Pfaffenhofen
Eine Lücke im System?

Flüchtling aus Geisenfelder Unterkunft hatte ansteckende Hepatitis B doch lange wusste niemand davon

26.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:09 Uhr
In der Gemeinschaftsunterkunft auf dem Geländer der früheren Patriotraketenstellung in der Nähe von Geisenfeld hat der Anfang Februar verstorbene Flüchtling aus Nigeria etwa neun Monate lang gelebt. Dass er an Hepatitis B gelitten hatte, war weder seinen Mitbewohnern noch den ehrenamtlichen Asylhelfern bekannt. −Foto: Gerhard Kohlhuber

Pfaffenhofen (PK) Ein mittlerweile verstorbener Flüchtling aus einer Geisenfelder Unterkunft hatte eine ansteckende Form von Hepatitis B - die Helfer erfuhren das nur durch Zufall. Das Gesundheitsamt erklärt das mit dem Datenschutz, hätte sich aber dennoch Infos vom Ingolstädter Klinikum gewünscht.

Dort starb der Flüchtling Anfang Februar an Leberversagen. Zuvor wurde er in dem Krankenhaus bereits zweimal stationär behandelt, sagt Martina Kudernatsch, die Leiterin des Pfaffenhofener Gesundheitsamtes. "Das Problem war, dass die Krankheit so weit fortgeschritten war", sagt Kudernatsch. Der Patient habe in diesem Stadium eine hohe Anzahl an Viren, zudem blute er leichter, deshalb sei die Krankheit auch leichter zu übertragen - durch Blut oder Speichel könnten die Viren in die Blutbahn einer anderen Person gelangen.

"Wenn wir davon gewusst hätten, dann wäre es möglich gewesen, den Patienten in eine kleinere Unterkunft zu verlegen", sagt Kudernatsch. Dort hätte man dann etwa sicherstellen können, dass er eine eigene Toilette habe oder dass Mitbewohner geimpft würden.

Das Klinikum Ingolstadt gab zu der Frage, weshalb das Gesundheitsamt nicht über das fortgeschrittene Stadium der Krankheit informiert wurde, keine Stellungnahme ab. "Der Patient wurde bereits in Italien wegen der Krankheit behandelt", erklärt Pressesprecher Joschi Haunsperger vom Klinikum Ingolstadt. Sie sei also bereits bekannt gewesen.

Doch das Gesundheitsamt Pfaffenhofen erfuhr erst im Januar von der Erkrankung des Flüchtlings - und zwar von einer ehrenamtlichen Helferin, die der Betroffene von der Schweigepflicht entbunden hatte, sagt Kudernatsch. "Ich wusste allerdings nicht, dass die Krankheit bereits so weit fortgeschritten war." Sie habe Anfang Februar noch versucht, Unterlagen zu dem Fall zu bekommen, dann sei der Patient aber bereits gestorben, so Kudernatsch.

Nach Deutschland kam der Erkrankte laut der Gesundheitsamtsleiterin Anfang 2015, im April wurde er dann in die Geisenfelder Asylunterkunft auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände verlegt. Dass die Informationen über seine chronische Hepatitis-B-Erkrankung nicht bis zum Gesundheitsamt gelangten, sei "normal", sagt Kudernatsch.

Laut Bayerischem Gesundheitsministerium erfolgen Tests auf HIV- und Hepatitis-B-Infektionen beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. "Gemäß Asylbewerbergesetz ist das Ergebnis der Untersuchung der für die Unterbringung zuständigen Behörde mitzuteilen." Das wäre in diesem Fall das Landratsamt gewesen. Dies erfolge unter Beachtung des Datenschutzes.

Und in diesem Fall sei der Befund Hepatitis B aufgrund des Datenschutzes nicht weitergeleitet worden, so das Pfaffenhofener Gesundheitsamt. Teilweise werde ihre Behörde zwar auch über nicht meldepflichtige Krankheiten wie Hepatitis B informiert, aber nur, wenn das Amt aktiv werden müsste, also zum Beispiel Betten ausgetauscht werden müssten. Grundsätzlich spiele aber eben der Datenschutz wie in diesem Fall eine große Rolle, so Kudernatsch: "Man darf Asylbewerber nicht mehr stigmatisieren als Deutsche", sagt sie, "es ist ein tragischer Einzelfall."

Der Sprecher des Asylhelferkreises Feilenmoos, Johann-Wolfgang Reiling, sieht das anders: "Wir haben hier eine Lücke im Meldesystem", sagt der Asylhelfer, der den Nigerianer persönlich kannte. Der Betroffene sei zwar nach seinem Krankenhausbesuch in ein Einzelzimmer verlegt worden, trotzdem sei die Ansteckungsgefahr hoch gewesen. "Er hatte ja noch Kontakt mit anderen Bewohnern und Helfern, die nichts davon wussten." Reiling fordert deshalb, dass die Informationen über ansteckende Krankheiten an die Gesundheitsämter weitergegeben werden.

Auch Landrat Martin Wolf spricht von einem möglichen "Systemfehler". Rechtlich gesehen ist zwar nach Ansicht des Landkreischefs alles richtig gelaufen. Der verstorbene Flüchtling sei an einer nicht meldepflichtigen Form von Hepatitis B erkrankt und damit seine Persönlichkeitsrechte geschützt gewesen. Trotzdem wünscht er sich, dass beispielsweise die ärztlichen Untersuchungsergebnisse bei der Erstaufnahme an die zuständigen Gesundheitsämter weitergeleitet werden. "Damit wir dort zumindest wissen, mit welchen Krankheiten sich die Menschen in teilweise beengten Unterkünften bewegen." Dann könne das Gesundheitsamt auch ein Auge darauf haben, ob die Betroffenen ihre Arzttermine einhalten oder verschriebene Medikamente einnehmen. Dies diene sowohl dem Schutz der ehrenamtlichen Helfer als auch dem der betroffenen Flüchtlinge.

Wolf will den Vorschlag nun mithilfe der Regierung von Oberbayern prüfen lassen und kann sich der "hundertprozentigen" Unterstützung von Karl Straub sicher sein. Der CSU-Landtagsabgeordnete hält die Überlegungen des Landrats für absolut sinnvoll und will sich beim Gesundheitsministerium, das den Fall ohnehin gerade prüft, dafür einsetzen.