Pfaffenhofen
Der rechte Weg

Amtsgerichtsdirektorin Bettina Gschwilm geht Ende März in den Ruhestand wer ihr Nachfolger wird, ist noch unklar

23.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr

Im Namen des Volkes hat Bettina Gschwilm jahrzehntelang Urteile gefällt. Ende März geht die Direktorin des Pfaffenhofener Amtsgerichts in den Ruhestand. - Foto: Straßer

Pfaffenhofen (PK) Die Leute zurück auf den rechten Weg bringen. Das war immer der Antrieb für Bettina Gschwilm. Ende März geht die Direktorin des Pfaffenhofener Amtsgerichts in den Ruhestand, will auf Reisen gehen und sich um die Enkel kümmern.

Auf ihre lange Karriere als Juristin blickt sie mit Stolz zurück. 41 Jahre lang hat sie an den Landgerichten in Ingolstadt und München, dem Amtsgericht Ingolstadt und in den letzten gut sieben Jahren als Direktorin am Pfaffenhofener Amtsgericht gearbeitet. "Ohne Unterbrechung und ohne Teilzeit trotz zwei Kindern. Das gibt es wohl sonst nicht", sagt sie. Es war jetzt aber auch nicht so, dass ihr Mann Simpert ständig daheim war und auf den Nachwuchs aufgepasst hätte. Er war Berufsschullehrer und bis zu seinem frühen Tod 1998 Bürgermeister von Hepberg, hatte also auch viel um die Ohren. Die Gschwilms hatten zunächst eine Kinderfrau, auch die Omas seien immer wieder eingesprungen. Kinderkrippen gab es damals noch nicht. Aber die Arbeit, die war ihr immer wichtig.

Geboren wurde Gschwilm 1952 in Bielefeld in Nordrhein-Westfalen, 1966 kam sie mit ihrer Familie nach München. Der Vater arbeitete als Manager, ihre Mutter war Soziologin - und ihr großes Vorbild. "Sie hat mit Anfang 30 und drei Kindern angefangen zu studieren", erzählt Gschwilm. Dass es sie selbst zur Rechtswissenschaft zog, sei eher ein Zufall gewesen: Ihre Mutter habe ihr nahegelegt, Psychologin zu werden. "Aber das wäre nichts gewesen."

Jura passte da besser - und die ehrgeizige Nachwuchskraft trat nach dem Zweiten Staatsexamen 1978 ihre erste Stelle am Landgericht München an. Dabei sollte es aber nicht bleiben. "Ich wollte immer Vorsitzende Richterin werden. Das war mein Berufsziel", sagt sie. Nach Stationen am Amts- und Landgericht Ingolstadt war es 2003 dann so weit. Doch Sibylle Dworazik, die Präsidentin des Ingolstädter Landgerichts, hatte mehr mit Bettina Gschwilm vor. Sie schlug ihr vor, sich um den Chefposten in Pfaffenhofen zu bewerben. Nach 21 Jahren als Richterin für Zivilsachen. "Das war zwar rechtlich sehr anspruchsvoll, ich habe mich aber gefreut, was anderes machen zu dürfen."

In Pfaffenhofen war sie dann zunächst im Strafrecht tätig. Die Direktoren am Amtsgericht sind nämlich nicht nur Chefs - etwa die Hälfte der Arbeitszeit sind sie ganz normale Richter. Nachdem ihre Tochter Staatsanwältin wurde, durfte Bettina Gschwilm laut Gesetz nicht mehr im gleichen Fachgebiet arbeiten. Sie wechselte zu den sogenannten Betreuungssachen, entschied, ob beispielsweise ein Demenzkranker Hilfe beim Regeln seiner persönlichen Angelegenheiten benötigt.

Das Pfaffenhofener Amtsgericht führte Gschwilm in die Zukunft. Als sie kam, hatte das Gericht noch nicht einmal einen eigenen Internetauftritt. Aber: "Ich habe ein geordnetes Haus übernommen und hinterlasse auch ein geordnetes", sagt sie. "Ich habe tüchtige Mitarbeiter, die kennen sich alle aus." Wer ihr Nachfolger wird, ist noch nicht klar. "Das ist ein kompliziertes Bewerbungsverfahren", sagt Gschwilm. Große Veränderungen brachte der Mord an einem Staatsanwalt vor fünf Jahren im Dachauer Amtsgericht mit sich. Seitdem wird jeder, der das Gerichtsgebäude betritt, gefilzt. Die Chefin bekommt jeden Monat eine Liste, was Leute ins Gerichtsgebäude schmuggeln wollten: Taschenmesser, Nagelfeilen, Bohrer. "Eine Pistole ist noch nie dabei gewesen. Aber es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass niemand gefährliche Gegenstände dabei hat - obwohl es am Anfang oft dumme Bemerkungen gab. Wir ziehen leider Querulanten und sonstige schwierige Leute an." Echte Querulanten erkennt die Amtsgerichtsdirektorin übrigens schon, wenn ein Brief eintrudelt. "Da sind von oben bis unten Unterstreichungen und Ausrufezeichen drin."

Richtig schlimme Erlebnisse hatte Gschwilm in ihrer Zeit als Richterin nie zu verarbeiten. "Manche Fälle verfolgen einen aber schon" sagt sie. Man müsse sich als Richter nur immer wieder klar machen: "Ich bin nicht schuld daran, dass es den Leuten so schlecht geht." Es blieb ihr auch erspart richtig harte Urteile zu fällen - die Amtsgerichte sind nur für Fälle zuständig, wenn eine Freiheitsstrafe nicht über vier Jahre zu erwarten und nicht mit einer Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung zu rechnen ist.

"Die wenigsten Angeklagten, die man am Amtsgericht hat, sind so richtig böse. Die meisten sind sehr schwach." Es gehe darum, die Leute zurück auf den richtigen Weg zu bringen, nicht hart zu bestrafen. Suchtberatung oder Therapien seien da der richtige Weg. "Selbst wenn ich nur in einem von hundert Fällen Erfolg habe: Ich hab's wenigstens versucht."

In Zivilgerichtsprozessen sei es manchmal leichter, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. "Wenn man merkt, dass jemand übers Ohr gehauen werden soll, der sich nicht wehren kann." Und es sei interessant zu sehen, wie sich die vermeintlich anständigen Leute, mit denen Gschwilm als Zivilrichterin zu tun hatte, aufführen. "Geld ist ein starker Antrieb", hat sie im Laufe ihrer Karriere erkannt. Und: "Es ist nicht alles strafbar, was nicht in Ordnung ist."

Angst, dass es ihr im Ruhestand langweilig werden könnte, hat Bettina Gschwilm nicht. Sie interessiert sich für Archäologie und Geschichte, liebt das Reisen, schon im April soll es nach Marokko gehen - wenn dort alles ruhig bleibt. Das Haus in Hepberg hat Gschwilm im Hinblick auf das Alter verkauft, wohnt mittlerweile in einer Wohnung in Ingolstadt.

Besonders freut sie sich darauf, mehr Zeit mit ihren Enkeln zu verbringen. "Die sind ein reiches Betätigungsfeld", sagt sie. Ihr Antrieb kann da der gleiche bleiben. Auf den rechten Weg im Leben müssen auch die Enkel gebracht werden.