Welt bis nach China und Laos. Gegenwart und Vergangenheit wird durch den Monat Oktober verbunden, mit Farben vom "Sommer verbrannt".

Peter Kurzeck begreift sein Leben über das Schreiben, das erzählt er nach der Lesung den Zuhörern im Festsaal. "Wenn ich nicht arbeite, meine ich manchmal, die Welt hört auf mit mir zu sprechen." Kurzeck sammelt Einzelheiten seines Lebens, bewegt sie jahrzehntelang in seinem Kopf, erzählt sie dann anderen, bevor er sie beispielsweise in seine aktuelle, auf zwölf Bände angelegte autobiografisch-poetische Chronik "Das alte Jahrhundert" einsortiert.

In einer faszinierenden Sprache, oft fast im Versmaß, im bewussten Verzicht auf direkte Rede. Besonders stark wirken diese aus Worten gewebten Bilderteppiche, wenn Peter Kurzeck selbst vorträgt. Mit seiner eigenen Lautsprache, Pausen und Betonungen, begleitet von bewegten Stirnfalten, die der lichter werdende Haarkranz des 1943 in Böhmen Geborenen frei gibt. Eine biografische Einführung in Kurzecks Werk gab Lorenz Kettner, in Pfaffenhofen bekannt als ein absoluter Genießer und Reiseleiter im aktuellen Kulturbetrieb. Kettner teilt mit dem Autor das Geburtsjahr. Für seine mit einem Lächeln vorgetragene These "der Jahrgang, der Deutschland wieder aufbaute", erntete Kettner allerdings kleinen Widerspruch im Saal. Alle Generationen im erlebten Nachkriegsdeutschland sind auf verschiedenen, doch gleichzeitigen Erzählebenen Kurzecks Thema nach dem Motto "Wie wir wurden, was wir sind". Lorenz Kettner brachte sein Werk mit einem aus Kinderzeiten stammenden Zitat der Tochter Carina auf den Punkt, die in seinen Texten eine große Rolle spielt: "Erzähl, Peta (!), erzähl!" "Und Peter, der Vater, erzählt – ,weil er gar nicht anders kann. Weil es ihn sonst auffrisst’", zitiert Kettner.

Als Moderator des Abends im Programm angekündigt, verzichtete Lorenz Kettner allerdings auf weite Teile seiner vorbereiteten Einführungsrede. Damit nahm er Rücksicht auf den um eine halbe Stunde verzögerten Beginn. Der Grund lag in technischen Problemen – leider wieder einmal im doch für teures Geld sanierten Rathausfestsaal. Diesmal gelang es nicht, die Soundtechnik in Gang zu bringen. Bis ein funktionierendes Mikrofon glücklich herbeigeschafft werden konnte, warteten die knapp 50 Gäste geduldig und fast angenehm im Plausch vertieft bei gratis serviertem Wein und Wasser. Bedauerlicherweise ohne die Gesellschaft des Autors, der sich derweil in einem wenig gemütlichen Nebenzimmer aufhielt.