Pfaffenhofen
Der "Schulz-Zug" rollt durch Pfaffenhofen

In Stadt und Landkreis treten ungewöhnlich viele Neumitglieder in die SPD ein

22.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

Beim politischen Aschermittwoch der SPD in Vilshofen haben sich Markus Käser (von rechts) und Martin Schulz getroffen - hier zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Bärbel Kofler. Die Begeisterung für den neuen Kanzlerkandidaten - der "Schulzeffekt" - wirkt sich auch auf die Beitrittszahlen in Käsers Kreisverband und Ortsverein aus. - Fotos: privat, Konstantin Ferstl

Pfaffenhofen (PK) Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verhilft den Sozialdemokraten nicht nur zu einem anhaltenden Umfragehoch, sondern auch zu neuen Mitgliedern in den Ortsvereinen: Seit er als Nachfolger Sigmar Gabriels in Stellung gebracht wurde, sind landkreisweit 16 Neumitglieder eingetreten.

Laut Bundes-SPD tritt alle acht Minuten jemand in die SPD ein. Der "Schulz-Effekt" ist aber auch auf Orts- und Kreisebene spürbar: Seit Sigmar Gabriel Ende Januar zugunsten des ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur verzichtet hat, gehen überraschend viele Mitgliedsanträge bei den Ortsvereinen ein. "Zehn Minuten nach der Bekanntgabe hat schon der Erste angerufen, der in die SPD eintreten wollte", erzählt der Orts- und Kreisvorsitzende Markus Käser. Es war Lukas Westner, 29 Jahre alt und der destruktiven Diskussionskultur leid (siehe Interview). Er will sich schon länger politisch engagieren - die Aufbruchstimmung in der SPD durch den Wechsel hat den Ausschlag gegeben. Ein anderer ist Adrian Schurius. "Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt und der ausgefüllte Antrag lag schon auf meinem Schreibtisch", erzählt der 19-jährige Pfaffenhofener. Es hat sich aber irgendwie nicht ergeben - und dann kam Schulz. "Und jetzt will ich den Wahlkampf unterstützen, damit er Kanzler wird", sagt der junge Mann, der seinen Bundesfreiwilligendienst bei der Asylsozialberatung des Landratsamts ableistet.

Seit Ende Januar zählt allein der Pfaffenhofener Ortsverein zehn Neumitglieder aller Altersstufen, landkreisweit sind es laut Käser mindestens 16 - teils ihm völlig Unbekannte, teils Sympathisanten, die auf lokaler Ebene schon im Umfeld der SPD engagiert gewesen seien. "In einer solchen Intensität habe ich das in meinen neun Jahren noch nie erlebt", sagt Käser. "Leute klopfen ans Bürofenster und treten uns spontan bei."

Käser glaubt nicht, dass der Trend, der seit Wochen anhält, allein mit der Person Martin Schulz zu tun hat. "Die Zeiten werden wieder politischer", ist der Pfaffenhofener Kreisvorsitzende überzeugt. "Und jetzt ist ein Moment, der polarisiert und der motiviert, den Schritt zu tun." Einige Neumitglieder seien wegen des bevorstehenden Mitgliedervotums beigetreten. Andere wegen konkreter lokaler oder regionaler Themen. Oder weil sie den Populisten nicht das Feld überlassen wollen. "Allen gemeinsam ist, dass sie einen Beitrag für die Demokratie leisten wollen", sagt Käser. Und Schulz sei ihr Weckruf.

Anders verhalte es sich bei den hohen Zustimmungswerten für die SPD von über 30 Prozent. "Die haben sehr wohl etwas mit ihm als Person zu tun", sagt Käser. "Martin Schulz hat Energie, präsentiert sich sehr menschlich und mitfühlend - er ist nicht nur rational, sondern auch emotional." So habe er ihn auch bei einer Begegnung am politischen Aschermittwoch in Vilshofen erlebt. "Als Mann außerhalb der Großen Koalition und des Bundesvorstands wird er als neue Kraft wahrgenommen, als Alternative zur lähmenden Alternativlosigkeit der Merkel-Politik", sagt Käser. Ganz im Gegensatz zu Sigmar Gabriel.

Eines ist Käser, der bekanntlich auch um den Landesvorsitz der Bayern-SPD kandidiert, aber besonders wichtig - egal ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene: "Unsere Politik lebt nicht von Personen allein, sondern vom Programm", sagt der Pfaffenhofener. "Dass Schulz sich programmatisch nicht festlegt, ist trotzdem der vollkommen richtige Weg." Denn die Programmarbeit der Partei laufe noch. Und der große Fehler Peer Steinbrücks sei es gewesen, dass er sich positioniert habe, ohne deren Ergebnisse abzuwarten.

Noch etwas brennt Käser unter den Nägeln: "Um Bundeskanzler zu werden, braucht Schulz eine starke Bayern-SPD." Das gelte auch mit Blick auf die nächste Landtagswahl: "Wir dürfen uns nicht nur im Schlafwagen mit nach Berlin ziehen lassen, sondern brauchen eine eigene Lokomotive." Die Landes-SPD müsse den Schwung für einen personellen und inhaltlichen Neuanfang nutzen. "Wir dürfen uns nicht auf den Umfragewerten ausruhen und uns daran glücklich klatschen", warnt er - und da hat er als SPD-Renegat und Bewerber um den Landesvorsitz etwas mit Schulz gemein: Beide sind längst im Wahlkampf-Modus.