Pfaffenhofen
Die Roten zwischen Schwarzweiß und Bunt

SPD präsentiert ihre über 130 Jahre umfassende Ortschronik – Ein spannendes Stück Zeitgeschichte

01.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:17 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Die Ortschronik der SPD ist ein beeindruckendes und informatives Dokument der Zeitgeschichte – nicht nur für die im Mittelpunkt stehenden Sozialdemokraten.

Sondern auch für die allgemeine Entwicklung in Pfaffenhofen vom Ende des 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Wir schreiben das Jahr 1893: Im Deutschen Kaiserreich – und damit auch im Königreich Bayern – sind die sogenannten Sozialistengesetze des zurückgetretenen Kanzlers Otto von Bismarck endlich aufgehoben, die jahrelang verfolgte und verfemte Partei darf wieder frei und legal um Wähler werben.

Aber gefallen musste das den – gerade im ländlichen und konservativen Bayern – noch vom Untertanengeist geprägten Kommunalbehörden keineswegs. Entsprechend misstrauisch, ja feindselig beäugen sie die neu erwachten Aktivitäten der Genossen. Durch die Eröffnung des Bahnhofs und die Ansiedlung erster Industrien kamen immer mehr Arbeiter nach Pfaffenhofen – die klassische Klientel der SPD.

Als etwa ein 20-jähriger Schreinergehilfe am Fronleichnamsfest im Stegerbräukeller eine Parteiveranstaltung einberuft, lautet kurz darauf die giftige Berichterstattung im örtlichen Bezirksamtsblatt: „Eine Wühlversammlung… bietet keinen Reiz für Leute, die noch eine andere Ehre als die socialdemokratische kennen.“ Der Redner sei ein „Haupt-Agitator der Umsturzpartei…, welche nicht nur die Existenz von Staat und Kirche auf das heftigste bekämpft, sondern gleichzeitig auch die Existenz des Bürgers und Bauers vernichtet wissen will …“.

„Dass die Veranstaltung dann überhaupt stattfinden konnte, war schon fast ein Wunder“, berichtet SPD-Chef Markus Käser, einer der drei Herausgeber der Publikation. „Im Vorfeld hatte der Bezirksamtmann Ruhwandl nämlich die Wirte im Ort aufgefordert, nur ja keine Räumlichkeiten an die Sozialdemokraten zu vermieten.“ Unerhört für die damalige Zeit: Eingeladen waren auch Jugendliche und „Weibsbilder“ – also Personen, die bei anständigen bürgerlichen Parteien nichts verloren hatten.

Der erste Kommunalwahlkampf in Pfaffenhofen ist dann für das Jahr 1907 belegt. Thematisiert wurden von den Parteien vor allem Sorgen, die wie aus der heutigen Zeit klingen: das Sterben von Geschäften aufgrund des wachsenden Konkurrenzdrucks auswärtiger Billigprodukte und der Leerstand der Läden im Ort. Der erste Ortsverein wurde 1918 gegründet, nur ein Jahr später vom Rathausbalkon die Republik ausgerufen.

1919 war überhaupt das Erfolgsjahr für die SPD, bei den ersten Wahlen holte sie rund 50 Prozent der Stimmen in Pfaffenhofen – ein Ergebnis, von dem die Partei zumindest auf Landesebene heute nur noch träumen kann. Gut ein Jahr forschten, ordneten, schrieben und fotografierten Käser, sein Stellvertreter Torsten Sommer sowie Pfaffenhofens Stadtarchivar Andreas Sauer an dem 52 Seiten umfassenden Werk. Stadtjurist Florian Erdle übernahm das abschließende Lektorat, Reinhard Beck verantwortete Grafik, Satz und Gestaltung.

Viele Quellen standen ihnen nicht zur Verfügung: neben dem Stadtarchiv nur noch die Unterlagen des SPD-Landesverbands, vieles wurde in Kleinarbeit aus privaten Unterlagen zusammengetragen. „Hintergrund des Projekts war eigentlich das 150-jährige Bestehen der SPD im Jahr 2013“, erläutert Markus Käser die Initiation. „Aber im vergangenen Jahr kamen wir wegen der ständigen Wahlkämpfe nicht dazu.“

Kommunale Chroniken weisen für gewöhnlich nicht den Spannungsbogen eines Krimis auf: seitenlange Aneinanderreihung von Zahlen, Daten und Namen statt einer spannenden Handlung, eine Flut an Fußnoten anstelle einer anschaulichen Beschreibung. Glücklicherweise entschieden sich die drei Autoren für eine andere Herangehensweise. Ihnen gelang es, Geschichte – und das soll hier als Lob verstanden werden – im Stil eines Unterhaltungshistorikers Guido Knopp darzustellen: lebendige Sprache, anschauliche Beispiele, reiche Bebilderung. Geschichtlich korrekt ist es trotzdem.

Zu sehen sind unter anderem Fotos von vielen alten Gebäuden aus der Pfaffenhofener Vergangenheit – beispielsweise der bereits erwähnte Stegerbräu –, aber auch Alltagsszenen wie Arbeiter, die an der Scheyerer Straße Eisblöcke für die Brauereien zum Kühlen des Biers sägen. Gruselig dagegen eines der ersten Farbfotos: ein durchgehend mit riesigen blutroten Hakenkreuzfahnen beflaggter Hauptplatz aus dem Jahr 1935.

1946 kamen für die Neugründung der Partei nach dem Zweiten Weltkrieg im Moosburger Hof Sozialdemokraten aus dem gesamten Freistaat zusammen – vor allem aufgrund der zentralen verkehrstechnischen Lage Pfaffenhofens, aber auch weil die Versorgung mit Lebensmitteln in der Hallertau etwas besser war als im übrigen Bayern. „Hier gab es nach der Tagung wenigstens ein warmes Mittagessen“, erzählt Käser schmunzelnd.

Die späteren Fotos der Chronik schlagen dann schon den Bogen zur Gegenwart. Zu sehen ist dann etwa auf einem Foto aus den frühen 1970er Jahren beim Wahlkampf der damals noch junge und schwarzhaarige Peter Feßl. Der inzwischen weißhaarige ehemalige Deutschlehrer gehört dem Stadtrat als inzwischen zweitältestes Mitglied noch immer an.

„Die Themen für unsere Parteien hatten sich inzwischen etwas gewandelt“, berichtet Markus Käser. „Wohnungsnot und die Versorgung mit Lebensmitteln traten in den Hintergrund, dafür spielte der Weltfrieden und ein drohender Atomkrieg eine immer größere Rolle.“

Eines blieb aber immer wieder präsent, auch davon liefert die Chronik ein beredtes Zeugnis: die Diskussion unter den Kommunalpolitikern über die Gestaltung des Hauptplatzes. Schon in den 1970er, 1980er und 1990er kam es darüber zu hitzigen Debatten im Stadtrat. Aber wiederum auch irgendwie beruhigend, dass es in 150 Jahren einige inhaltliche Konstanten gibt.