Pfaffenhofen
Die große Chance

Kaan Ucak vom Heilpädagogischen Förderzentrum spielt in Los Angeles um Gold bei den Special Olympics

23.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:00 Uhr

Foto: Claudia Lodermeyer

Pfaffenhofen (PK) Von der Ilm an den Pazifik: Kaan Ucak steht in diesen Tagen in Los Angeles auf dem Tennisplatz. Der Elftklässler der Adolf-Rebl-Schule will sich dort bei den Special Olympics World Summer Games am liebsten eine Goldmedaille erkämpfen.

Seine Augen sind stets auf den Ball gerichtet, die Hand hat den Tennisschläger fest im Griff: Kaan Ucak läuft von einem Ende des Spielfelds an das andere. Seine Trainerin Magdalena Konrad spielt im die Tennisbälle zu – mal so, dass der junge Sportler sie leicht mit der Rückhand erreicht; mal so, dass er sich strecken muss und den Ball gerade noch erwischt. Die gelben Bälle fliegen schnell nacheinander über das Netz, doch Ucak lässt nicht nach. Er hat die vergangenen Tage und Wochen fleißig trainiert, denn nun geht es für den Schüler der Adolf-Rebl-Schule nach Los Angeles. Der Elftklässler nimmt an den Special Olympics World Summer Games teil, eines der größten Sportereignisse für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung. Knapp zwei Wochen steht Kaan Ucak dort auf dem Platz, mit einem klaren Ziel: Gold. Denn der sportliche Ehrgeiz hat den Pfaffenhofener schon lange gepackt.

„Mein erstes großes Turnier habe ich vor drei Jahren in München gespielt“, sagt der Elftklässler. „Aber auch in Düsseldorf war ich schon. Und jetzt vor Kurzem in Speyer – da habe ich auch gegen starke Gegner gewonnen“, erzählt er stolz. Seit rund fünf Jahren spielt Ucak an der Adolf-Rebl-Schule Tennis. An dem Förderzentrum für geistige Entwicklung gibt es eine solche Arbeitsgemeinschaft schon seit 13 Jahren, seit drei Jahren besteht nun eine Partnerschaft mit dem Pfaffenhofener Tennisclub (TCP). Ucak selbst hat seit einigen Jahren gehofft, einmal bei der Gruppe mitspielen zu dürfen. „Ich war damals noch in der Klasse von Frau Konrad“, erinnert er sich. Konrad hatte während ihrer Zeit als Lehrerin an der Adolf-Rebl-Schule die AG gegründet und trainiert – und Ucak als großen Anhänger des Tennissports gewonnen. „Ich wollte schon viel früher mitspielen, aber ich war noch zu jung.“

Inzwischen zählt Ucak fest zum Schulteam und ist seit einem Jahr auch Mitglied beim TCP – und er hat unzählige Pokale und Medaillen mit nach Hause gebracht. Beispielsweise beim Tenniscamp in Reit im Winkl, den Bayerischen Special Olympics Spielen, den Spielen von Special Olympics Deutschland in München und den Landesspielen in Speyer konnte sich der junge Sportler behaupten. „Er hat sich schnell von einer Leistungsgruppe zur nächsten hochgearbeitet“, lobt Trainerin Konrad. Auch in diesem Jahr ist Ucak wieder eine Stufe noch oben gerutscht – mit der Folge, dass er nun statt Gold und Silber auch mal Bronze oder einen vierten Platz im Buch stehen hat. „Verlieren mag er gar nicht“, sagt Konrad. Das weiß auch Schulrektorin Andrea Eichler: „Wenn man ihn so in der Schule sieht, hätte man nie vermutet, dass er einen solchen Ehrgeiz hat.“

Woher Kaan Ucak diese Begeisterung und auch das Talent für Tennis hat, das können seine Eltern nicht erklären. Der Vater Necmi Ucak spielt Billard, auch Mutter Dilber hat mit Tennis nicht wirklich etwas am Hut gehabt. Doch dass der Sohn nun eine solche Sportlerkarriere absolviert, freut die Familie sehr. „Für Sport hat er immer Interesse gehabt“, sagt Necmi Ucak. Früher habe es Kaan auch einmal mit Fußball und Karate versucht, aber daran mit der Zeit die Lust verloren. „Das Talent für Tennis hat schließlich Frau Konrad entdeckt.“

Vor der Reise in die Vereinigten Staaten stand für die Eltern einiges im Terminkalender. „Visum, Passfoto, Ausweis – das haben wir alles schon lange erledigt“, sagt Mutter Dilber. „Es ist das erste Mal, dass jemand aus unserer Familie so weit wegfährt“, erzählt Necmi Ucak. Für den Elftklässler ist es auch das erste Mal, dass er länger ohne seine Eltern unterwegs ist. „Das ist auf einer Seite gut, weil er lernen muss, auf eigenen Beinen zu stehen“, sagt Necmi Ucak. Scherzend fügt er noch an: „Andererseits ist es nicht so leicht, weil er ein Muttersöhnchen ist.“ Aber auf die Zeit in den USA ist Kaan Ucak gut vorbereitet. „Er recherchiert alles“, erzählt seine Mutter – und wie auf das Stichwort sagt der Tennisspieler: „Los Angeles ist eine teure Stadt“, weiß er. „Dort gibt es zum Beispiel den Rodeo Drive, das ist eine Einkaufsmeile. Ich möchte auch ein bisschen einkaufen gehen – aber nicht dort, da ist alles viel zu teuer.“ Stattdessen plant er einen Abstecher in ein Einkaufszentrum. „Er will sich Souvenirs kaufen“, erklärt seine Mutter. Kaan Ucak will die Zeit in Amerika nutzen: „Man ist da vielleicht nur einmal im Leben“, sagt er. Damit der Pfaffenhofener die Zeit gut in Erinnerung behält und auch der Familie zu Hause ausführlich berichten kann, wie es in Los Angeles war, will ihm seine Mutter einige Speicherkarten für die Kamera mitgeben. „Mach ja viele Fotos“, bittet sie.

In Los Angeles kommt Kaan Ucak mit Trainerin Konrad und den anderen Athleten in einem Camp unter. Aus Deutschland sind in diesem Jahr vier Tennisspieler dabei: drei Athleten, außerdem ein sogenannter Unified Partner – also ein nicht-behinderter Tennisspieler, der mit einem Sportler mit Behinderung als Doppel auf dem Platz steht. Insgesamt geben rund 7000 Sportler aus 177 Ländern ihr Bestes, sie messen sich in 25 Sportarten. Aus Deutschland sind 194 Personen – davon 138 Athleten mit Behinderung – dabei, sie gehen bei 18 Sportarten an den Start.

„Am Anfang stehen einige Testspiele im Programm“, erklärt Trainerin Magdalena Konrad. Sie ist bereits zum dritten Mal mit der Rebl-Schule für diesen internationalen Wettbewerb qualifiziert und weiß von den Wettkämpfen in Shanghai und Athen, was auf ihre Sportler zukommt. „Es gibt auch eine große Eröffnungsfeier und ein riesiges Fest zum Abschluss.“

Bis zum Ende der Special Olympics und der großen Finalshow am 2. August allerdings will Kaan Ucak alles geben: Eine Medaille der weltweiten Special Olympics fehlt dem Pfaffenhofener noch in seiner Sammlung.